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Grundsätzlich obliegt die Entscheidung darüber, in welcher staatlichen oder privaten Organisationsform Schutzleistungen erbracht werden sollen, dem politisch-demokratischen Prozess, wobei (verfassungs-)rechtliche Vorgaben den grundlegenden Rahmen setzen. Die Politik- und Verwaltungswissenschaft kann diesbezüglich keine aktiv-gestaltende Rolle einnehmen, sie kann jedoch als Reflexionsinstanz zur Klärung möglicher Entscheidungskriterien beitragen. Dazu wird ein Entscheidungsrahmen eingeführt, der sowohl effektivitäts-, effizienz-, als auch legitimitätsbezogene Zielgrößen berücksichtigt. In diesem Rahmen wird auf drei Einzelkriterien Bezug genommen: (1) Strategische Relevanz, (2) Spezifität, (3) Legitimität.

Das Kriterium der strategischen Relevanz berücksichtigt die Bedeutung einer Aufgabe für die Erreichung politisch gesetzter Ziele. Insbesondere bei strategisch relevanten Aufgaben muss garantiert sein, dass deren Erbringung gewährleistet und durch den Staat kontrollierbar ist. Damit steht die Steuer- und Regulierbarkeit der Schutzleistung auf dem Prüfstand.

Anders als etwa in den Vereinigten Staaten existiert in Deutschland an keiner Hochschule eine öffentliche oder auch private Campuspolizei, welche Aufgaben der direkten Gefahrenabwehr übernimmt, die über den Tätigkeitsbereich des Objektschutzes bzw. die Wahrnehmung des Hausrechts hinausreichen. Auch wurde von den relevanten Anspruchsgruppen bisher kein deutliches Interesse an einer Einrichtung von Campuspolizeien artikuliert. Deren Notwendigkeit ergibt sich in den Vereinigten Staaten aus der vergleichsweise hohen Zahl an sogenannten „Campus shootings“ sowie daraus, dass das Hochschulgelände sehr viel stärker Lebensmittelpunkt und Wohnort der Studierenden darstellt. Hierzulande hingegen werden Campuspolizeien gegenwärtig für nicht erforderlich gehalten. Damit handelt es sich zugleich um eine Schutzleistung von aktuell geringer politischer Salienz und Bedeutung. Weder scheint diese Schutzleistung für die Aufrechterhaltung öffentlicher Sicherheit unverzichtbar zu sein, noch liegt deren Funktion in der Abwehr von Staatsgefährdungen.

Die vergleichsweise geringe strategische Relevanz der Aufgabe bedeutet gleichwohl nicht, dass eine Überlassung dieser Aufgabe an private Sicherheitsdienste damit ohne Weiteres möglich wäre. Schließlich sind für die Durchführung dieser Schutzleistung vergleichsweise spezifische Kompetenzen bzw. hoheitliche Befugnisse vonnöten, die privaten Sicherheitskräften nicht unmittelbar zustehen.

Mit dem Prüfkriterium der Spezifität wird ein Maß für die Einzigartigkeit des mit einer Aufgabenerfüllung verbundenen Mitteleinsatzes eingeführt. Dies setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die den Einsatz spezialisierter Technologien oder Anlagen, spezifische Ausstattungen, Qualifikationen, Verfahrensregeln und Kompetenzen betreffen und als Auslagerungshürden gelten.

Die überaus vielfältigen Teilaufgaben, die von Campuspolizeien übernommen werden, verlangen dem eingesetzten Personal sehr verschiedene Qualifikationen und Kompetenzen ab. Zentral ist, dass gerade für diejenigen Aufgaben, die für Campuspolizeien charakteristisch sind, vielfach hoheitliche Befugnisse erforderlich sind, die öffentlich-rechtlichen Organen vorbehalten sind. Dies gilt sowohl für die anlasslose Personenkontrolle, für die Aufnahme von Anzeigen oder die Ausübung unmittelbaren Zwangs. Sollte diese Schutzleistung Privaten überlassen werden, müssten diese Rechte im Rahmen einer Beleihung übertragen werden. Dies zieht jedoch wiederum spezifische behördliche Aufsichts- und Kontrollpflichten und damit Kosten nach sich. Gegebenenfalls wäre jedoch auch eine Kooperation von Polizeibehörden und Sicherheitsdienstleistern denkbar, in deren Rahmen private Sicherheitskräfte als nicht selbstständige Verwaltungshelfer im Auftrag und auf Weisung der Polizei handeln.

Mit dem Prüfkriterium der Legitimität wird der politikwissenschaftlichen Einsicht Rechnung getragen, dass staatliches Handeln und Entscheiden nicht allein an den Maßstäben von Effektivität und Effizienz bemessen werden sollte, sondern auch an der faktischen Akzeptanz, die es durch die verschiedenen Anspruchsgruppen erfährt.

Insofern in Deutschland bis dato keine Campuspolizei existiert, können die Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen an die Durchführung und Organisation dieser Schutzleistung nur hypothetisch prognostiziert werden. Bisher hat sich weder eine gesellschaftliche Diskussion über diese Schutzleistung entwickelt, noch wurde von den relevanten Stakeholdern ein deutliches Interesse an bzw. eine Forderung zur Einrichtung von Campuspolizeien artikuliert. Daraus lässt sich zum einen ableiten, dass die Einführung eines polizeiähnlichen Schutzes von Hochschulen und gegebenenfalls Schulen, der über die bisher übliche Wahrnehmung von Objektschutzaufgaben hinausgeht als solches mindestens legitimationsbedürftig wäre. Während Campuspolizeien etwa in den Vereinigten Staaten auf eine lange Tradition zurückblicken können und angesichts der hohen Zahl an „Campus shootings“ sehr viel stärker ihre Notwendigkeit unter Beweis gestellt haben, werden diese hierzulande gegenwärtig für nicht erforderlich gehalten. Es bleibt abzuwarten, ob sich dies im Zuge steigender gesellschaftlicher Sicherheitsbedürfnisse ändert. Angesichts der Diskussionen an vielen Hochschulen um den Einsatz privaten Sicherheitspersonals ist jedoch vorherzusehen, dass die Legitimität einer Beauftragung von privaten Sicherheitskräften als bewaffnete Campuspolizeien insbesondere von studentischer/akademischer Seite erst recht angezweifelt werden dürfte (vgl. u.a. Schönherr, 20. April 2018).

 

Quelle:

Schönherr, H.-P. (20. April 2018). Wahllos und ruppig: Sicherheitsdienst sorgt für Ärger. Abgerufen am 06.06.2019 von https://taz.de/Wahllos-und-ruppig/!5497136/.

Bei der Campuspolizei handelt es sich um eine Schutzleistung von eher niedriger strategischer Relevanz, jedoch vergleichsweise hoher Spezifität. Dies erklärt auch, weshalb in Deutschland derzeit keine Campuspolizeien existieren. Die Einführung eines polizeiähnlichen Schutzes von Hochschulen, der über die Wahrnehmung von bereits üblichen Objektschutzaufgaben hinausgeht, wird aktuell weder von politischer Seite noch in der öffentlichen Debatte für notwendig gehalten. Ein etwaiger Einsatz privater Dienstleister in diesem Schutzleistungsbereich wäre damit zum einen stark legitimationsbedürftig, zum anderen aufgrund der hohen Spezifität der hierfür charakteristischen Aufgaben nahezu ausgeschlossen.