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Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“.

Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für eine Aufgabe erörtert, die im Zusammenhang mit zunehmendem Migrationsdruck seit Ende 2014 erheblich an Bedeutung gewonnen hat: Dem Schutz von Unterkünften von Flüchtlingen bzw. Geflüchteten.

Sollten aus ordnungspolitischer Sicht bei der Absicherung von Unterkünften für Zuwanderer (Asylsuchende, Geflüchtete, Armutsmigranten und andere; im Folgenden sprechen wir vereinfachend von Unterkünften) gegen Bedrohung von außen sowie bei der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Ordnung innerhalb private Unternehmen Aufgaben wahrnehmen? Falls ja, was wäre zu beachten? De facto sind private Unternehmen, wie allgemein bekannt ist, hier bereits seit Jahren in erheblichem Umfang tätig.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung  um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung des Objektschutz- und Ordnungsdienstes in einer Unterkunft die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung?

Innerhalb der einzelnen Unterkünfte ist dies sicherlich nicht der Fall, über mehrere Unterkünfte hinweg betrachtet allerdings sehr wohl. Die Antwort auf diese Frage hängt somit von der der Knappheit eingesetzter Kräfte ab. Da mit dem Schutz von Flüchtlingsunterkünften betraute Kräfte nicht gleichzeitig an anderen Orten dieser (oder einer anderen) Aufgabe nachgehen können, kann bei einer größeren Anzahl von Unterkünften bei gegebener Anzahl an verwendbarem Personal Rivalität vorliegen. Gibt es kein hohes Aufkommen, oder ohnehin Personal in ausreichender Anzahl, so liegt keine Rivalität vor. Je nach Fall können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen.

Ist die Zahl der zu betreuenden Unterkünfte bei gegebenem Personalkörper dagegen sehr hoch, scheiden öffentliches Gut und Klubkollektivgut aus, es bleiben zur Auswahl privates Gut und Allmende-Gut.

Hält sich das Migrationsaufkommen und damit die Zahl der zu betreuenden Unterkünfte dagegen im Rahmen, bleiben öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.

Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? Direkte Nutznießer dürften die Bewohner der Unterkünfte sein, da sie vor Bedrohung von außen (bspw. Angriffe durch Außenstehende, Brandstiftungsversuche u. Ä.) und außerdem vor Kriminalität innerhalb der Unterkunft (gewaltsamen Übergriffen, sexuellem Missbrauch, Diebstählen, Erpressung usw.) geschützt werden. Ausgeschlossen werden können von der Schutzleistung – wenn eine einheitliche Behandlung der Bewohner innerhalb einzelner Unterkünfte unterstellt wird – nur Nicht-Bewohner. Im Gegensatz etwa zu einem Tennisverein aber liegt die Entscheidung über die Aufnahme eines weiteren Bewohners nicht bei den bereits dort wohnenden Menschen (bzw. beim Tennisverein bei den Vereinsmitgliedern oder dem von ihnen bestimmten Entscheidungsgremium), und hängt auch nicht von der Zahlungsbereitschaft der Neuankömmlinge ab. Gibt es eine ausreichende Anzahl an Unterkünften, liegt keine Exkludierbarkeit vor.

Gehen wir von einer für die Gesamtzahl der potenziellen Bewohner ausreichenden Anzahl an Unterkünften aus. Folgerichtig haben wir es bei einer geregelteren Lage, in der bei gegebenem Personalkörper eine überschaubare Anzahl von Unterkünften betreut werden kann, beim Schutz von Flüchtlingsunterkünften mit einem öffentlichen Gut zu tun. Ist die Lage bezüglich personeller Ressourcen aufgrund der hohen Anzahl von Unterkünften angespannter, handelt es sich im ökonomischen Sinne um ein Allmendegut (auch genannt: Quasikollektivgut).

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

Sowohl bei Quasikollektivgütern als auch bei öffentlichen Gütern ist die Bereitstellungsverantwortung beim Staat anzusiedeln, da eine privat organisierbare Marktfähigkeit nicht vorhanden ist. Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (Vgl. Grossekettler 1998, S. 8f.).  

Bei der Finanzierung hängt es wieder vom Gutscharakter – also hier von Fallaufkommen bzw. der Ressourcenfrage – ab: Sind die Lage angespannt und die staatlichen Ressourcen besonders knapp, liegt also ein Quasikollektivgut vor, ist die nach Ansicht von Ökonomen empfehlenswerte Finanzierung hier[1] die Erhebung eines sogenannten regionalen oder gruppenweisen  Zwangsbeitrags (vgl. Grossekettler 1998, S. 9). Ist die Schutzleistung als öffentliches Gut zu betrachten, sollte sie über Steuern finanziert werden.

 

[1] Anm.: Hier heißt: Bei einem Zwangsverein (i.G.z. einem privaten Verein) als empfohlenem Bereitstellungsverband.

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Wie sieht es nun mit der Herstellung aus – sollte der Staat das selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Personals des Sicherheitsdienstes. Für einfachere Tätigkeiten wie Zugangskontrolle, deeskalierende und vermittelnde Gespräche und ähnliches wird ein einfaches bis mittleres Ausbildungs- und Qualifikationsniveau angemessen und ausreichend sein. Diese Aufgaben können vermutlich private und tendenziell günstigere Sicherheitskräfte mit bestätigter Zuverlässigkeit gut erfüllen. Bei gravierenderen Zwischenfällen wie etwa einem aufgebrachten und bedrohlich auftretenden Mob vor der Unterkunft, oder einem umfassenden Aufruhr innerhalb, werden ein relativ hoher Ausbildungs- und Qualifikationsstand des zu betrauenden Personals sowie besondere Einsatzmittel Voraussetzung für eine erfolgreiche Beherrschung der Situation sein. Hier sollten staatliche Kräfte die Aufgaben übernehmen. Da solche Lagen sich schnell und unerwartet entwickeln können, ist räumliche Nähe solcher Kräfte unabdingbar. Das Erfordernis der Entlastung öffentlicher Kassen durch Kostenersparnis in Kombination mit krisenhafter Reaktionsfähigkeit prädestiniert die Schutzleistung für Kooperationsmodelle.

Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen. Es fallen für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn unterstützende oder direkte Aufgaben im Rahmen der Schutzleistung an Unternehmen vergeben werden. (Umgekehrt gilt dies ebenfalls in gewissem Umfang für beauftragte Unternehmen.[1]) Mutmaßlich sind die Transaktionskosten im Falle der Vergabe von Aufgaben im Bereich des Schutzes von Flüchtlingsunterkünften nicht unerheblich, da aufgrund der Natur der Tätigkeit und der politischen Sensibilität auch für unterstützende Tätigkeiten die Posten Beaufsichtigung und Kontrolle nicht unterschätzt werden dürfen.

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, S. 11). Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Beim Schutz der Unterkünfte für Flüchtlinge spielt die Wahrung des Neutralitätsgebotes (der Polizei) eine wichtige Rolle.

Dies könnte für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.

Auch eine gewisse Gefahr einer Unterwanderung ggf. zu beauftragender privater Unternehmen durch organisierte Kriminalität – beispielsweise in den Bereichen Schleuserkriminalität oder Betäubungsmittelhandel – ist nicht von der Hand zu weisen. Dem kann mit einem funktionsfähigen und aktuell zu haltenden Bewacher-Register zumindest teilweise begegnet werden, indem im Zusammenwirken mit Kontrollen vor Ort durchführenden Stellen – bspw. dem Zoll – sichergestellt wird, dass ausschließlich durch Polizei und ggf. Verfassungsschutz geprüfte Mitarbeiter beschäftigt werden. Es steht zu vermuten, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in gewisser Höhe in Kauf nehmen würde, um zumindest eine direkte Fachaufsicht und mindestens stichprobenartige Kontrolle der Arbeit privater Dienstleister durch behördliches Personal gewährleisten zu können.

Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem infrage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel Auswirkungen auf Anwohner in räumlicher Nähe von Flüchtlingsunterkünften, die bei mangelhafter Durchsetzung der Hausordnungen innerhalb der Unterkünfte regelmäßig in ihrer Nachtruhe gestört werden könnten) oder asymmetrische Informationen sowie Wettbewerbsbeschränkungen. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Unterkunfts-Schutz hier in erster Linie principal agent– und möglicherweise adverse selection–Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen könnten. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Redlichkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit gibt. Wettbewerbsbeschränkungen sind schwerer denkbar, da es sich vermutlich um eine Vielzahl lokaler Märkte handeln wird und sich daher – ähnlich wie etwa bei Speditionen, Handwerkern oder Bäckern – eine große Zahl von Anbietern halten können wird. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, S. 210.) könnten eine Rolle spielen. 

 

[1] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.

Quellen:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind zwingend Aufgaben des Staates. Die Frage der Herstellung ist ohne weitere Informationen nicht so eindeutig zu beantworten, mindestens die Herstellung einfacherer Aufgaben aber (etwa der Zugangskontrolle) ist aus unserer Sicht gut an private Dienstleister zu vergeben, insofern eine behördliche Fachaufsicht und effektive Kontrolle gewährleistet werden kann.

Ob hier Staat oder Markt effizientere Hersteller sind, hängt von der Summe und Gewichtung der Transformations- (Tendenz: Pro Staat für anspruchsvollere Aufgaben und krisenhafte Reaktionen, deutlich pro Private für einfachere Tätigkeiten), Transaktions- (Tendenz: Pro Staat) und Verfahrenspräferenzkosten (Tendenz: Moderat ausgeprägt pro Staat) ab. Weiterhin kommt es bei den unterstützenden Tätigkeiten viel auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen also die Rahmenumstände ebenso wie der politische Willensbildungsprozess besondere Rollen.

An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine sensible Schutzleistung handelt, da ein anständiger und respektvoller Umgang mit Bewohnern der Unterkünfte auch unter herausfordernden Bedingungen (hohe Belegungszahlen, räumliche Enge, emotional schwierige Situationen der Bewohner während laufender Aufenthaltsverfahren, Langeweile, demografische Zusammensetzung der Bewohnerschaft usw.) gewährleistet können werden muss. Ökonomischen Argumenten kommt im Vergleich zu anderen Aspekten möglicherweise ein geringeres Gewicht zu.