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Grundsätzlich obliegt die Entscheidung darüber, in welcher staatlichen oder privaten Organisationsform Schutzleistungen erbracht werden sollen, dem politisch-demokratischen Prozess, wobei (verfassungs-)rechtliche Vorgaben den grundlegenden Rahmen setzen. Die Politik- und Verwaltungswissenschaft kann diesbezüglich keine aktiv-gestaltende Rolle einnehmen, sie kann jedoch als Reflexionsinstanz zur Klärung möglicher Entscheidungskriterien beitragen. Dazu wird ein Entscheidungsrahmen eingeführt, der sowohl effektivitäts-, effizienz-, als auch legitimitätsbezogene Zielgrößen berücksichtigt. In diesem Rahmen wird auf drei Einzelkriterien Bezug genommen: (1) Strategische Relevanz, (2) Spezifität, (3) Legitimität.

Das Kriterium der strategischen Relevanz berücksichtigt die Bedeutung einer Aufgabe für die Erreichung politisch gesetzter Ziele. Insbesondere bei strategisch relevanten Aufgaben muss garantiert sein, dass deren Erbringung gewährleistet und durch den Staat kontrollierbar ist. Damit steht die Steuer- und Regulierbarkeit der Schutzleistung auf dem Prüfstand.

In öffentlichen Verkehrsmitteln treffen füreinander unbekannte Menschen auf sehr engem, oft abgeschlossenem Raum aufeinander. Die Bedürfnisse der Fahrgäste an die persönliche Sicherheit sind damit sehr hoch. Dies gilt umso stärker, je mehr in der Öffentlichkeit über bekanntgewordene Fälle von Gewaltkriminalität in Bahnhöfen, Bussen und Bahnen debattiert wird. Die Herstellung einer objektiven Sicherheit sowie eines subjektiven Sicherheitsgefühls in öffentlichen Verkehrsmitteln berührt damit wesentlich das staatliche Interesse an der Aufrechterhaltung öffentlicher Sicherheit und Ordnung, genauso aber auch das Geschäftsinteresse der öffentlichen oder privaten Verkehrsbetriebe. Denn schließlich ist Sicherheit ein maßgeblicher Faktor für die Attraktivität und damit die Nachfrage öffentlicher Verkehrsmittel. Um die Sicherheit im öffentlichen Nahverkehr zu erhöhen, wird oftmals auf privates Sicherheitspersonal zurückgegriffen. Diese verkehrsbetriebseigenen oder -fremden Sicherheitsdienste handeln auf Grundlage übertragener Hausrechte und können sich bei der Durchführung der verschiedenen präventiven Sicherheitsaufgaben einzig auf die so genannten Jedermannsrechte stützen. Damit gelten einerseits abgeminderte Maßstäbe an die staatliche Kontrolle der privaten Leistungserbringung. Andererseits handelt es sich jedoch bei den Verkehrsflächen (Bahnhöfe, Haltestellen usw.) um semi-öffentliche Räume, sodass private Sicherheitskräfte damit bisweilen bis in den öffentlichen Bereich vordringen (Kirsch, 2003, S. 53). Daraus resultiert sehr wohl eine staatliche Aufsichtspflicht. Dazu hat sich vielerorts eine Form der kooperativen Zusammenarbeit mit polizeilichen Einsatzkräften etabliert (Doppelstreifen). Vielfach wird in diesem Zusammenhang kritisch auf die Gefahr einer schleichenden Überlassung semi-öffentlicher bzw. öffentlicher Verkehrsräume an privates Sicherheitspersonal hingewiesen (u. a. Stienen, 2011, S. 199), die einen Verlust an staatlichen Kontrollansprüchen implizieren. Angesichts dessen, dass die Sicherheit im Verkehrsbereich für die Aufrechterhaltung öffentlicher Sicherheit unverzichtbar ist und damit einen für den Staat strategisch relevanten Aufgabenbereich darstellt, ist diese Entwicklung einer „Präsenzzurückhaltung der Polizei“ (Stienen, 2011, S. 201) im Auge zu behalten.

 

Quellen: 

Kirsch, B. (2003). Private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum. Formen und Folgen der Zusammenarbeit mit der Polizei in Berlin und Frankfurt am Main. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

Stienen, L. (2011). Privatisierung und Entstaatlichung der inneren Sicherheit. Erscheinungsformen, Prozesse und Entwicklungstendenzen. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft.

Mit dem Prüfkriterium der Spezifität wird ein Maß für die Einzigartigkeit des mit einer Aufgabenerfüllung verbundenen Mitteleinsatzes eingeführt. Dies setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die den Einsatz spezialisierter Technologien oder Anlagen, spezifische Ausstattungen, Qualifikationen, Verfahrensregeln und Kompetenzen betreffen und als Auslagerungshürden gelten.

Sicherheits- und Kontrolldienste in öffentlichen Verkehrsmitteln dienen dem Schutz der Fahrgäste vor Straftaten, dem Schutz des Eigentums der Verkehrsbetriebe, der Sicherstellung des Betriebs sowie auch der Fahrkartenkontrolle. Dieses breite Aufgabenportfolio umfasst Tätigkeiten, die über den polizeilichen Auftrag deutlich hinausgehen, sodass der Einsatz privater Sicherheitskräfte angezeigt ist. Andererseits sind den privaten Sicherheitskräften, die nicht über hoheitliche Eingriffsrechte verfügen, Grenzen gesetzt, die immer wieder den Ad hoc-Einsatz von Polizeikräften notwendig machen. Denn zum Vollzug der Schutzleistung sind die privaten Sicherheitskräfte nicht berechtigt, Polizeiaufgaben zu übernehmen, sondern allenfalls beauftragt, das Hausrecht ihrer Auftraggeber durchzusetzen. Im Gegensatz zu Polizisten sind sie in der Regel unbewaffnet und verfügen allein über die üblichen Notwehrrechte. Umso wichtiger ist es, dass sie hinsichtlich der Eigensicherung und der Kommunikation mit Fahrgästen professionell ausgebildet sind. Schließlich kommt es in diesem Rahmen immer wieder zu gewaltsamen Konflikt- und Eskalationsfällen zwischen Passagieren und Sicherheitsmitarbeitern. Die Polizeikräfte haben andersherum nicht in erster Linie keine Befugnisse, das Hausrecht des Verkehrsbetreibers durchzusetzen. Zur Zielerreichung eines ganzheitlichen Sicherheitsansatzes ist eine kooperative Zusammenarbeit zwischen den staatlichen und privaten Sicherheitsakteuren in diesem Schutzleistungsbereich zielführend, wie sie in der Praxis bereits umgesetzt wird.

Mit dem Prüfkriterium der Legitimität wird der politikwissenschaftlichen Einsicht Rechnung getragen, dass staatliches Handeln und Entscheiden nicht allein an den Maßstäben von Effektivität und Effizienz bemessen werden sollte, sondern auch an der faktischen Akzeptanz, die es durch die verschiedenen Anspruchsgruppen erfährt.

Im Zusammenhang mit der Durchführung dieser Schutzleistung kommt es vermehrt zu Konfliktfällen und tätlichen Angriffen auf das Sicherheits- und Kontrollpersonal. Weil bekannt ist, dass private Sicherheitskräfte nicht mit polizeilicher Autorität handeln dürfen, ist vorstellbar, dass sich hier mitunter Autoritätsprobleme einstellen, die einerseits konflikteskalierend wirken können und andererseits wiederum Kompetenzüberschreitungen seitens der Sicherheitskräfte hervorrufen können. Dass private Sicherheitsdienstleister bisweilen bemüht sind, über ihre Uniform und ihre Ausrüstung polizeiähnlich aufzutreten (Stienen, 2011, S. 198), zeugt von grundsätzlichen Akzeptanzproblemen. Denn wenn Sicherheitskräfte Werksgelände bewachen, so ist dies eine private Angelegenheit des jeweiligen Werkseigentümers, der damit legitimerweise sein Hausrecht ausübt. Wenn Sicherheitsdienste jedoch in den öffentlichen oder semi-öffentlichen Raum vordringen, stellt sich die Situation anders dar. Dies ist bei Sicherheits- und Kontrolldiensten im öffentlichen Nahverkehr bisweilen der Fall. In diesem Zusammenhang spielt eine mitausschlaggebende Rolle, dass diese Schutzleistung vielfach im semi-öffentlichen Raum erbracht wird, dadurch die rechtlichen Befugnisse umstritten und die öffentliche Aufmerksamkeit höher ist.

All dies macht deutlich, dass Sicherheits- und Kontrolldienste in öffentlichen Verkehrsmitteln und damit auch der Einsatz privater Sicherheitsdienstleister einer starken öffentlichen Wahrnehmung unterliegt. Das öffentliche Interesse und auch die mediale Aufmerksamkeit, die dem öffentlichen Nahverkehr im Allgemeinen entgegengebracht wird, gilt auch für die Gewährleistung der Sicherheit in diesem Bereich (Kirsch, 2003, S. 53). 

 

Quellen: 

Kirsch, B. (2003). Private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum. Formen und Folgen der Zusammenarbeit mit der Polizei in Berlin und Frankfurt am Main. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.

Stienen, L. (2011). Privatisierung und Entstaatlichung der inneren Sicherheit. Erscheinungsformen, Prozesse und Entwicklungstendenzen. Frankfurt am Main: Verlag für Polizeiwissenschaft.

Bei Sicherheits- und Kontrolldiensten in öffentlichen Verkehrsmitteln handelt es sich um eine Schutzleistung von mittlerer strategischer Relevanz, wenngleich diese Beurteilung maßgeblich davon abhängt, ob und in welchem Ausmaß Streifen im semi-öffentlichen oder öffentlichen Raum agieren. Selbiges gilt für die Spezifität dieser Schutzleistung. Aufgrund der zueinander komplementären Befugnisse ist damit eine kooperative Zusammenarbeit zwischen den staatlichen und privaten Sicherheitsakteuren in diesem Schutzleistungsbereich zielführend, wie sie in der Praxis bereits umgesetzt wird.