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Grundsätzlich obliegt die Entscheidung darüber, in welcher staatlichen oder privaten Organisationsform Schutzleistungen erbracht werden sollen, dem politisch-demokratischen Prozess, wobei (verfassungs-)rechtliche Vorgaben den grundlegenden Rahmen setzen. Die Politik- und Verwaltungswissenschaft kann diesbezüglich keine aktiv-gestaltende Rolle einnehmen, sie kann jedoch als Reflexionsinstanz zur Klärung möglicher Entscheidungskriterien beitragen. Dazu wird ein Entscheidungsrahmen eingeführt, der sowohl effektivitäts-, effizienz-, als auch legitimitätsbezogene Zielgrößen berücksichtigt. In diesem Rahmen wird auf drei Einzelkriterien Bezug genommen: (1) Strategische Relevanz, (2) Spezifität, (3) Legitimität.

Das Kriterium der strategischen Relevanz berücksichtigt die Bedeutung einer Aufgabe für die Erreichung politisch gesetzter Ziele. Insbesondere bei strategisch relevanten Aufgaben muss garantiert sein, dass deren Erbringung gewährleistet und durch den Staat kontrollierbar ist. Damit steht die Steuer- und Regulierbarkeit der Schutzleistung auf dem Prüfstand.

Der Katastrophenschutz ist Teil der allgemeinen Gefahrenabwehr. Er zielt darauf ab, im Fall eines außergewöhnlichen Schadensereignisses die Unversehrtheit menschlichen Lebens zu schützen, genauso aber auch Sachgüter und die Umwelt vor Schäden durch technisch- oder naturbedingte Gefahrenlagen zu bewahren. Die natürlichen und gesellschaftlichen Lebensgrundlagen stellen in diesem Fall das zentrale Schutzgut dar, das präventiv gegen katastrophale Schadensszenarien abgesichert und im Eintrittsfall über Maßnahmen der Gefahrenabwehr geschützt werden muss. Der Katastrophenschutz verweist damit ganz zentral auf das öffentliche Gemeinwohlinteresse. Entsprechend fällt er unter den verfassungsrechtlichen staatlichen Schutzauftrag der Daseinsvorsorge. Damit ist dem Katastrophenschutz fraglos eine sehr hohe strategische Relevanz beizumessen, sodass er eindeutig in den Verantwortungsbereich des Staates fällt (vgl. Gusy, 2018). In der Praxis ist die nicht polizeiliche Gefahrenabwehr im Katastrophenfall gemäß Art. 70 des Grundgesetzes primär Aufgabe der Länder.

Auf Kreisebene existieren dazu zentrale (Rettungs-)Leitstellen, deren originäre Aufgabe es ist, Hilfeersuchen entgegenzunehmen und die jeweils notwendigen Einsatzmaßnahmen zu veranlassen. Diese Leitstellen, deren konkrete Ausgestaltung ebenfalls Sache der Länder ist, dienen dem Alarmieren, Koordinieren und Lenken der verschiedenen relevanten Sicherheits- bzw. Rettungsakteure und Organisation (Niehues, 2012, S. 23f.). Als Meldestelle, Informations- und Kommunikationsstelle erfüllt die Leitstelle eine Schlüsselrolle für ein abgestimmtes Vorgehen und Zusammenwirken der mitwirkenden Behörden, Organisationen und eingesetzten Kräfte (Pfohl, 2014, S.65ff.). Damit hat sie eine zentrale strategische Relevanz für die wichtige Aufgabe des Katastrophenschutzes und liegt entsprechend in öffentlicher Erfüllungsverantwortung. Es scheint aufgrund dessen überaus fraglich, ob und inwieweit private Sicherheitsdienstleister zukünftig in diesem Aufgabenfeld eingesetzt werden sollten.

Quellen: 

Gusy, C. (2018). Zwischen Zivilschutz und besonders schwerem Unglücksfall: Die verdrängte Katastrophe. In H.-J. Lange & M. Wendekamm (Hrsg.), Die Verwaltung der Sicherheit. Theorie und Praxis der Öffentlichen Sicherheitsverwaltung (S. 165-182). Wiesbaden: Springer.

Niehues, C. (2012). Notfallversorgung in Deutschland Analyse. des Status quo und Empfehlungen für ein patientenorientiertes und effizientes Notfallmanagement. Stuttgart: W. Kohlhammer.

Pfohl, T. N. (2014). Katastrophenmanagement in Deutschland Eine Governance-Analyse. Berlin: Lit.

Mit dem Prüfkriterium der Spezifität wird ein Maß für die Einzigartigkeit des mit einer Aufgabenerfüllung verbundenen Mitteleinsatzes eingeführt. Dies setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die den Einsatz spezialisierter Technologien oder Anlagen, spezifische Ausstattungen, Qualifikationen, Verfahrensregeln und Kompetenzen betreffen und als Auslagerungshürden gelten.

Aufgabe der zentralen Leitstellen zum Katastrophenschutz ist es, Hilfeersuchen entgegenzunehmen, Sofortmaßnahmen zu veranlassen, zu führen und zu koordinieren. Leitstellen bilden daher ein wesentliches Element des Katastrophenmanagements (vgl. u. a. Pfohl. 2014, S. 65ff.).  Zur Ausübung der Leitstellenfunktionen sind seitens des eingesetzten Personals umfangreiche, spezifische Kenntnisse des Verantwortungsbereiches nötig. Nur über eine hochspezifische und fortlaufende Qualifizierung, z. B. über Leitstellenlehrgänge und realistische Übungen, kann sichergestellt werden, dass alle Aufgaben der Leitstelle effizient und sicher erfüllt werden können. Daneben ist eine spezifische technische Infrastruktur unabdingbar, deren Bedienung sehr komplex sein kann und eine entsprechend spezifische Qualifikation voraussetzt. Eine Auslagerung dieser strategisch hochrelevanten Aufgabe an private Sicherheitsdienstleister ist in Anbetracht dieser spezifischen Voraussetzungen vermutlich wenig funktional. Allenfalls erscheinen spezifische Einzelaspekte von Unterstützungsleistungen, beispielsweise durch den Einsatz von Drohnen oder anderen mobilen Sensor-Plattformen, in dieser Betrachtung zielführend.

Quelle:

Pfohl, T. N. (2014). Katastrophenmanagement in Deutschland. Eine Governance-Analyse. Berlin: Lit. 

Mit dem Prüfkriterium der Legitimität wird der politikwissenschaftlichen Einsicht Rechnung getragen, dass staatliches Handeln und Entscheiden nicht allein an den Maßstäben von Effektivität und Effizienz bemessen werden sollte, sondern auch an der faktischen Akzeptanz, die es durch die verschiedenen Anspruchsgruppen erfährt.

Eine Katastrophe entwickelt sich unter sehr großer öffentlicher Wahrnehmung. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Folgeschäden, die verschiedene Katastrophenfälle verursachen können, ist damit ein grundsätzlich großes öffentliches und mediales Interesse am Katastrophenschutz zu erwarten. Dieses artikuliert sich jedoch nicht allgemein, sondern lediglich anlassbezogen und nur auf einzelne spezifische Katastrophenfälle bzw. -szenarien bezugnehmend. Auch deshalb hat sich zur spezifischen Frage der staatlichen und/oder privaten Verantwortung bzw. Aufgabenteilung beim Thema Katastrophenschutz bis dato keine gesellschaftliche Debatte entwickelt, die an dieser Stelle aufgearbeitet werden könnte und aus der sich etwaige Akzeptanzvorbehalte ableiten ließen.

Beim Katastrophenschutz bzw. dem Vorhalten und dem Betrieb von Leitstellen handelt es sich um eine Schutzleistung von sehr hoher strategischer Relevanz und zugleich hoher Spezifität. In Anbetracht dessen sollte die Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung in staatlicher Hand verbleiben. Eine Auslagerung dieser strategisch hochrelevanten Aufgabe an private Sicherheitsdienstleister ist auch in Anbetracht der spezifischen Voraussetzungen als nicht zielführend anzusehen.