Volkswirtschaftlich – Erklärung

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich: Wer soll in welcher Form die Kosten tragen? Als verantwortliche Parteien kommen hier der Staat auf seinen verschiedenen Ebenen, private Akteure (Unternehmen und Privatpersonen) und bisweilen auch Kooperations-Organisationen in Frage.

Ordnungspolitische Empfehlungen zu Bereitstellung und Finanzierung sprechen Ökonomen oft auf Basis einer Klassifikation in wirtschaftliche Güter aus. Betrachtet man dabei ein vereinfachtes Klassifikationsmodell, in dem die Klassifikationsvariablen keine graduellen Zwischenwerte annehmen können, sondern jeweils nur einen positiven oder negativen Wert annehmen können („ja“ und „nein“, „vorhanden“ oder „nicht vorhanden“, „möglich“ oder „unmöglich“ usw.), bietet sich hier folgender Ansatz an: Anhand der beiden Merkmale Rivalität und Exkludierbarkeit wird die betrachtete Schutzleistung einer der vier Güterklassen zugeordnet (vgl. Abb. 1). Handelt es sich also bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut)?

Abbildung 1: Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Abb.1.

Auf Basis einer Analyse der Eigenschaften Rivalität in der Nutzung sowie der Exkludierbarkeit von der Nutzung ordnen wir also die jeweils betrachtete Schutzleistung einer von vier Güter-Kategorien zu. Hierbei kann es sich entweder um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handeln. Aus dieser Information werden dann die aus ordnungspolitischer Sicht idealen Bedingungen der Bereitstellung und Finanzierung hergeleitet.

Die Bedingungen der Herstellung wiederum werden auf Basis einer Analyse verschiedener Kostenarten abgeleitet. Hierbei wird eine Minimierung der Gesamtkosten als Entscheidungshilfe herangezogen. Die Kostenarten umfassen Transformations-, Verfahrenspräferenz- und   Transaktions- Kosten. Innerhalb letzterer wird, falls die Umstände es erfordern, auch die Faktor-Spezifität (z. B. Standort-, physikalische-, Human-, und zweckbestimmte) betrachtet.

Falls Bereitstellung, Finanzierung oder Herstellung aus ordnungspolitischen Gründen für eine Marktlösung sprechen, werden zusätzlich mögliche Gründe für eine nicht vorhandene Marktfähigkeit untersucht. Marktversagen kann verschiedene Ursachen haben: Externe Effekte (für andere potenzielle Opfer von Straftaten können das positive oder negative sein, für Täter in der Regel negative), Rationalitätsdefizite, asymmetrische Informationen, Wettbewerbsbeschränkungen, natürliche Monopole usw.

Auf Basis der vorangegangenen leiten wir ein Fazit mit begründeten Empfehlungen bezüglich der aus unserer Sicht ordnungspolitisch vorzugswürdigen Antworten auf die drei eingangs genannten „Wer“-Fragen ab.

Quellen:

Bretschneider, W., Freytag, A., Rieckmann, J.R., & Stuchtey, T. H. (2018). Sicherheitsverantwortung zwischen Staat und Markt – eine ordnungsökonomische Analyse. BIGS-Studie, Potsdam.

Grossekettler, H. (1998). Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht. Volkswirtschaftliche Dis-kussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Volkswirtschaftlich – Betrieb von Justizvollzugsanstalten

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“.

Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form den Betrieb von Haftanstalten – genauer, Justizvollzugsanstalten[1] – erörtert: Gibt es aus ordnungspolitischer Sicht hier überhaupt eine denkbare Rolle privater Unternehmen? Falls ja, was wäre zu beachten?

 

[1] Anm: Wir betrachten hier also nicht die beispielsweise innerhalb von Psychiatrien vorgenommenen Zwangsmaßnahmen, die spätestens seit der Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die Fixierung psychisch Kranker Anfang 2018 wieder in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt sind (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2018). Das Thema benötigt unseres Erachtens jedoch eine gesonderte Betrachtung. Selbiges gilt für den Bereich Abschiebehaft, in dem in der Praxis teilweisende abweichende Kooperationsmodelle zu finden sind (vgl. bspw. Bongnartz 2018, S. 41). Ebenfalls hier nicht betrachtet werden Untersuchungshaft, Formen des präventiven Polizeigewahrsams wie bspw. die „Ausnüchterungszelle“ usw. sowie Gefangenentransporte.

Quelle:
Bongnartz, T. (2018), Abschiebungshaft JVA Büren: Berichte und Fotos rund um die Abschiebungshaft.

Bei der Schutzleistung geht es um Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Straf- und Haftvollzug, die von betrieblichen Tätigkeiten (wie Hausverwaltung, Nahrungsversorgung, fach- und sozialtherapeutischen Diensten, Betrieb von Wäschereien, Arbeits- und Werkstätten) über Zugangs- und Besucherkontrolle, Objektschutz sowie bestimmte Teilbereiche der Überwachung bis – zumindest in einigen angelsächsisch geprägten Ländern – hin zu Bewachung und Zwangsmaßnahmen gegenüber den Gefangenen reichen können.

In Deutschland gibt es unseres Wissens aktuell keine Tätigkeiten privater Dienstleister in Bereichen, die hoheitliche Eingriffsbefugnisse voraussetzen. Dies betrifft insbesondere die Organisationshoheit sowie Kernfunktionen des Vollzugs (vgl. Bundestag 2007), also die „Schließer-Aufgaben“ und Reaktion auf Alarmierungen. Wir betrachten im Folgenden lediglich die nach derzeitiger rechtlicher Situation an private Dienstleister übertragbaren Tätigkeiten, also explizit nicht Eingriffsmaßnahmen gegenüber Gefangenen.

Nutznießer der Schutzleistung sind in erster Linie die Justizverwaltungen der Bundesländer. Im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten gibt es in Deutschland keine Haftanstalten im Justizvollzug, die von Gebietskörperschaften auf kommunaler oder Bundesebene betrieben werden. Im indirekten und weitesten Sinne kann auch die Gesellschaft als Ganzes als Nutznießende verstanden werden, da sie von einem effektiven (Generalprävention) und effizienten (fiskalische Vorteile) Justizvollzugsdienst profitiert.

Quellen:
Bundestag (2007). Privatisierung im Strafvollzug. Ausarbeitung WD 7 – 076/07. https://www.bundestag.de/resource/blob/407046/27f9d04e8dc54423e2696a2cc058251f/wd-7-076-07-pdf-data.pdf, letzter Abruf 21.08.2019.

Frankfurter Allgemeine Zeitung (31.01.2018). Grade der Unfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über die Fixierung von psychisch Kranken.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung von Tätigkeiten innerhalb einer Haftanstalt die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung?  Die Antwort auf diese Frage hängt von der der Knappheit eingesetzter Kräfte ab. Aktuell fallen hier keine besonderen Engpässe auf, wie beispielsweise an der teilprivatisierten Justizvollzugsanstalt Hünefeld beobachtet werden kann. Nach Aussage der Anstaltsleitung ist es im Gegenteil so, dass sich bestimmte Fachkräfte wie beispielsweise im psychologischen Dienst flexibler am privaten Arbeitsmarkt einstellen lassen. Andere Funktionen wie der Betrieb von Küchen, Werkstätten, die Videoüberwachung usw. stellen vergleichsweise keine hohen Anforderungen an die Qualifikation der Mitarbeiter, sodass auch hier keine Engpässe beobachtet werden. Andere potenzielle Nutzer – also andere Bundesländer (da wir die Nutznießer auf Landesebene betrachten, gehen wir nicht von Rivalität der Haftanstalten eines Landes untereinander aus) – rivalisieren mithin nicht um knappe Arbeitskräfte. Wenn also keine Verwendungsrivalität vorliegt, können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Es bleiben öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.

Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? Dies ist bei Betrachtung der Justizverwaltungen der Länder als Nutznießende möglich, bei Betrachtung der Gesellschaft als Ganzes nicht. In ersterem Fall liegt Exkludierbarkeit vor, da die Angestellten und Bediensteten oft nur einer Haftanstalt, und in aller Regel nur einem Bundesland, zur Verfügung stehen. Andere Länder können mithin nicht auf das Personal zugreifen. Je nach Sichtweise verengt sich die Auswahl im Güterschema also entweder auf das Klubkollektivgut (Justizverwaltungen der Länder als Nutznießende), oder aber auf das öffentliche Gut (Gesamtgesellschaft als Nutznießende).

Es handelt sich ordnungspolitisch bei der Schutzleistung „Betrieb von Haftanstalten“ je nach gewählter Sichtweise entweder um ein Klubkollektivgut oder um ein öffentliches Gut.

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

In Deutschland verantwortet der Staat in Form der Bundesländer aus hoheitlichen Gründen die Bereitstellung der Schutzleistung (nicht notwendigerweise der Gebäude der Haftanstalten, hier sind auch sogenannte Betreibermodelle denkbar), auch wenn diese nach dem Güterschema als Klubkollektivgut einzustufen sein sollte. Wie im Fall des öffentlichen Gutes[1] ist eine privat organisierbare Marktfähigkeit nicht vorhanden.

Die Finanzierung sollte im Falle eines Klubkollektivgutes über Beiträge erfolgen, die in der Praxis von den Bürgern des Bundeslandes über Steuern (auf Bundes- oder Landesebene) zu entrichten sind. Ist die Schutzleistung als öffentliches Gut zu betrachten, soll sie ohnehin über Steuern finanziert werden.

[1] Anm.: Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, 8f.).

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Wie sieht es nun mit der Herstellung aus – sollte der Staat das selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Personals, sowie ggf. Nebenkosten des Betriebes (etwa der in der Küche einer Haftanstalt verarbeiteten Nahrungsmittel). Gehen wir davon aus, dass letztere sich beim Betrieb durch private Dienstleister nicht von denen beim direkten Betrieb durch Bedienstete der öffentlichen Hand unterscheiden – im zwecks Anschaulichkeit gewählten Beispiel, dass Nahrungsmittel gleicher Qualität, Menge und Beschaffungspreise verwendet werden – , geht es also einzig um Personalkosten.

Für Tätigkeiten im medizinischen, psychologischen und sozialtherapeutischen Dienst ist ein relativ hoher Ausbildungs- und Qualifikationsstand des mit der Aufgabe zu betrauenden Personals Voraussetzung. Mithin werden hier keine günstigeren (privaten) Sicherheitskräfte mit Qualifikationsniveau für einfache Aufgaben ausreichen können. Transformationskosten fallen aufgrund dieses Aspektes also vermutlich in nicht geringerer Höhe als bei Verwendung staatlichen Personals an, weshalb eine Vergabe an Unternehmen zunächst eher keine Kostenersparnis bedeuten würde. Allerdings kann eine Vergabe ein durch vermehrte Flexibilität einen bzgl. Vollzeitäquivalenten schlankeren Personalkörper bedeuten, da anderenfalls für zeitweise Nichtverfügbarkeit von Mitarbeitern (bspw. in Elternzeit) zusätzliche Planstellen der öffentlichen Hand vorgehalten werden müssten. Insgesamt ist der Effekt einer Vergabe auf die Transformationskosten also wahrscheinlich doch etwas dämpfend.

Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen. Es fallen für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn unterstützende oder direkte Aufgaben im Rahmen der Schutzleistung an Unternehmen vergeben werden. (Umgekehrt gilt das ebenfalls in gewissem Umfang für beauftragte Unternehmen.[1]) Mutmaßlich sind die Transaktionskosten im Falle der Vergabe von Aufgaben in Justizvollzugsanstalten nicht unerheblich, da aufgrund der Natur der Tätigkeit und der politischen Sensibilität auch für unterstützende Tätigkeiten die Posten Beaufsichtigung und Kontrolle nicht unterschätzt werden dürfen.

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Beamte (des Justizvollzugs) handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert[2] und möglichst kostensparend.

Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwändigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Im Justizvollzug spielt die Wahrung des Neutralitätsgebotes eine möglicherweise entscheidende Rolle, auch in Bezug auf die korrekte Behandlung der Gefangenen.[3]

Dies könnte für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.

Auch eine gewisse Gefahr einer Unterwanderung ggf. zu beauftragender privater Unternehmen durch organisierte Kriminalität – konkret bezogen vor allem auf Korruption sowie Schmuggel von Waren (Waffen, Telefone, Betäubungsmittel[4]) und Informationen – ist nicht von der Hand zu weisen. Es steht zu vermuten, dass ein Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in nicht unerheblicher Höhe in Kauf nehmen würde, um eine Vergabe der Durchführung von Aufgaben mit direktem Kontakt zu den Gefangenen oder der Absicherung nach außen inkl. der Besucherkontrolle in Justizvollzugsanstalten an Unternehmen zu vermeiden. Weniger ausgeprägt ist diese Haltung mutmaßlich in Bezug auf rein unterstützende bzw. betriebliche Tätigkeiten, etwa beim Betrieb der Küche, der Wäscherei etc.

Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem asymmetrische Informationen sowie ggf. Wettbewerbsbeschränkungen infrage. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Justizvollzug hier in erster Linie principal agent und möglicherweise adverse selection – Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt. Wettbewerbsbeschränkungen sind grundsätzlich denkbar (in den Vereinigten Staaten beispielsweise ist in diesem Sektor eine ausgeprägte Oligopolbildung zu beobachten[5]), aber aufgrund der bislang nur punktuellen Beteiligung privater Unternehmen in Deutschland a priori schwer zu beurteilen. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen[6]) könnten eine Rolle spielen. 

[1] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.

[2] Vgl. Grossekettler 1998, S.11

[3] Anm.: In den Vereinigten Staaten sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Probleme aus der Praxis privat betriebener Justizvollzugsveranstaltungen bekannt geworden, die zu einer ausgeprägten Polarisierung bezüglich der Haltung der Wählerschaft zur Rolle Privater in Justizvollzugsanstalten geführt haben. Vgl. hierzu unter anderem Aman & Greenhouse (2014), Cummings & Lamparello (2016), Fulcher (2012), Khey (2015), Kruis (2000) Sekhonyane (2003), und Siegel (2016).

[4] Vgl. Der Spiegel, 2017.

[5] Vgl. Rieckmann 2017.

[6] Vgl. Paefgen 2009, S. 210.

Quellen:

Aman Jr, A. C., & Greenhouse, C. J. (2014). Prison privatization and inmate labor in the global economy: Reframing the debate over private prisons. Fordham Urb. LJ42, 355

Cummings, A. D. P., & Lamparello, A. (2016). Private prisons and the new marketplace for crime. Wake Forest JL & Policy6, 407.

Der Spiegel (2017). „handys sind jetzt in der küche. geil.“ Schmuggelskandal in JVA. Ausgabe 14/2017, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/justizvollzugsanstalt-bremervoerde-mitarbeiter-schmuggelten-handys-und-drogen-in-den-knast-a-1141416.html, zuletzt abgerufen 25.11.2019.

Fulcher, P. A. (2011). Hustle and flow: Prison privatization fueling the prison industrial complex. Washburn LJ, 51, 589.

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Khey, D. N. (2015). Privatization of prison. The Encyclopedia of Crime and Punishment, 1-8.

Kruis, K. (2000). Haftvollzug als Staatsaufgabe. Zeitschrift für Rechtspolitik, 1-5.

Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.

Rieckmann, J. (05.06. 2017). Privatization of Security Services: Comparing Approaches to Policing and Prisons across the Atlantic. https://www.aicgs.org/publication/privatization-of-security-services/ Zuletzt abgerufen 25.07.2019.

Sekhonyane, M. (2003). Public-private partnerships (PPP) in South African prisons: the pros and the cons. SA Crime Quarterly2003(3), 33-36.

Siegel, D. M. (2016). Internalizing Private Prison Externalities: Let’s Start With The GED. Notre Dame JL Ethics & Pub. Policy30, 101.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind zwingend Aufgaben des Staates. Die Frage der Herstellung ist ohne weitere Informationen nicht so eindeutig zu beantworten, mindestens die Herstellung der Kernaufgaben aber (Eingriffsmaßnahmen) ist aus unserer Sicht aufgrund von Verfahrenspräferenzkosten (neben anderen, nicht volkswirtschaftlichen Aspekten) ebenfalls zwingend staatliche Aufgabe. Für weisungs- oder mindestens detailliert vertragsgebundene unterstützende Tätigkeiten sehen wir Raum für die Tätigkeit vertrauenswürdiger privater Unternehmen.

Ob hier Staat oder Markt effizientere Hersteller sind, hängt von der Summe und Gewichtung der Transformations- (Tendenz: Pro Private für unterstützende Tätigkeiten), Transaktions- (Tendenz: Pro Staat) und Verfahrenspräferenzkosten (Tendenz: Pro Staat, abgesehen von Unterstützungsaufgaben) ab. Weiterhin kommt bei den unterstützenden Tätigkeiten viel auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen also die Rahmenumstände ebenso wie der politische Willensbildungsprozess besondere Rollen.

An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine besonders sensible Schutzleistung in einem Kernbereich staatlichen Handelns dreht. Zweifel an der relativen Bedeutung ökonomischer Argumente im Vergleich zu anderen Aspekten sind nicht von der Hand zu weisen.

 

Volkswirtschaftlich – Campuspolizei

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“. Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für die Schutzleistung „Campuspolizei“ erörtert.

Hierunter wird hier die Durchführung von über Beobachten, Erkennen und Melden hinausgehende Schutzaufgaben auf Liegenschaften von Bildungseinrichtungen[1] wie Universitäten oder Schulen durch nicht staatliche Organisationen verstanden. Neben der Durchsetzung der Hausordnung und des Hausrechts schließt dies insbesondere die direkte Gefahrenabwehr ein. In den Vereinigten Staaten werden durch einige Campuspolizeien in Kooperation mit regulären Polizeibehörden auch Ermittlungstätigkeiten im Nachgang einfacherer Straftaten wie etwa bei Einbruchsdiebstahl durchgeführt. Hinzu treten oft Randaufgaben wie beispielsweise das Fungieren als Ansprechpartner, Vertrauenspersonen und Informationsstelle für Schüler, Studierende oder Besucher. Neben der Bedienung eines besonderen Sicherheitsbedürfnisses der Schüler, Studierenden und ihrer Angehörigen versprechen sich Bildungseinrichtungen oft eine Reihe weiterer Nutzen: Zum einen geht es um die Verkürzung der Reaktionszeit im Falle sogenannter active shooter-Szenarios, also von Angriffen einzelner Täter oder kleiner Gruppen mit Schusswaffen[3], wie sie bislang vor allem und mittlerweile vielfach – aber nicht ausschließlich – in den Vereinigten Staaten vorgekommen sind. Zum anderen geht es um Begrenzung der Haftungsrisiken sowie um Markenschutz. Auch die  Verbesserung der Personallage und damit der Fähigkeit zur Bearbeitung vergleichsweise niedrigschwelliger Delikte und Störungen, die von leichteren Sexualdelikten über Betäubungsmittelangelegenheiten bis hin zu Ruhestörung reichen können, kann ein Beweggrund zur Einrichtung einer Campuspolizei sein.

Nutznießende dieser Schutzleistung sind in erster Linie die Bildungseinrichtungen als Institutionen, ihre Studenten bzw. Schüler sowie im weiteren Sinne deren Angehörige.

Wir betrachten nun die Frage, ob es aus ordnungspolitischer Sicht bei solchen polizeiartigen Schutztätigkeiten eine Rolle privater Unternehmen geben sollte, und was ggf. zu beachten wäre.

 

[1] Anm.: In den Vereinigten Staaten gibt es polizeiartige private Sicherheitsdienste auch an sog. think tanks wie z. B. der Brookings Institution, sowie an Beratungs- und Forschungsinstituten etc. Der Einfachheit halber werden diese Sonderfälle hier nicht gesondert erörtert. Es handelt sich um weitgehend vergleichbare Sicherheitsdienste, mit etwas unterschiedlich gewichteten Aufgabenfeldern (bspw. mehr Veranstaltungs-Absicherung, weniger Funktion als Ansprechpartner für Beratung und Information von Besuchern und Studierenden).

[2] Anm.: Vgl. Rieckmann (2017).

[3] Anm.: Auch in Deutschland hat es solche Angriffe bereits gegeben, so mit Schusswaffen wohl erstmals 1871 (am Ludwigsgymnasium in Saarbrücken) und 1913 (an der Sankt-Marien-Schule in Bremen-Walle). 1964 kam es zu einem Amoklauf mit einem Flammenwerfer an einer Volksschule Köln-Volkhoven. Seit dem Jahrtausendwechsel wurden schwerwiegende Angriffe häufiger. Besondere mediale Aufmerksamkeit erhielten dabei die Fälle Erfurt (2002, Gutenberg-Gymnasium), Emsdetten (2006, Geschwister-Scholl-Schule), Winnenden (2009, Albertville-Realschule) und Anspach (2009, Gymnasium Carolinum).

Quelle:

Rieckmann, J. (05.06. 2017). Privatization of Security Ser-vices: Comparing Approaches to Policing and Prisons across the Atlantic. https://www.aicgs.org/publication/privatization-of-security-services/ Zuletzt abgerufen 25.07.2019.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Tätigkeit einer Campuspolizei die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung? Dies ist wohl nicht der Fall, da die beschriebenen Aspekte der Tätigkeit einer Campuspolizei allen Personen (abgesehen von denen, gegen die die Campuspolizei Maßnahmen ergreift) auf dem Campus grundsätzlich gleichermaßen Nutzen stiften dürften. Rivalität spielt also keine Rolle.

Liegt also Verwendungsrivalität nicht vor, können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Privates Gut und Allmende-Gut scheiden aus, es bleiben öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.

Und besteht Exkludierbarkeit, können also potenzielle Nutznießer der Schutzleistung von der Mitnutzung ausgeschlossen werden? Hier kommt es auf die Art der Bildungseinrichtung an.

Handelt es sich um eine öffentliche Bildungseinrichtung (Fall 1), die auch von anderen als den dort Beschäftigten, immatrikulierte Studierenden oder Schülern aufgesucht werden kann (wie das etwa bei den Bibliotheken und Mensen deutscher Universitäten typischerweise der Fall ist), dann liegt keine Exkludierbarkeit vor.

Handelt es sich hingegen um eine private Bildungseinrichtung (Fall 2 – eine private Universität, Privatschule o. ä.), die nicht der allgemeinen Öffentlichkeit zugänglich ist (weil sie sich etwa auf einem umzäunten Campus befindet), dann liegt Exkludierbarkeit vor.

Nehmen wir das Kriterium der Exkludierbarkeit als nicht gegeben an, verengt sich die Auswahl der Gütertypen auf eines – das öffentliche Gut. Das trifft für unseren Fall 1 zu. Für Fall 2 hingegen handelt es sich bei der Schutzleistung um ein Klubkollektivgut.

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind. Da es sich unserer Auffassung nach im Fall 1 um ein öffentliches Gut (also um ein prototypisches Kollektivgut) handelt, ist die Bereitstellungsverantwortung beim Staat anzusiedeln. Im Fall 2 hingegen läge die Bereitstellungsverantwortung bei den privaten Trägern der Bildungseinrichtungen, und nicht beim Staat.

Die Finanzierung der Schutzleistung hat aus unserer Sicht im Fall 1 über Steuern zu erfolgen, wie dies auch bei sonstigen Polizeikräften der Fall ist. Im Fall 2 hingegen hat sie über Beiträge zu erfolgen, also beispielsweise über Studiengebühren oder Schulgeld.

 

[1] Anm.: Vgl. Grossekettler 1998, 8f.

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

In Deutschland gibt es aktuell keine Sicherheitsdienste, die den Campuspolizeien in den Vereinigten Staaten auch nur annähernd ähneln. Sind dezidiert für bestimmte Bildungseinrichtungen tätige Sicherheitsdienste vorhanden, so sind sie mit begrenzten Befugnissen ausgestattet und führen keine Schusswaffen. Sind über diese Befugnisse hinausgehende Eingriffe und Maßnahmen erforderlich, oder Schusswaffen zur Gefahrenabwehr erforderlich, greift in Deutschland die staatliche Polizei ein. Gleiches gilt für Ermittlungstätigkeiten.

Juristische Aspekte an dieser Stelle außer Acht lassend stellt sich aus ökonomischer Sicht die Frage, ob dies aus Gesichtspunkten der Effizienz die beste Lösung ist. Bei dieser Kostenbetrachtung kommen dabei einige Unterschiede zu amerikanischen Verhältnissen zum Tragen.

Die oben erwähnten Randaufgaben stellen zwar keine komplexen Anforderungen an die Qualifikation des tätig werdenden Personals, und lassen sich daher mit im Vergleich zu Polizeibeamten mutmaßlich kostengünstigeren Kräften privater Dienstleister erbringen. Anders sieht es jedoch schon im Bereich von Ermittlungstätigkeiten aus, und hohe Qualifikationsanforderungen stellt die Bewältigung bewaffneter Angriffe, von Amoklagen usw. Entsprechend qualifiziertes und erfahrenes Personal – so es auf dem freien Arbeitsmarkt verfügbar sein sollte – wird im Zweifelsfall nicht kostengünstiger sein.

In den Vereinigten Staaten haben Polizeibeamte je nach Gebietskörperschaft und ihren Regularien typischerweise nach 20 bis 30 Dienstjahren das Anrecht auf volle Pensionsbezüge. Einige von ihnen nehmen dann den vorzeitigen Abschied, und die Möglichkeit wahr, in einer weniger gefährlichen und oft besser vergüteten Verwendung bspw. für Campuspolizeien tätig zu werden. Anders als in Deutschland[1] steht also auf dem Arbeitsmarkt hochgradig qualifiziertes und langjährig erfahrenes Personal in Form ehemaliger Polizeibeamter zur Verfügung.

Ein weiterer Aspekt sind Unterschiede im Bedarf nach solchen Fähigkeiten. Wie oben beschrieben, handelt es sich bei den oben angerissenen bewaffneten Angriffen innerhalb von Bildungseinrichtungen, insbesondere bei den active shooter events, um ein in den Vereinigten Staaten im Vergleich zu Deutschland viel häufigeres Phänomen. Der Bedarf nach einer sehr schnellen bewaffneten Reaktionsfähigkeit innerhalb von Bildungseinrichtungen, und damit nach dort permanent bereitzuhaltendem qualifiziertem und erfahrenem Personal, ist in den Vereinigten Staaten sehr real – in Deutschland aber (bislang und glücklicherweise) quasi nicht vorhanden.

In Deutschland sind also derzeit für – öffentliche oder private – Bildungseinrichtungen weder ein durch eine entsprechende Bedrohungslage evozierter Bedarf noch das ggf. notwendige Personal auf dem freien Arbeitsmarkt vorhanden.

Eine bevorzugte oder ausschließliche Rolle staatlicher Stellen bei der Herstellung könnte sich zusätzlich aufgrund von Aspekten dysfunktionaler Märkte ergeben. Kostenaspekte wie Transformations- und Transaktionskosten spielen bei der Entscheidung bezüglich der Herstellungsverantwortung in diesem Fall aus unserer Sicht keine Rolle – jedoch kämen Verfahrenspräferenzkosten in Frage. Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist.

Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert. Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwändigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Bei der Tätigkeit von Campuspolizeien spielte die Wahrung des Neutralitätsgebotes eine möglicherweise dann eine entscheidende Rolle, wenn aus irgendwelchen Gründung diskriminierende Ahndung von Verstößen zu erwarten sein könnte. Falls Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die eingesetzten Mitarbeiter unzulässig (also bspw. auf Basis von Rasse, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft, Sprache, politischer Ansichten, Weltanschauung, Religion, Behinderung, Geschlecht, sexueller Ausrichtung, Vermögen, oder Alter) diskriminiert werden könnte, könnte dies für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint.

Relevant in Bezug auf die betrachtete Schutzleistung bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – ist ferner die Prüfung, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel räumliche Verdrängungs- und Verlagerungseffekte von lautstarken Studierenden-Partys vom Privat-Campus in angrenzende Parks, so dass Anwohner vermehrt durch nächtliche Ruhestörung belastet werden) infrage. Asymmetrische Informationen (Probleme aus dem Bereich principal agent oder adverse selection, die auftreten könnten, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt) sind aus unserer Sicht typischerweise hier nicht relevant. Wettbewerbsbeschränkungen oder natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen) könnten eine Rolle spielen. 

 

[1] Anm.: Allenfalls ehemalige Militärangehörige stünden in Deutschland auf dem freien Arbeitsmarkt in begrenzter Anzahl zur Verfügung. Neben taktischen Fähigkeiten sind bei active shooter events aber unter Umständen zusätzlich eher aus der Polizeiarbeit stammende Kompetenzen wie der Kommunikation und Verhandlung mit (ggf. suizidalen) Personen in psychischen Ausnahmesituationen, der Unterscheidung von Situationen, in denen Verhandlung eine aussichtlose Taktik darstellt, sowie der reibungslosen Kooperation mit eintreffenden staatlichen Polizeikräften gefragt.

[2] Anm.: Die möglichen Gründe für die Zunahme solcher Zwischenfälle – Bevölkerungswachstum, Zunahme psychischer Erkrankungen, Radikalisierung, Einfluss des Internets, Einfluss sog. first person shooter games, Tatmittelzugang, u.v.m. –  über die Zeit sollen hier nicht weiter erörtert werden. Ein wichtiger Unterschied der Rahmenumstände sei hier allerdings erwähnt: In den Vereinigten Staaten ist der Zugang zu Schusswaffen für die Täter wesentlich einfacher als in Deutschland, wo der Schusswaffenerwerb gesetzlich strikt an Zuverlässigkeit, Bedürfnisprüfung sowie Sachkundenachweis gebunden ist. Dass andere Faktoren eine entscheidende Rolle spielen müssen, wird mit Blick auf die Schweiz deutlich. Dort befindet sich aufgrund des Milizsystems eine große Anzahl (vgl. Karp 2018) von Sturmgewehren in privaten Haushalten von Reservisten. Die Fälle pro Einwohner von Angriffen mit diesen Schusswaffen sind allerdings trotz der leichten Verfügbarkeit im Vergleich zu den Vereinigten Staaten extrem selten.

[3] Vgl. Grossekettler 1998, 11.

[4] Anm.: Vgl. einschlägige Richtlinien der Europäischen Union zur Gleichbehandlung, beispielsweise 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/113/EG, und 2006/54/EG.

[5] Anm.: Vgl. Paefgen 2009, 210.

Quellen:

Europäische Union (2000/04/06). Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft, insbes. 2000/43/EG (Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft), 2000/78/EG (Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf), 2006/54/EG (Gleichbehandlung von Frauen und Männern in Arbeits- und Beschäftigungsfragen), 2004/113/EG (Gleichbehandlung von Frauen und Männern außerhalb des Beschäftigungsbereichs).

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Karp, A. (2018). Estimating global civilian-held firearms numbers(pp. 1-12). Ginebra, Suiza: Small Arms Survey.

Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung der Schutzleistung sind in Fall 1 – auf der Öffentlichkeit zugänglichen Campi – aus unserer Sicht staatlich zu regeln.

In Fall 2 – der Öffentlichkeit nicht zugängliche Campi privater Bildungseinrichtungen – sind Bereitstellung und Finanzierung dagegen privat zu regeln, insofern nicht die oben beschriebenen Aufgaben der Gefahrenabwehr (bewaffnete Antwort auf active shooter events) und Repression (Ermittlungen nach Straftaten mit komplexeren Tätigkeiten wie Eingriffen ins Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Durchsuchungen, Beschlagnahmen etc.) als Teil der Schutzleistung aufgefasst werden.

Die Herstellung der Schutzleistung kann dagegen unter Umständen privat erfolgen und aus Kostengründen sogar ratsam sein, wenn Kern der Schutzleistung die oben beschriebenen Randtätigkeiten sowie Durchsetzung von Hausordnung und Hausrecht darstellen, und damit ein strikt regelorientiertes und robustes Vorgehen von geringerer Bedeutung ist als ein ergebnisorientiertes, von Routine geprägtes Vorgehen. Bei Herstellung der Schutzleistung durch private Dienstleister kommt es letztlich (bei der Bewertung der Kosten-Kriterien im volkswirtschaftlichen Sinne) auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an.

Die für oben beschriebene Tätigkeiten der Gefahrenabwehr und Repression notwendigen Qualifikationen können derzeit durch den freien Arbeitsmarkt nicht abgedeckt werden, diese Tätigkeiten müssen also abseits juristischer und anderer Aspekte allein schon daher sowohl auf privaten als auch auf öffentlichen Campi durch staatliche Polizeikräfte wahrgenommen werden.

Volkswirtschaftlich – City-Streifen

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“.

Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für eine Aufgabe erörtert, die im Zusammenhang mit der sich subjektiv vielerorts verschlechternden Sicherheitslage – ungeachtet der Frage, ob die Empfindung der objektiven Kriminalitätsentwicklung entspricht – in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. Bei dieser Aufgabe handelt es sich um sogenannte City-Streifen, die wiederum in zwei verschiedenen Ausprägungen zu unterscheiden sind.

Zum ersten sollen Streifen im Auftrag lokaler Gewerbetreibender die Sicherheit in öffentlich zugänglichen Bereichen, in denen Gewerbetreibende wie Einzelhändler und Dienstleister das Hausrecht haben, erhöhen. Typischerweise[1] handelt es sich hierbei um Einkaufszentren (englisch malls), Passagen usw. im Bereich der Innenstädte, die neben Kriminellen wie Taschen- und Ladendieben auch andere, den Auftraggebern und der Kundschaft tendenziell unangenehme Personen anziehen. Belästigungen durch verhaltensauffällige oder unter dem Einfluss von Alkohol und anderen Rauschmitteln stehende Personen und Personengruppen, die an den entsprechenden Orten Zerstreuung oder Schutz vor Witterung suchen, sollen durch die Streifen abgeschreckt werden. Die Aufgaben umfassen dabei Schutz des Eigentums von Auftraggebern und Kundschaft, Schutz vor anderen Straftaten und Belästigung, Durchsetzung des Hausrechts, Hinweis auf die Hausordnung sowie ihre Durchsetzung, Erhaltung der Sauberkeit und Ordnung im Umfeld der Ladengeschäfte.[2] Im Folgenden wird diese Ausprägung der (gewerblicherseits in Auftrag gegebenen) Schutzleistung „Typ 1“ genannt.

Zum zweiten kann anstelle des Gewerbes die Kommune Auftraggeber sein. In diesem Falle werden auch öffentliche Räume im engeren Sinne bestreift, beispielweise Parkanlagen, Spielplätze, Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs, Sportplätze usw.. Die typischen Funktionen dieser Streifen umfassen das Abschrecken durch Präsenz sowie das Anzeigen von Ordnungswidrigkeiten (z. B. aggressives Betteln, Alkoholmissbrauch durch Jugendliche, Verunreinigungen, wildes Plakatieren etc.) und Straftaten. Darüber hinaus kann im Rahmen der Nothilfe auch das Einschreiten bei Vorkommnissen wie z. B. Handgreiflichkeiten zu den Aufgaben gehören. Im Folgenden wird diese Ausprägung der (seitens der Kommune in Auftrag gegebenen) Schutzleistung „Typ 2“ genannt.

Als besondere Ausprägung werden im Rahmen von Kooperationsmodellen wiederum gemischte Streifen aus Ordnungsamt-Mitarbeitern und privaten Dienstleistern – ähnlich den in der Praxis bereits in einigen Städten erprobten gemischten Streifen aus Ordnungsamt-Mitarbeitern und Polizeivollzugsbeamten – erwogen (vgl. bspw. Buhl, in Schott-Lung 2018).

Wir betrachten nun die Frage, ob es aus ordnungspolitischer Sicht im Themenkomplex City-Streife eine Rolle privater Unternehmen geben sollte, und was ggf. zu beachten wäre.

[1] Anm.: Eine beispielsweise in England bekanntere, in Deutschland aber seltene und durchaus kritisierte Ausprägungsform sind Plätze in Privateigentum, die ohne bauliche Abgrenzung im öffentlichen Raum liegen und bisweilen nicht ohne Weiteres als solche erkannt werden können. Ein Beispiel ist der Potsdamer Platz in Berlin, hier ist Privatgrund außerhalb von Überdachungen und Gebäuden teilweise lediglich durch abweichende Pflasterung erkennbar.

[2] Beobachten, Erkennen und Melden von Rechtsverstößen im Rahmen der informellen Kooperation von privaten Sicherheitsdiensten mit Ordnungsämtern und der Polizei ist hier hingegen nicht Gegenstand der Betrachtung, obwohl die unentgeltliche und gegenseitige Information in gewissem Rahmen zum Alltagsgeschäft gehört. Begrifflich zu unterscheiden ist die hier betrachtete Schutzleistung City-Streifen vom Kommunalen Ordnungsdienst (KOD, dem hoheitliche Aufgaben wahrnehmenden uniformierten Vollzugsdienst der kommunalen Ordnungsbehörden – vgl. bspw. Stadt Leverkusen, 2019), sowie von der Überwachung ruhenden bzw. fließenden Verkehrs (z. B. Erfassung von ordnungswidrigem Parken und Geschwindigkeitsverstößen), und von Sicherheits- und Kontrolldiensten in Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs.

Quellen:

Schott-Lung, A. (2018), Was Sicherheitsdienstleister im öffentlichen Raum leisten können. https://www.sicherheit.info/was-sicherheitsdienstleister-im-oeffentlichen-raum-leisten-koennen, zuletzt abgerufen 08.11.2019.

Stadt Leverkusen (2019), Beschlussvorlage 2019/2750 zur Gründung des Kommunalen Ordnungsdienstes, 11.02.2019. http://ris.leverkusen.de/vo0050.asp?__kvonr=6128&voselect=1145, zuletzt abgerufen 08.11.2019.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung einer City-Streife die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung?

Die Antwort auf diese Frage hängt von der der Knappheit eingesetzter Kräfte ab. Da mit der Durchführung der Streifen betraute Kräfte nicht gleichzeitig an anderen Orten dieser (oder einer anderen) Aufgabe nachgehen können, kann bei hohem Personalbedarf bei gegebener Anzahl an verwendbarem Personal Rivalität vorliegen.

Dies könnte insbesondere bei Typ 1 der City-Streifen vorkommen, da der räumliche Wirkungsbereich hier auftragsgebunden begrenzt ist (und sich beispielsweise auf ein bestimmtes Einkaufszentrum beschränkt). Andererseits erfordert das für Typ 1 übliche Aufgabenspektrum kein hochqualifiziertes Sicherheitspersonal, sodass Personalknappheit wiederum unwahrscheinlich erscheint. Für Typ 1 kann also Rivalität vorliegen, ist aber nicht zu erwarten.[1] Gibt es ausreichend Personal, so liegt keine Rivalität vor.

Bei Typ 2 ist aufgrund der vielfältigeren Aufgaben und Umgebungen sowie der notwendigen Kenntnisse praktischer Umsetzung geltenden Rechts in etwas komplexeren Situationen eine vergleichsweise höhere Mindestqualifikation des einzusetzenden Personals anzunehmen. (Hier wäre bspw. an Aufgaben zu denken, die eine Beleihung voraussetzen. Das „Jedermannsrecht“ mit seinen Beschränkungen und Voraussetzungen nach § 127 Strafprozessordnung hingegen ist Gegenstand der grundlegenden Unterrichtung nach  § 34a Abs. 2 GewO Nr. 1. Seine verinnerlichte Kenntnis stellt also keine höhere Mindestqualifikation dar, wenn auch in der Praxis bisweilen Kompetenzüberschreitungen zu beklagen sind, die manchmal gar strafrechtliche Tatbestände wie den der Nötigung darstellen können. Hier wird erneut die Bedeutung eines verantwortungsvollen Qualitätsmanagements seitens betrauter Sicherheitsunternehmen deutlich.) Für Typ 2 kann also in Zeiten der Personalknappheit schon eher Rivalität vorliegen. Hingegen agieren die Streifen vom Typ 2 weiträumiger als die des Typs 1, was die Rivalität wiederum abschwächt. 

Je nach Fall können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Sind Personalknappheit ausgeprägt und Zahl der zu bestreifenden Orte – bspw. die der Einkaufszentren oder der öffentlichen Plätze – groß, scheiden öffentliches Gut und Klubkollektivgut aus, es bleiben zur Auswahl privates Gut und Allmende-Gut. Ist andererseits ausreichend Personal vorhanden, bleiben dagegen nur öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.

Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? Hierfür muss genauer betrachtet werden, wer denn hier überhaupt der Nutznießer ist.

Bei City-Streife Typ1 sind die unmittelbaren Nutznießer die Kunden und die Gewerbetreibenden (letztere auch mittelbar, da ein von Kunden als sicher empfundenes Umfeld ihre Geschäftsumsätze tendenziell erhöht). Von diesem Nutzen ausgeschlossen sind Kunden ungeschützter anderer Einkaufszentren (usw.) sowie die dort ansässigen Gewerbetreibenden. Es liegt Exkludierbarkeit vor, Allmende- und Öffentliches Gut scheiden unter dieser Bedingung aus.

Bei Typ 2 geht es um Prävention und Abschreckung durch Präsenz und Schaffen der Voraussetzungen für eine wirksamere Strafverfolgung (durch Beobachten, Melden und Bezeugen), in selteneren Fällen auch um Gefahrenabwehr im Rahmen von Nothilfe. All das betrifft die gesamte Bevölkerung, niemand kann ausgeschlossen werden, es liegt keine Exkludierbarkeit vor. Privates Gut und Klubkollektivgut scheiden unter dieser Bedingung aus.

Wir haben es also ohne besondere Personalknappheit am Arbeitsmarkt für Sicherheitsleute bei City-Streife vom Typ 1 (gewerblicher Auftraggeber) mit einem Klubkollektivgut (Rivalität nein, Exkludierbarkeit ja) zu tun, beim Typ 2 (kommunaler Auftraggeber) dagegen mit einem öffentlichen Gut: Rivalität nein, Exkludierbarkeit nein.

(Ist dagegen der Arbeitsmarkt für geringer qualifizierte Sicherheitsleute gerade „leergefegt“, ändert sich das Bild wie folgt: Typ 1 wird zum privaten Gut – Rivalität ja, Exkludierbarkeit ja –, Typ 2 zum Allmendegut – Rivalität ja, Exkludierbarkeit nein.)

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

Sowohl bei Allmendegütern (Quasikollektivgütern) als auch bei öffentlichen Gütern ist die Bereitstellungsverantwortung beim Staat anzusiedeln, da eine privat organisierbare Marktfähigkeit nicht vorhanden ist. Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, S.8f.).

Angewendet auf City-Streifen bedeutet dies, dass – mit oder ohne Personalknappheit am Arbeitsmarkt – die Bereitstellung der Schutzleistung bei Typ 1 nicht beim Staat liegt, jedoch immer bei Typ 2.

Bei der Finanzierung hängt es wieder vom Gutscharakter – also hier von Personalknappheit und ggf. Zahl der zu bestreifenden Orte – ab.

Handelt es sich um eine City-Streife vom Typ 1 (gewerblicher Auftraggeber), und ist die Personallage angespannt, sollte die somit ein Klubkollektivgut darstellende Schutzleistung über Beitragszahlungen der Gewerbetreibenden finanziert werden. Ist die Personallage entspannter und stellt die Schutzleistung somit ein privates Gut dar, kann sie flexibler und über Marktpreise ebenfalls von den Gewerbetreibenden finanziert werden. In beiden Fällen werden die Gewerbetreibenden die Kosten indirekt an ihre Kundschaft weitergeben.

Handelt es sich um eine City-Streife vom Typ 2 (kommunaler Auftraggeber) und ist die Personallage angespannt oder die Zahl der zu bestreifenden Flächen groß, liegt also ein Allmende- bzw. Quasikollektivgut vor. Dann ist die nach Ansicht von Ökonomen empfehlenswerte Finanzierung hier[2] die Erhebung eines sogenannten regionalen oder gruppenweisen Zwangsbeitrags (vgl. Grossekettler 1998, S.9). Bei entspannterer Ressourcenlage ist die Schutzleistung als öffentliches Gut zu betrachten, dann sollte sie über Steuern finanziert werden.

 

[1] Anm.: Falls jedoch aufgrund von Sondereffekten (wie beispielsweise der Flüchtlingskrise ab 2015 mit dem durch sie sprunghaft erhöhten Bedarf an einfacheren Bewachungs- und Schutz-Dienstleistungen) ein hoher Bedarf an vergleichsweise niedrig qualifiziertem Sicherheitspersonal besteht, wäre auch bei Typ 1 Rivalität – gewissermaßen quer über verschiedene Schutzleistungen – zu erwarten. Dann wäre der Arbeitsmarkt nämlich temporär „leergekauft“.

[2] Anm.: Hier heißt: Bei einem Zwangsverein (i.G.z. einem privaten Verein) als empfohlenem Bereitstellungsverband.

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Bei der City-Streife vom ersten Typ liegt neben der Bereitstellungs- und Finanzierungs-Verantwortung auch die der Herstellung in privaten Händen – staatliche Sicherheitskräfte werden nur anlass- bzw. einsatzbezogen Einkaufszentren u. ä. aufsuchen, bspw. nach Notrufen.

Wie sieht es aber nun bei Typ 2 mit der Herstellung aus – sollte der Staat (hier: die Kommune) das selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Streifenpersonals. Zwar wird der  Ausbildungs- und Qualifikationsstand des zu betrauenden Personals für City-Streifen vom Typ 2 zwar verglichen mit Typ 1 aufgrund der komplexeren und vielfältigeren Einsatzszenarien und -umfelder höher sein müssen, jedoch reichen aus der Sicht der Autoren dafür im Vergleich beispielsweise zu Bediensteten der Ordnungsämter und zu Polizeibeamten günstigere (private) Sicherheitskräfte mit Qualifikationsniveau für einfache Aufgaben aus. Transformationskosten fallen also vermutlich nicht in erheblicher Höhe an, weshalb eine Vergabe an Unternehmen vermutlich eine Kostenersparnis bedeuten würde.

Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen. Es fallen für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn unterstützende oder direkte Aufgaben im Rahmen der Schutzleistung an Unternehmen vergeben werden. (Umgekehrt gilt dies ebenfalls in gewissem Umfang für beauftragte Unternehmen.[1]) Mutmaßlich sind die Transaktionskosten im Falle der Vergabe von Aufgaben im Bereich der Bestreifung von öffentlichen Plätzen usw. nicht weiter erheblich, da die Tätigkeit – insofern die Streifen ihre Kompetenzen nicht überschreiten – politisch nicht besonders sensibel ist, und keinen ungewöhnlich hohen Aufwand in Bezug auf Beaufsichtigung und Kontrolle mit sich bringt.

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Ordnungsamt-Angehörige und Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, S. 11.). Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Bei City-Streifen im öffentlichen Raum spielt die Wahrung des Neutralitätsgebotes (der Polizei) möglicherweise dann eine entscheidende Rolle, wenn die Streifen mit über das Jedermann-Recht hinausgehenden Kompetenzen versehen würden. Sollte also zukünftig vom Gesetzgeber eine Erweiterung dieser Kompetenzen – etwa hin zur Ermöglichung von Ausweiskontrollen oder der Erteilung von Platzverweisen – in Erwägung gezogen werden, so wäre zu vermuten, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in nicht unerheblicher Höhe in Kauf nehmen würde, um eine Vergabe von City-Streifen an Unternehmen zu vermeiden.

Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem infrage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel räumliche Verdrängungs- und Verlagerungseffekte von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im öffentlichen Raum) oder asymmetrische Informationen sowie Wettbewerbsbeschränkungen. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex City-Streifen hier in erster Linie principal agent– und möglicherweise adverse selection-Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt. Wettbewerbsbeschränkungen sind denkbar, aber in Abwesenheit eines bestehenden Marktes a priori schwer zu beurteilen. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, S. 210.) könnten eine Rolle spielen.

 

[1] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.

Quellen:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind bei City-Streifen vom Typ 1 (gewerbliche Auftraggeber) zwingend privatwirtschaftlich zu regeln, bei City-Streifen vom Typ 2 (kommunale Auftraggeber) dagegen zwingend Aufgaben des Staates. Die Frage der Herstellung ist ohne weitere Informationen nicht so eindeutig zu beantworten, jedoch aus unserer Sicht bei Beschränkung der Kompetenzen der Durchführenden auf das Jedermannsrecht vorzugsweise an Unternehmen zu übertragen. Für weisungs- oder mindestens detailliert vertragsgebundene unterstützende Tätigkeiten sehen wir Raum für die Tätigkeit privater Unternehmen. Bei weitergehenden Kompetenzen oder einer besonderen politischen Sensibilität kann dagegen die Herstellung der Schutzleistung aus unserer Sicht ebenfalls staatliche Aufgabe werden.

Ob hier Staat oder Markt effizienter bei der Herstellung sind, hängt von der Summe und Gewichtung der Transformations- (Tendenz: Pro privat), Transaktions- (Tendenz: Pro privat) und Verfahrenspräferenzkosten (Tendenz: ambivalent, pro Staat im Falle politischer Sensibilität oder zusätzlicher Kompetenzen) ab. Bei Herstellung der Schutzleistung durch private Dienstleister kommt es letztlich bei der Bewertung der Kosten-Kriterien auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen also die Rahmenumstände ebenso wie der politische Willensbildungsprozess besondere Rollen.

Volkswirtschaftlich – Innerbetriebliche Ermittlungen im Vorfeld strafprozessualer Ermittlungen

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“. Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für die Schutzleistung innerbetrieblicher, im Vorfeld strafprozessualer Ermittlungen durchgeführter Ermittlungen erörtert.

Nutznießende dieser Schutzleistung sind in erster Linie die Unternehmen, in denen die innerbetrieblichen Ermittlungen von Unternehmensangehörigen oder externen Beauftragten durchgeführt werden. Die möglichst frühzeitige Aufklärung von Gesetzes-, Pflicht- und Normverstößen dient in der Regel vornehmlich der Vermeidung betriebswirtschaftlicher Schäden, insbesondere der Vermeidung von Haftung und Schadensersatzansprüchen sowie von Sanktionen und Reputationsschäden, dem zukünftigen Ausschluss aus Märkten etc. Weniger eindeutig ist der Nutzen für Strafverfolgungsbehörden sowie für Kunden.

Strafverfolgungsbehörden können Ermittlungsansätze und für die juristische Aufarbeitung hilfreiche Informationen bereitgestellt werden, es gibt jedoch auch Befürchtungen, dass durch die unternehmensinternen Vorermittlungen Verdunklung und Strafvereitelung betrieben werden könnte.

Kunden der Unternehmen können etwa von der Förderung der Einhaltung von Transparenzvorschriften bzgl. von Produkteigenschaften profitieren (bspw. zu Emissionswerten von Verbrennungsmotoren), erfahren aber bei Vermeidung der Veröffentlichung von stattgefundenen Verstößen gegen entsprechende Vorschriften möglicherweise gar nicht erst davon.

Die Schutzleistung umfasst bisweilen vorbereitende Tätigkeiten, wie Bestimmung und Vorbereitung von Informationsquellen sowie der Erstellung eines Untersuchungsplans. Kerntätigkeiten der Durchführung jedoch sind die Dokumentation der Untersuchung, die Erhebung von Daten und das Sammeln relevanter Dokumente, die Befragung von Mitarbeitern, sowie Auswertung und Aufarbeitung der Untersuchungsergebnisse und Übermittlung der gewonnenen Erkenntnisse an die Unternehmensführung oder von ihr beauftragte Personen. Durchgeführt werden kann sie entweder durch interne Mitarbeiter oder durch (spezialisierte) externe Auftragnehmer.

Wir betrachten nun die Frage, ob es aus ordnungspolitischer Sicht bei solchen Ermittlungen innerhalb privater Unternehmen im Vorfeld strafprozessualer Ermittlungen eine Rolle privater Unternehmen geben sollte, und was ggf. zu beachten wäre.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung von unternehmensinternen Ermittlungen die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung, bzw. der durch sie gewonnenen Informationen?

Wir unterscheiden hier in drei Gruppen von Nutzern (oder genauer: Nutznießenden): Unternehmen, Strafverfolgungsbehörden, und Kunden.

In Bezug auf Unternehmen kann nicht von Verwendungsrivalität ausgegangen werden, falls unternehmensinterne Ermittler eingesetzt werden. Kein Unternehmen profitiert weniger von unternehmensinternen Ermittlungen, nur weil ein anderes diese ebenfalls bei sich durchführt. Ein gewisses Maß an Verwendungsrivalität ist allenfalls denkbar, falls die Ermittlungen von externen Spezialisten durchgeführt werden, und diese auf dem Dienstleistermarkt knapp verfügbar sind. Hiervon gehen wir jedoch derzeit nicht aus.

In Bezug auf Strafverfolgungsbehörden (die wir als eine Einheit betrachten, in der sich also nicht verschiedene Staatsanwaltschaften etc. gegenseitig Konkurrenz machen) erweitern wir den Fokus auf Ermittlungen über die Unternehmensinteressen hinaus: Besteht Verwendungsrivalität bzgl. der Ermittlungen zu bestimmten Sachverhalten – können also Strafverfolgungsbehörden weniger Nutzen aus Ermittlungen ziehen, wenn vorher oder zugleich auch beteiligte Unternehmen intern ermitteln (lassen)? Falls die internen Ermittlungen dazu führen, dass Ermittlungsergebnisse oder Beweismittel der Kenntnis und dem Zugriff der Behörden entzogen werden – etwa, weil sie aus ihrem geografischen Zuständigkeitsbereich verbracht werden, oder aus rechtlichen Gründen nicht mehr (leicht) beschlagnahmt werden können, da die Unterlagen in einer Anwaltskanzlei aufbewahrt werden – könnte Verwendungsrivalität vorliegen. Wahrscheinlicher handelt es sich dann allerdings um einen Exkludierungsfall – mehr dazu weiter unten.

Die Kunden von Unternehmen sind in der Regel nicht von Verwendungsrivalität betroffen. Allenfalls im oben beschrieben Falle eines knappen Angebots spezialisierter externer Ermittlungsdienstleister hätten möglicherweise Kunden anderer Unternehmen Nachteile. Das beträfe jedoch nur Kunden solcher Unternehmen, die keine internen Ermittler einsetzen und diese auch nicht durch externe Ermittler ersetzen, weil letztere zu knapp (und damit in der Regel zu teuer) sind – von Unternehmen also, die damit mehr Regelverstöße mit negativen Folgen für ihre Kunden in Kauf nehmen. Wir betrachten diese Konstellation als nicht praxisrelevant.

Zusammenfassend kann aus unserer Sicht davon ausgegangen werden, dass Verwendungsrivalität unter Unternehmen in aller Regel nicht vorliegt.

Liegt also Verwendungsrivalität nicht vor, können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Privates Gut und Allmende-Gut scheiden aus, es bleiben öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.

Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? Hier hängt es davon ab, wer als Nutznießer betrachtet wird.

Betrachtet man Unternehmen als Nutznießer, muss die Antwort klar positiv ausfallen: Exkludierbarkeit liegt vor. Die erzielten Ermittlungsergebnisse können mit anderen Unternehmen geteilt werden. Dies geschieht allerdings nicht immer.

Betrachtet man Strafverfolgungsbehörden, so liegt (nur) dann Exkludierbarkeit vor, wenn wie oben beschrieben Ermittlungsergebnisse oder Beweismittel der Kenntnis und dem Zugriff der Behörden entzogen werden (können).

Betrachtet man Kunden (und im weiteren Sinne die Öffentlichkeit) als Nutznießer, so besteht ebenfalls Exkludierbarkeit: Durchaus nicht immer werden die Kunden über die Ergebnisse interner Ermittlungen zeitnah oder überhaupt informiert.

Zusammenfassend kann aus unserer Sicht davon ausgegangen werden, dass Exkludierbarkeit für alle Nutzergruppen in aller Regel vorliegt.

Nehmen wir das Kriterium der Exkludierbarkeit als gegeben an, verengt sich die Auswahl der Gütertypen auf eines – das Klubkollektivgut. Falls Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit hätten oder haben, die Herausgabe der Ermittlungsergebnisse und Beweismittel zu erwirken (und damit die Exkludierbarkeit aufheben können), würde bzw. wird die Schutzleistung allerdings zum öffentlichen Gut.

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, 8f). Falls also Strafverfolgungsbehörden die Exkludierbarkeit vollständig aufheben könn(t)en, läge die Bereitstellungsverantwortung beim Staat. Dann sollte es aus ordnungspolitischer Sicht gar keine unternehmensinternen Ermittlungen geben, und es bestünde wohl auch kein unternehmerischer Anreiz zur Investition privatwirtschaftlicher Mittel.

In der Vergangenheit hat es jedoch bereits Fälle einer teilweisen Exklusion der Strafverfolgungsbehörden gegeben. So wurde in England gerichtlich entschieden (vgl. Juve.de 2017[1]), dass Dokumente mit anwaltlichem Ratschlag – in diesem Fall eine vorbereitete Präsentation mit Untersuchungsergebnissen, und im Gegensatz zu anderen Dokumenttypen etwa mit Notizen zu Ermittlungsinterviews – als vertrauliche Kommunikation zwischen Mandant und Anwalt geschützt seien. Da eine umfassende Herausgabe der Ermittlungsergebnisse und Beweismittel aber in der Praxis – beispielsweise bei Vorliegen eines Mandatsverhältnisses in einem Strafprozess – nicht immer erwirkt werden kann, handelt es sich bei unternehmensinternen Ermittlungen unserer Auffassung nach de facto eher um ein Klubkollektivgut, für das eine privat organisierbare Marktfähigkeit vorhanden ist. In diesem Falle wäre die Bereitstellungsverantwortung nicht beim Staat anzusiedeln.

Die Finanzierung der Schutzleistung über Beiträge ist die angemessene Wahl. Dies geschieht in praktischer Form unternehmensintern über entsprechende Budgets.

 

[1] Anm.: Zur Entscheidung des High Court of Justice in London zugunsten staatlicher Ermittler im Rechtsstreit zwischen Serious Fraud Office und Eurasian Natural Resources Corporation.

Quellen:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Juve (2017, 29. Juli) Anwaltsprivileg: Unterlagen aus internen Untersuchungen lagern riskant. https://www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2017/06/anwaltsprivileg-unterlagen-aus-internen-untersuchungen-lagern-riskant, letzter Abruf 14.05.2019, 15h42.

Bei innerbetrieblichen Ermittlungen im Vorfeld strafprozessualer Ermittlungen liegt neben der Bereitstellungs- und Finanzierungs-Verantwortung auch die der Herstellung oft in den Händen des Unternehmens, innerhalb dessen die Ermittlungen stattfinden, es werden also Angestellte des Unternehmens mit der Durchführung der Ermittlungen betraut. Die Alternative ist die Beauftragung externer Dienstleister, wie beispielsweise spezialisierten Anwaltskanzleien. Welche dieser Vorgehensweisen ist nun aus ökonomischer Sicht vorteilhaft?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden der Ermittler, ggf. zuzüglich ihrer Reisekosten und sonstigen Aufwendungen sowie der Kosten des Arbeitsausfalles durch Befragungen und möglicherweise zeitweise Freistellungen. Eine rein interne Durchführung ist oft kostengünstiger, da Honorare für externe Berater entfallen (vgl. Wettner & Walter, 2016, S. 320.). Das betraute Personal muss allerdings auch entsprechend geschult sein. Insbesondere muss bedacht werden, dass „die Mitarbeiter zumeist keine genaue Kenntnis über Strafprozessrechte haben und dadurch bei einer unbelehrten Selbstbelastung eventuell Beweisverwertungsverbote gemäß § 136 a StPO auftreten können“ (vgl. Kampf 2018, S. 6). Interne Ermittler können dabei möglicherweise schneller und günstiger abwägen, ob befragte Mitarbeiter ein Interesse daran haben könnten, aus sachfremden Gründen andere Kollegen zu belasten, was wiederum der Ermittlungsqualität förderlich ist. Der Aspekt der Transformationskosten spricht tendenziell für eine interne Herstellung, insofern qualifiziertes Personal vorhanden ist.

Transaktionskosten fallen hier vor allem durch Koordinierungstätigkeiten an. Bei Ermittlungen durch externe Berater sind diese Kosten bedingt durch den gesteigerten Organisationsaufwand höher. Allerdings entfallen Reibungsverluste, die bisweilen bei rein internen Ermittlungen aufgrund hierarchischer Aspekte auftreten. Befragte Mitarbeiter und insbesondere Geschäftsleitungsmitglieder lassen sich ungern von unternehmensinternen Ermittlern befragen, die in der Unternehmenshierarchie eigentlich unter ihnen stehen (vgl. Wettner & Walter, 2016, S. 321). So „leiden interne Mitarbeiter bei Ermittlungen oftmals unter Autoritätsdurchsetzungsproblemen“ (vgl. Kampf 2018, S. 6). Externe Ermittler können sich hier bisweilen besser durchsetzen bzw. stoßen auf geringeren Widerstand. Ob die Transaktionskosten beim Einsatz interner oder externer Ermittler geringer ausfallen, ist somit auch abhängig von unternehmensspezifischen Gegebenheiten. Eine klare Tendenz ist nicht ersichtlich.

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist.

Aus volkswirtschaftlicher Sicht – und in diesem Falle betriebswirtschaftlichen Erwägungen möglicherweise entgegenstehend[1] – von Belang ist die Tatsache, dass externe Ermittler oft Berufsgeheimnisträger sind, die sich gegenüber Strafverfolgungsbehörden unter Umständen (bei Vorliegen eines Mandatsverhältnisses mit einem Beschuldigten – vgl. Legal Tribune Online 2018)[2] gemäß § 97 II 1 StPO auf den „Schutz untersuchter Unterlagen und Informationsquellen vor behördlicher Beschlagnahme berufen können“ (vgl. Kampf 2018, S. 6f., zu juristischer und wirtschaftlicher Expertise und Berufsgeheimnisträgern siehe auch Wettner & Walter 2016, S. 321). Während das für das betroffene Unternehmen vorteilhaft sein kann, kann die volkswirtschaftliche Wirkung nicht ohne weiteres beurteilt werden, und möglicherweise auch negativ ausfallen (wenn durch Behinderung der juristischen Aufarbeitung etwa bestehende negative externe Effekte wie zusätzliche Emissionen nicht eingeschränkt werden). Dem könnte jedoch der Wegfall negativer Beschäftigungseffekte etc. entgegenstehen.

Für externe Ermittler hingegen spräche die höhere Unabhängigkeit der Untersuchung aufgrund von Weisungsfreiheit, und der damit einhergehenden Steigerung des Beweiswerts der Untersuchungsergebnisse (vgl. Böhmer 2013, S. 55 ff.). Zu den Verfahrenspräferenzkosten zählen könnte man ferner den bei unternehmensinternen Ermittlungen bisweilen stiefmütterlich behandelten Aspekt der Wahrung von Prozess- und Aussageverweigerungsrechten und – außer bei strafrechtlich relevanten Vorwürfen – der oft fehlenden Rechtsbeistände (vgl. Wettner & Walter, 2016, S. 334).

Der Aspekt der Verfahrenspräferenzkosten aus volkswirtschaftlicher Sicht lässt keine klare Tendenz erkennen. Die Vergabe an externe Ermittler kann die Qualität der Untersuchung erhöhen, die Kooperation mit Behörden aber hemmen. Im Nachgang einiger prominenter Fälle in den vergangenen Jahren ist allerdings zu vermuten, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in Kauf nehmen würde, die beispielsweise durch eine Tätigkeit teurerer externer Ermittler (vorzugsweise ohne Berufsgeheimnisträger-Status bzw. in engerer Kooperation mit Strafverfolgungsbehörden) entstehen könnten. In anderen Worten: Konsumenten würden im Vergleich zur Situation vor den Skandalen in der Automobilindustrie mittlerweile vermutlich etwas höhere Produktpreise akzeptieren, wenn sie im Gegenzug das Gefühl hätten, dass aufgrund effektiver, transparenter und kooperativer Ermittlungen von Unternehmen und Strafverfolgungsbehörden Verbrauchertäuschung und Verdeckung negativer externer Effekte eingedämmt würden.

Marktversagen ist bei der hier betrachteten Schutzleistung aus unserer Sicht nicht wahrscheinlich.

 

[1] Anm.: Aus Unternehmenssicht kann die interne Herstellung der Schutzleistung insbesondere aufgrund der Wahrung der Kontrolle über das Ermittlungsverfahren selbst und dessen (ausbleibende) Kenntnisnahme durch die Öffentlichkeit vorteilhaft sein.

[2] Anm.: Vgl. Ausführungen zum Anwaltsprivileg sowie den abschlägigen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Verfassungsbeschwerden der Volkswagen AG und der Kanzlei Jones Day i.Z.m. den Durchsuchungen und Beschlagnahmen vom 15. März 2017, „Warum es bei internen Untersuchungen kein Anwaltsprivileg gibt“, Legal Tribune Online 2018.

Quellen:

Böhmer, M. (2013) Kapitel 2: Auftragserteilung. In: Bay, Karl-Christian 2013 (Hrsg.) Handbuch Internal Investigations

Legal Tribune Online (2018) Warum es bei internen Untersuchungen kein Anwaltsprivileg gibt – BVerfG zu Beschlagnahmen bei Jones Day im Dieselskandal. 09.07.2018, https://www.lto.de/recht/juristen/b/bverfg-2bvr140517-kein-anwaltsprivileg-interne-untersuchungen-jones-day-volkswagen/, letzter Abruf 14.05.2019 15h24

Kampf, S. (2018) Wie laufen interne Ermittlungen in einem Unternehmen unter Anwendung eines Compliance Management Systems ab und welche Vor- und Nachteile bringen die jeweils einsetzbaren Ermittler mit sich? Seminararbeit, Sicherheit -wirklich nur ein öffentliches Gut? Ein Seminar über die private und öffentliche Bereitstellung von Schutzleistungen, Universität Potsdam.

Wettner, F., & Walter, K. G. (2016) Management Interner Untersuchungen. In: Schulz 2016 (Hrsg.) Compliance-Management im Unternehmen – Strategie und praktische Umsetzung

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind bei innerbetrieblichen Ermittlungen im Vorfeld strafprozessualer Ermittlungen keine Staatsaufgabe. Entstehen allerdings aus der betriebswirtschaftlich möglicherweise vorteilhaftigen Beauftragung externer Ermittler durch das Unternehmen erhebliche zusätzliche Hemmnisse der juristischen Aufarbeitung strafrechtlich relevanter Tatbestände, könnte auch für eine Verlagerung der Verantwortung für alle Ermittlungstätigkeiten in staatliche Hände argumentiert werden. Nur in diesem Fall würden Bereitstellung und Finanzierung – dann aus Steuermitteln – aus unserer Sicht öffentliche Aufgabe.

Nur in letzterem Falle wäre auch die Herstellung der Schutzleistung – also die Durchführung der Ermittlungen – vollständig in behördliche Hände zu verlagern. Sie wären damit dann nicht mehr unternehmensintern. Besteht das Problem der Behinderung der Justiz jedoch in der Praxis nicht oder in vernachlässigbarem Maße, so bleibt die Entscheidung der Herstellung – Ermittlung in eigener Ägide, oder Beauftragung externer private Ermittler – stark unternehmensspezifisch.

Volkswirtschaftlich – Katastrophenschutz – Vorhalten und Betrieb von Leitstellen

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“. Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für die Schutzleistung „Vorhalten und Betrieb von Leitstellen“ erörtert.

Hierunter verstehen wir den Betrieb von Notruf- und Serviceleitstellen zwecks Annahme von Notrufen und Bedarfsmeldungen sowie der Disponierung von Einsatzkräften und der Koordinierung und Führungsunterstützung von Einsätzen. Derzeit werden von privaten Dienstleistern in erster Linie Einbruch-, Überfall- und Brand-Meldeanlagen sowie technische Störmeldeanlagen, Video-, Personennotruf- und Aufzugnotrufanlagen in solchen Leitstellen überwacht. „Die Hauptaufgabe [dieser] Notruf- und Service-Leitstelle (NSL) besteht in der Überwachung von Gefahrenmeldeanlagen im weitesten Sinne“ (vgl. Hahn, 2012). Leitstellen für Rettungsdienste werden durch die jeweiligen Rettungsdienstgesetze der Länder geregelt (vgl. BMI, 2019).

Nutznießende dieser Schutzleistung sind bei der Überwachung und Meldungsannahme von technisch aufgeschalteten Meldeanlagen (Fall 1) üblicherweise vor allem die Personen, in deren Wohn- oder Arbeitsräumen sich die Meldeanlage befindet, ferner Besucher dieser Orte. Handelt es sich hingegen um Leitstellen (Fall 2) für die Annahme von unabhängig von Meldeanlagen eingehenden Notrufen (z. B. telefonische Unfallmeldungen) und zur Koordinierung von Einsatzkräften (z. B. Entsendung von Rettungswägen und Notärzten zu Unfallorten), so vergrößert sich der Kreis der Nutznießer auf die gesamte Bevölkerung. Wir betrachten im Folgenden im Kontext des Katastrophenschutzes in erster Linie Fall 2.

Wir betrachten nun die Frage, ob es aus ordnungspolitischer Sicht bei solchen Meldungsannahmestellen und Leitstellen eine Rolle privater Unternehmen geben sollte, und was ggf. zu beachten wäre.

 

Quellen:

Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. (2019). Bevölkerungsschutz. Wer macht was beim Zivil- und Katastrophenschutz? Abgerufen am 4. April 2019 von https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bevoelkerungsschutz/zivil-und-katastrophenschutz/gefahrenabwehr-und-katastrophenschutz/gefahrenabwehr-und-katastrophenschutz-node.html;jsessionid=407F0085311460D236BD15C788E73E8D.2_cid295

Hahn, J. (2012). Notruf- und Serviceleitstellen. In R. Stober, H. Olschok, S. Gundel, & M. Buhl (Hrsg.), Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit (S. 386-397). Stuttgart: Richard Boorberg Verlag

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also der Betrieb einer Leitstelle die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung?

Während bei Notruf- und Meldungsannahmestellen des ersten Typs (Fall 1) noch von einer in Grenzen bestehenden Rivalität in der Nutzung ausgegangen werden könnte – nämlich dann, wenn auch die Entsendung von in knapper Anzahl vorgehaltenen Einsatzkräften wie beispielsweise Wartungstechnikern bei Aufzugsstörungen zur Schutzleistung gehört – , so ist dies bei in Rettungswesen und Katastrophenschutz typischen Meldungsannahmestellen und Leitstellen (Fall 2)  nicht der Fall. Es liegt keine Verwendungsrivalität vor.

Liegt also keine Verwendungsrivalität vor, können wir bei Fall 2 die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Privates Gut und Allmende- Gut scheiden aus, es bleiben zur Auswahl Öffentliches Gut und Klubkollektivgut. In Fall 1 blieben dagegen Privates und Allmende-Gut, falls doch Rivalität vorläge.

Und besteht Exkludierbarkeit, können also andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausge-schlossen werden? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir die oben angeführten Szenarien unterscheiden, und jeweils die Gruppe der Nutznießer betrachten. In Fall 1 können (abgesehen von Besuchern der geschützten Liegenschaften[1]) potenzielle Nutznießer insofern ausgeschlossen werden, dass die Schutzleistung nur zahlenden Kunden (mit einer entsprechenden Meldeanlage in ihren Liegenschaften) zur Verfügung gestellt wird. Hier besteht Exkludierbarkeit. Anders dagegen sieht es in Fall 2 aus, hier kann kein potenzieller Nutznießer ausgeschlossen werden.

In Fall 1 verengt sich die Auswahl daher auf das private Gut, in Fall 2 auf das öffentliche Gut.

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, S. 8f.).

Im Fall 1 ist eine privat organisierbare Marktfähigkeit vorhanden, mithin sind die Bereitstellungs- und Finanzierungsverantwortung nicht beim Staat anzusiedeln. Hier sind dann die Eigentümer bzw. Betreiber der durch Meldeanlagenmit Aufschaltung zu Notruf- und Leitzentralen geschützten Liegenschaften gefragt. Die Finanzierung hat aufgrund des Gutcharakters aus unserer Sicht auf Basis von Marktpreisen zu erfolgen, was hier konkret die Kauf oder Miete der Meldeanlage sowie Miete der Dienstleistungskomponente der Schutzleistung betrifft.

Im Fall 2 ist die Bereitstellungs- und Finanzierungsverantwortung aufgrund der Charakterisierung als öffentliches Gut beim Staat anzusiedeln, die Finanzierung hat aus Steuermitteln zu erfolgen.

 

[1] Besucher dieser Liegenschaften können ja auch bspw. im Aufzug stecken bleiben, sich während eines Überfalls in einem Kaufhaus oder während der Entstehung eines Brandes in einem Kino befinden.

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Bei Leitstellen à la Fall 1 liegt neben der Bereitstellungs- und Finanzierungs-Verantwortung auch die der Herstellung üblicherweise in privaten Händen. Sind allerdings die Nutnießenden solcher Leitstellen staatliche Stellen (etwa ein durch eine aufgeschaltete Einbruchmeldeanlage geschütztes Ministerium), oder handelt es sich um Leitstellen à la Fall 2, so sind zwar staatliche Stellen in der Bereitstellungs- und Finanzierungsverantwortung. Jedoch stellt sich hier die Frage, ob auch die Herstellung (immer) durch staatliche Hersteller und Dienstleister erfolgen sollte.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Technik typischerweise durch private Hersteller produziert wird. Meldeanlagen sowie die Technik der Leitstellen werden von spezialisierten Firmen hergestellt. Die Dienstleistung – Betrieb der Leitstellen sowie Koordinierung und Disponierung der Einsatzkräfte – kann möglicherweise zumindest teilweise an private Dienstleister vergeben werden. Dies gilt aus unserer Sicht vor allem dann, wenn der Betrieb der technischen Anlagen speziell geschultes Personal verlangt, und eine besondere Nähe zum Produzenten der Technik notwendig ist.

Etwas anders ist die Situation, wenn bei der Tätigkeit in der Leitstelle hoheitliche Aufgaben des Staates im Kontext der Gefahrenabwehr berührt werden, oder typischerweise nur bei staatlichen Blaulichtorganisationen vorhandene Erfahrung mit bestimmten Einsatzsituationen[1] auch beim Leitstellenpersonal nötig ist. In diesem Fall erscheint aus unserer Sicht entweder eine rein staatliche Herstellung oder aber ein Kooperationsmodell ratsam, bei dem beispielsweise den Betrieb der Technik sowie die Notruf- und Meldungsannahme private Dienstleister wahrnehmen, während die Priorisierung der Einsätze, Entscheidungen zu Ressourceneinsatz und Abstimmung mit anderen gefahrenabwehrenden Stellen weisungsbefugte Staatsbedienstete übernehmen.

Bei den für eine Vergabe infrage kommenden Dienstleistungen könnten Kostenaspekte wie Transformations- und Transaktionskosten bei der Entscheidung bezüglich der Herstellungsverantwortung in diesem Fall eine Rolle spielen. Bedeutsamer erscheinen aus unserer Sicht allerdings Verfahrenspräferenzkosten. Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist.

Staatsbedienstete handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert.[2] Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Beim Betrieb der Leitstellen im Katastrophenschutz spielte die Wahrung des Neutralitätsgebots dann möglicherweise eine Rolle, wenn aus irgendwelchen Gründen diskriminierende Abarbeitung von Notrufen und Disponierung von Einsatzkräften zu erwarten sein könnte. Falls Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die eingesetzten Mitarbeiter unzulässig[3] (also bspw. auf Basis von Rasse, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft, Sprache, politischer Ansichten, Weltanschauung, Religion, Behinderung, Geschlecht, sexueller Ausrichtung, Vermögen, oder Alter) diskriminiert werden könnte, könnte dies für den Einsatz behördlichen Personals sprechen. Dies gilt, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.

Falls also beispielsweise eine Überflutung großräumig eine Vielzahl von Menschen und ihr Eigentum bedroht, muss ausgeschlossen sein, dass Einsatzpriorisierung und Kräfteeinsatz anstelle von sachlichen Erwägungen aufgrund von persönlichen Bekanntschaftsbeziehungen geleitet werden.

Probleme aus dem Bereich Marktversagen sind aus unserer Sicht bei der betrachteten Schutzleistung hingegen nicht zu erwarten.


[1] Auch das Personal privater Sicherheitsdienstleister verfügt in der Regel über viel Einsatzerfahrung – gemeint sind hier allerdings Einsatzlagen, die bspw. das Gewaltmonopol berühren oder sich auf mobile oder großräumige Lagen beziehen.

[2] Vgl. Grossekettler 1998, 11.

[3] Vgl. einschlägige Richtlinien der Europäischen Union zur Gleichbehandlung, beispielsweise 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/113/EG, und 2006/54/EG.

Quellen:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

2004/113/EG Gleichbehandlung von Frauen und Männern außerhalb des Beschäftigungsbereichs

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind bei der Schutzleistung „Vorhalten und Betrieb von Leitstellen“ im Falle der Aufschaltung von Meldeanlagen privater Kunden (Fall 1) auch in privater Verantwortung zu regeln, im Kontext von Gefahrenabwehr und Katastrophenschutz (Fall 2) dagegen in staatlicher.

Im ersten Fall hat auch die Herstellung privat zu erfolgen, allenfalls bei den Einsatz staatlicher Sicherheitsorgane erforderlich machenden Lagen (Einbrecher im Haus, Feuer usw.) ist eine Kooperation mit diesen in Form von Informationsweitergabe notwendig.

Im zweiten Fall hat die Herstellung mindestens unter direkter Mitwirkung staatlicher Kräfte bereits in der Leitstelle zu erfolgen. Teile der Herstellung wie Wartung und Betrieb der Technik sowie Annahme von eingehenden Notrufen und Meldungen können an private Dienstleister vergeben werden, insofern diese bei gleicher Qualität günstiger sind oder aber bei gegebenen Kosten eine höhere Qualität liefern können. Letzteres kann bspw. aufgrund der Ausstattung mit modernerer Leitstellentechnik sowie daran geschulten Kräften, die staatliche Stellen aufgrund eines nur temporären Bedarfs nicht selbst beschaffen bzw. beschäftigen möchten, der Fall sein. Wichtige Nebenbedingung dabei ist, dass Dienstleister aller Wahrscheinlichkeit nach auch in krisenhaften Situationen nicht diskriminierend (oder unzuverlässig[1]) arbeiten oder anderweitig die ihnen übertragene Verantwortung missbräuchlich ausnutzen könnten.

Bei Beteiligung privater Dienstleister an der Herstellung der Schutzleistung kommt es letztlich (bei der Bewertung der Kosten-Kriterien im volkswirtschaftlichen Sinne) auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen also die Rahmenumstände ebenso wie der politische Willensbildungsprozess besondere Rollen.

 

[1] Anm.: Durch Alarmübungen und Stresstests kann und muss ermittelt werden, ob private Dienstleister in Krisensituationen gut genug mit den für die Gefahrenabwehr zuständigen staatlichen Einsatzkräften kooperieren können.

Volkswirtschaftlich – Passagier- und Gepäckkontrolle

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“. Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für die Schutzleistung Passagier- und Gepäckkontrolle im Luftverkehr[1] erörtert.

 

[1] Anm.: In Deutschland gibt es bis dato keine vergleichbaren Kontrollen in anderen öffentlichen Verkehrsmitteln, wie etwa Hochgeschwindigkeitszügen. Zukünftig könnte sich das möglicherweise ändern, tatsächlich gibt es entsprechende Kontrollen bereits beispielswiese an den Eurostar-Zügen zwischen europäischem Festland und England.

Nutznießende dieser Schutzleistung sind in Bezug auf den Kontrolldienst die Fluggäste sowie die Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften, da Leben, Gesundheit der Fluggäste und des fliegenden Personals sowie das Eigentum (Flugzeuge, Markenwert) der Gesellschaften geschützt werden. Darüber hinaus kann auch die gesamte Gesellschaft als Nutznießer betrachtet werden, da insbesondere Terroranschläge im Flugverkehr Unbeteiligte direkt (etwa durch den bewussten Absturz in einen Büroturm, ein Kraftwerk etc.) oder wahrscheinlicher indirekt (psychologische Wirkung) betreffen können.

Die Schutzleistung umfasst die Kontrolle des Aufgabe- und Handgepäcks sowie der Fluggäste auf mitgeführte Gegenstände. Verhindert werden soll das an Bord bringen von laut Gesetz oder Richtlinien der Fluggesellschaft unzulässigen Gegenständen, in der Regel zwecks Erschwerung schwerwiegender Straftaten (Flugzeugentführung, Anschläge – etwa mit Waffen oder Sprengstoff) oder von Unfällen (Beschädigung des Flugzeugs – etwa durch brandgefährdende Stoffe). Die Schutzleistung wird mit einer Kombination aus Technologie (Sensorik) einerseits und Leibesvisitation bzw. Durchsuchung andererseits erbracht. Dabei handelt es sich in Deutschland um die Wahrnehmung einer hoheitlichen Aufgabe unter spezialgesetzlicher Regelung (s. § 5 Luftsicherheitsgesetz), die in der Praxis teilweise im Auftrage des Bundesinnenministeriums oder der Luftsicherheitsbehörden der Länder durch private „Beliehene“ (unter polizeilicher Dienst- und Fachaufsicht) durchgeführt werden.

Wir betrachten nun die Frage, ob es aus ordnungspolitischer Sicht bei solchen Passagier- und Gepäckkontrollen eine Rolle privater Unternehmen geben sollte, und was ggf. zu beachten wäre.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung von Passagier- und Gepäckkontrollen in einem Flughafen die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung?

Die Antwort auf diese Frage hängt von der der Knappheit eingesetzter Kräfte sowie vom Kreis der Nutznießer ab. Da mit der Durchführung der Kontrollen betraute Kräfte nicht gleichzeitig an anderen Orten dieser (oder einer anderen) Aufgabe nachgehen können, kann bei hohem Personalbedarf bei gegebener Anzahl an verwendbarem Personal Rivalität vorliegen. Da der räumliche Wirkungsbereich hier auftragsgebunden begrenzt ist (und sich auf einen Flughafen beschränkt) und das Aufgabenspektrum qualifiziertes Sicherheitspersonal erfordert, ist Personalknappheit – und damit die Bildung von Kapazitätsengpässen – wahrscheinlich. Streiken die Sicherheitskräfte gar, können die entsprechenden Flüge notwendigerweise nur verzögert oder gar nicht durchgeführt werden (insofern keine anderen – ggf. staatlichen  – Sicherheitskräfte vollumfänglich übernehmen).

Betrachtet man die Gesellschaft als Ganzes als Nutznießer, im Folgenden Sichtweise A genannt, so liegt keine Verwendungsrivalität vor. Auch innerhalb der Flugzeuge ist dies so (alle Passagiere profitieren gleichermaßen von der Schutzwirkung).

Ganz anders kann es da schon in der Abflughalle aussehen – wenn die Kontrollschleusen überlastet sind, kann der spät eintreffende Fluggast unter Umständen nicht mehr rechtzeitig vor Abflug kontrolliert werden und verpasst seinen Flug. Ebenso liegt Verwendungsrivalität bei Personalknappheit zwischen als Auftraggeber fungieren Behörden vor, da sie am Arbeitsmarkt um das private Sicherheitspersonal konkurrieren, das nach Anwerbung durch eine Gesellschaft damit anderen nicht mehr zur Verfügung steht. Die Betrachtung lediglich der am Flug direkt beteiligten Parteien als Nutznießer wird im Folgenden Sichtweise B genannt

Zusammenfassend kann aus unserer Sicht davon ausgegangen werden, dass Verwendungsrivalität aus gesamtgesellschaftlicher Sicht nicht vorliegt.

Aus Sicht des Betriebs auf einem Flughafen allerdings liegt Verwendungsrivalität sehr wohl vor, wenn ausreichend hoch qualifiziertes Personal knapp ist – was aus unserer Sicht dann der Fall ist, wenn nicht genügend Polizeikräfte zur Verfügung stehen oder die Schutzleistung privaten Dienstleistern übertragen wird.

Liegt also Verwendungsrivalität nicht vor – Sichtweise A, oder Sichtweise B ohne Personalknappheit –, können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Privates Gut und Allmende-Gut scheiden aus, es bleiben Öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.

Liegt dagegen Verwendungsrivalität vor – Sichtweise B –, können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Öffentliches Gut und Klubkollektivgut scheiden aus, es bleiben privates Gut und Allmende-Gut[1] zur Auswahl.

Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? Hier hängt es neben der Personalknappheits-Situation davon ab, wer als Nutznießer betrachtet wird.

Betrachtet man die Gesellschaft als Ganzes als Nutznießer, so kann (ähnlich wie bei Deichbau oder Landesverteidigung) niemand von der Nutzung der Schutzleistung ausgeschlossen werden – schließlich kann eine Bedrohung von Bürotürmen durch entführte Flugzeuge mittels vorbeugenden Kontrollmaßnahmen entweder gänzlich oder gar nicht verhindert werden – nicht aber selektiv nach dem Ort ihrer Lage oder der Zahlungsbereitschaft der Büromieter. Exkludierbarkeit liegt dann nicht vor.

Ein Flughafen wird entweder geschützt oder nicht (in diesem Fall können nach geltender Rechtslage keine gewerbsmäßigen Personenbeförderungen stattfinden). Betrachtet man die direkt am Flug beteiligten Parteien als Nutznießer (Sichtweise B), so gilt: Exkludierbarkeit auf einem geschützten Flughafen wäre unter Umständen denkbar: Die Fluggesellschaften können von der Flughafenbetreibergesellschaft ausgeschlossen werden, falls sie sich nicht an den Kosten der Kontrollen beteiligen wollen würden. Die Luftfahrtunternehmen müssen den Behörden die Passagierzahlen melden. Daraufhin erhalten diese von den Behörden (Bundespolizei oder Landesbehörden) Gebührenbescheide. Nach der Luftsicherheitsgebührenverordnung werden die Kosten für die Passagier- und Gepäckkontrollen durch die Fluggesellschaften bzw. Flugzeughalter getragen. Diese Gebühren legen diese dann üblicherweise über die Ticketpreise auf die Passagiere um. Und die (potenziellen) Fluggäste werden von der Nutzung ausgeschlossen, wenn sie nicht zur Zahlung des auf die Finanzierung der Schutzleistung entfallenden Anteils des Ticketpreises bereit wären. Die Fluggesellschaften hingegen können sich nicht gegenseitig und die Fluggäste können niemanden von der Nutzung ausschließen. Damit liegt bei derzeitiger Finanzierungs-Struktur (Exklusion über den Kaufpreis der Flugtickets) und Sichtweise B Exkludierbarkeit vor.

Liegt keine Exkludierbarkeit vor, weil die Gesellschaft als Ganzes als Nutznießer betrachtet wird (Sichtweise A), entfällt das Klubkollektivgut, und die Auswahl verengt sich auf das öffentliche Gut.

Betrachtet man nur die direkt am Flug beteiligten Parteien als Nutznießer (Sichtweise B) und nehmen wir damit das Kriterium der Exkludierbarkeit als gegeben an, sind zwei Fälle zu unterscheiden: Liegt keine Personalknappheit vor und damit weiterhin keine Verwendungsrivalität, handelt es sich um ein Klubkollektivgut. Liegt aber Personalknappheit vor, so wird die Schutzleistung ein privates Gut.

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, S. 8f).  

Als öffentliches Gut liegen sowohl die Bereitstellungs- als auch die Finanzierungsverantwortung der Schutzleistung Passagier- und Gepäckkontrolle im Luftverkehr beim Staat. Dagegen wäre sie als Klubgut und als privates Gut von den Flughafenbetreibergesellschaften bereitzustellen. In ersterem Falle wäre sie über Beiträge zu finanzieren, im zweiten Falle über Marktpreise. Beide Fälle führen letztlich zu einer Finanzierung durch die Fluggäste.

 

[1] Anm.: Als Allmende-Gut könnte man die Schutzleistung betrachten, falls man bei der Verwendungsrivalität nur die direkt am Flug beteiligten Parteien betrachtet und Personalknappheit vorliegt (konkret die Fluggäste in der Schlangen an der überlasteten Kontrolle), man aber bei Exkludierbarkeit dann wieder die Gesellschaft als Ganzes betrachtet.

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Bei Klubkollektiv- oder privaten Gütern sähen Ökonomen auch die Herstellung in ausschließlich privater Verantwortung. Bei der Passagier- und Gepäckkontrolle liegt die Herstellung oft in den Händen von seitens der Behörden (bspw. Bundespolizei) beauftragter privater Sicherheitsdienste unter Fachaufsicht und in Kooperation mit der Polizei. Was aber nun, wenn es sich um eine staatseigene oder gar staatliche Flughafenbetreibergesellschaft handelt – sollte die Herstellung der Schutzleistung dann in rein staatlicher Eigen-Ägide hergestellt werden oder sollte diese Dienstleistung an private Anbieter vergeben werden?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des kontrollierenden Personals. Für einfachere Tätigkeiten der Passagier- und Gepäckkontrolle wird ein mittleres Ausbildungs- und Qualifikationsniveau angemessen und ausreichend sein. Diese Aufgaben können vermutlich private und tendenziell günstigere Sicherheitskräfte mit bestätigter Zuverlässigkeit gut erfüllen können.[1]

Bei gravierenderen Zwischenfällen und einer hohen Bedrohungslage (etwa bedingt durch neue technische Möglichkeiten von Terroristen oder einer großen Zahl der Anschlagsversuche oder der Entwicklung ausgeklügelter Vorgehensweisen) werden ein relativ hoher Ausbildungs- und Qualifikationsstand des zu betrauenden Personals sowie besondere Einsatzmittel Voraussetzung für eine erfolgreiche Beherrschung der Situation sein. Hier sollten staatliche Kräfte die Aufgaben übernehmen. Da solche Lagen sich schnell und unerwartet entwickeln können, ist räumliche Nähe solcher Kräfte unabdingbar.

Das Erfordernis der Entlastung öffentlicher Kassen durch Kostenersparnis in Kombination mit krisenhafter Reaktionsfähigkeit prädestiniert die Schutzleistung für Kooperationsmodelle.

Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen. Es fallen für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn unterstützende oder direkte Aufgaben im Rahmen der Schutzleistung an Unternehmen vergeben werden. (Umgekehrt gilt dies ebenfalls in gewissem Umfang für beauftragte Unternehmen.[2]) Mutmaßlich sind die Transaktionskosten im Falle der Vergabe von Aufgaben im Bereich des Schutzes des Luftverkehrs nicht unerheblich, da aufgrund der Natur der Tätigkeit und der politischen Sensibilität auch für unterstützende Tätigkeiten die Posten Beaufsichtigung und Kontrolle nicht unterschätzt werden dürfen.

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, S. 11).

Dies könnte für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.

Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Bei der Fluggastkontrolle mit den derzeitigen technischen Möglichkeiten (wie etwa der berührungsfreien Passagierkontrolle mittels Körperscanner) spielt die Wahrung des Neutralitätsgebotes (der Polizei) zwar eine Rolle, ist aber weniger bedeutsam als früher (Notwendigkeit von Leibesvisitationen) oder bei anderen Schutzleistungen mit Machtmissbrauchspotenzial.

Die Gefahr einer Unterwanderung ggf. zu beauftragender privater Unternehmen durch organisierte Kriminalität – beispielsweise in den Bereichen Schmuggel oder Betäubungsmittelhandel – ist nicht von der Hand zu weisen. Es steht zu vermuten, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in gewisser Höhe in Kauf nimmt, um zumindest eine direkte Fachaufsicht und stichprobenartige Kontrollen der Arbeit privater Dienstleister durch behördliches Personal gewährleisten zu können. Letzteres wird in der Praxis bspw. durch das unangekündigte und verdeckte Testen des privaten Sicherheitspersonals durch Kräfte der Bundespolizei umgesetzt.

Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem infrage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt) oder asymmetrische Informationen sowie Wettbewerbsbeschränkungen. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Unterkunfts-Schutz hier in erster Linie principal agent- und möglicherweise adverse selection-Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen könnten. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Redlichkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit gibt.

Wettbewerbsbeschränkungen sind bei einer geringen Anzahl geeigneter Anbieter zwar denkbar, aber aus unserer Sicht nicht wahrscheinlich. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, S. 210) könnten eine Rolle spielen.

[1] Anm.: Anzumerken ist an dieser Stelle, dass es auch Tätigkeitsbereiche mit speziellem Anforderungsprofil gibt, die ein höheres Qualifikationsniveau sowie ständige Weiterbildung erfordern – etwa die Interpretation von Röntgenbildern. Diese in der Praxis ebenfalls oft von durch Unternehmen beschäftigten Luftsicherheitsassistenten wahrgenommene Tätigkeit kann nicht ohne Weiteres von Polizeibeamten oder anderen Staatsbediensteten – ohne eine entsprechend spezialisierte Zusatzausbildung – wahrgenommen werden.

[2] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.

Quellen:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind bei Passagier- und Gepäckkontrolle im Luftverkehr zwingend staatlich zu regeln, insofern man als Nutznießer die gesamte Gesellschaft und damit die Schutzleistung als öffentliches Gut betrachtet. Die Herstellung der Schutzleistung kann rein staatlich oder je nach Gewichtung der verschiedenen Kosten-Komponenten als Kooperationsmodell oder (unwahrscheinlicher) gänzlich privat gehandhabt werden. Ob hier Staat oder Markt effizientere Hersteller sind, hängt von der Summe und Gewichtung der Transformations- (Tendenz: Pro Staat für krisenhafte Reaktionen sowie für anspruchsvollere Aufgaben – abgesehen von solchen mit spezialisierter und nicht notwendigerweise in der Polizeiausbildung abgebildeter Aufgaben – , pro Private für einfachere Tätigkeiten sowie entsprechend spezialisierter Aufgaben), Transaktions- (Tendenz: Pro Staat) und Verfahrenspräferenzkosten (Tendenz: Moderat ausgeprägt pro Staat) ab.

Betrachtet man dagegen als Nutznießer ausschließlich die direkt am Flug beteiligten Parteien, so wären Bereitstellung und Finanzierung rein privatwirtschaftlich zu regeln. Bei der Herstellung trifft dies ebenfalls zu, insofern die Flughafenbetreibergesellschaft nicht in staatlicher Hand wäre. In letzterem Falle käme es wiederum auf die Gewichtung der verschiedenen Kosten-Komponenten (s.o.) an.

Beim der ordnungspolitischen Betrachtung der Schutzleistung Passagier- und Gepäckkontrolle im Luftverkehr spielen also die Rahmenumstände bzgl. Bedrohungslage, Verfügbarkeit sowie Qualität der privaten Anbieter der Schutzleistung ebenso wie der politische Willensbildungsprozess (insbesondere bezüglich Grundannahmen zur Definition der Nutznießer sowie von Verfahrenspräferenzkosten) besondere Rollen.

Volkswirtschaftlich – Schutz polizeilicher Liegenschaften

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“.

Abweichungen von regelbasierten Empfehlungen von Ökonomen zu Organisations- und Finanzierungsformen (vgl. Grossekettler 1998, 3) bestimmter Schutzleistungen sind in der Praxis keine Seltenheit, dafür müssen aber Effizienzverluste und damit einem kleineren Sozialprodukt „in Kauf genommen“ werden. Es kann ja durchaus wichtige Begründungen aus anderen Blickwinkeln – beispielsweise dem rechtlichen – geben, die für solche abweichenden Regelungen sprechen. Auch können in der besonderen Natur einer Schutzleistung liegende Gründe insbesondere die Beantwortung der Herstellungsfrage beeinflussen: Die Notwendigkeit krisenhafter Handlungsfähigkeit beispielsweise könnte erzwingen, dass volkswirtschaftliche Argumente ganz zurückstehen oder zumindest mit geringerem Gewicht in Vergabeentscheidungen einfließen.

 

Quelle: 

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für ein relativ junges Phänomen in der Sicherheitslandschaft erörtert: Wie ist das mit dem Schutz von Geländen und Gebäuden der Polizei durch private Sicherheitsdienste?

Die Schutzleistung „Schutz polizeilicher Liegenschaften“ lässt sich im Bereich polizeilichen Handelns nicht im Bereich Repression einordnen. Damit entfällt eine Zuordnung der entsprechenden Ausführung (Herstellung) der Tätigkeit auf Basis des Gewaltmonopols des Staates (vgl. Folkers & Weißgerber, 174). Eher handelt es sich um eine die Handlungsfähigkeit der Polizei sichernde „innerbetriebliche“ Tätigkeit, die man im weitesten Sinne der Prävention von Kriminalität zuordnen kann. Präventive Maßnahmen können grundsätzlich auch von privaten Akteuren wahrgenommen werden (ibid.). Tatsächlich könnte die Auffassung, dass ein Schutz der eigenen Liegenschaften nicht zu den Kernbereichen der Tätigkeit eines gut ausgebildeten Polizeibeamten gehöre, in Kombination mit Überlegungen zu alternativ möglichem und zweckdienlicherem Ressourceneinsatz und damit Senkung der Opportunitätskosten (vgl. Schmidtchen 2003, 2f.) bei angespannter Personallage, ein ökonomisches Argument für eine solche Privatisierung liefern.

Wir betrachten nun die Frage, ob es aus ordnungspolitischer Sicht beim Schutz polizeilicher Liegenschaften eine Rolle privater Unternehmen geben sollte, und was ggf. zu beachten wäre.

 

Quellen:

Folkers, C., & Weißgerber, J. (2008), Zur Ökonomie der Inneren Sicherheit. In Auf der Suche nach neuer Sicherheit (pp. 161-181). VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Schmidtchen, D. (2003), Sicherheit als Wirtschaftsgut (No. 2003-05). CSLE Discussion Paper.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Davon muss ausgegangen werden, da der Schutz polizeilicher Liegenschaften in der Regel erfordert, dass sich Sicherheitspersonal vor Ort befindet. Um ein Gelände bestreifen zu können und bei Zwischenfällen sehr zeitnah intervenieren zu können – wie es bei sensiblen Objekten wie polizeilichen Liegenschaften wohl unumgänglich ist – reicht eine Fernbeobachtung mittels Überwachungstechnik von einer für mehrere Liegenschaften zuständigen, aber entfernt gelegenen Überwachungszentrale nicht aus. Sicherheitspersonal, das auf einer polizeilichen Liegenschaft eingesetzt wird, kann also zeitgleich nicht auch anderswo die entsprechende Dienstleistung anbieten. Also können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen: Öffentliches Gut und Klubkollektivgut scheiden aus, es bleiben zur Auswahl privates Gut und Allmende-Gut.

Bezüglich der privatrechtlichen Exkludierbarkeit – also der Frage, ob der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen kann – kann gesagt werden, dass eine solche für den direkten Nutzen eindeutig vorliegt. Zwar mögen beispielsweise Zeugen, die gerade in einem Polizeirevier eine Aussage machen, ebenfalls vom Schutz der Liegenschaft profitieren – allerdings können nicht auch andere öffentliche oder private Liegenschaften „aufspringen“ und ebenfalls vom Schutz durch den Sicherheitsdienst profitieren. Auch kann sich nicht ein unbestimmt großer Teil der Bevölkerung im Revier einfinden, dort etwas Zeit verbringen und so vom Schutz nach außen profitieren. Eine andere Frage ist der indirekte Nutzen, der einem größeren Kreise beispielsweise dadurch entsteht, dass nicht mit Sicherheitsdiensten beschäftigte Polizeibeamte zusätzliche Funkwagenstreifen fahren können und damit außerhalb des Reviers für mehr Polizeipräsenz sorgen können.

Da neben Rivalität auch Exkludierbarkeit vorliegt, verengt sich die Guts-Auswahl auf eines: Der Schutz polizeilicher Liegenschaften aus ökonomischer Sicht ist ein privates (oder hier treffender: Individual-)Gut. Hier sieht Grossekettler eine privat organisierbare Marktfähigkeit, hält privatrechtliche Finanzierungsmittel für geeignet, und benennt Grenzkostenpreise als angemessene Bewertungsgrundlage.

Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sieht Grossekettler grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, 8f.).

Mit anderen Worten: Weder Bereitstellung noch Finanzierung der betrachteten Schutzleistung wären bei einem funktionsfähigen Markt nach dieser Kategorisierung durch den Staat zu verantworten. Allerdings treten hier zwei Besonderheiten hinzu:

Beim Schutz polizeilicher Liegenschaften geht es um eine Grundvoraussetzung der Einsatzbereitschaft der Polizei, die wiederum dem Schutz der Bürger und anderer Einwohner des Staates vor inneren Gefahren – insbesondere Kriminalität – und der Einhaltung der Rechtsordnung dient. Da dies eine der grundlegenden Aufgaben und Daseinsberechtigungen des modernen Staates darstellt, fällt auch die betrachtete nachgeordnete Schutzleistung in die Bereitstellungsverantwortung des Staates.

Und auch Finanzierung erfolgt aus Mitteln der öffentlichen Hand: Die Budgets der Polizei stammen direkt aus Steuermitteln. Daher ist trotz des hier nach dem Güterschema gebotenen Einsatzes privatrechtlicher Finanzierungsmittel der Fiskus gefordert: Schließlich tritt der Staat hier als Nachfrager der Schutzleistung auf. Allerdings ist nach obigem Schema ein Einkauf der Schutzleistung zu Marktpreisen (idealerweise Grenzkostenpreisen) möglich, es wäre also nicht zwingend eine Orientierung an der Besoldung Staatsbediensteter erforderlich.

 

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Wie sieht es nun mit der Herstellung aus – sollte der Staat das selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Sicherheitspersonals. Für einfache Tätigkeiten sollten hier private Sicherheitskräfte mit vergleichsweise zu ausgebildeten Polizeibeamten geringerer Qualifikation tendenziell günstiger sein. Transformationskosten fallen also vermutlich in geringerer Höhe an, wenn der Schutz an Unternehmen vergeben wird.

Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen – hier also in die Schutzleistung Schutz polizeilicher Liegenschaften. Such- und Informationsbeschaffungskosten (etwa bedingt durch Sichtung des Marktes und Bewertung potenzieller Anbieter sowie den Ausschreibungs-Aufwand), Anbahnungs-, Verhandlungs- und Vertragskosten (man denke an die Beauftragung von Unternehmensberatungen, Anwaltskanzleien, Notaren und Wirtschaftsprüfern), Abwicklungskosten und die möglicherweise zusätzlich anfallenden Kosten für die Beaufsichtigung und Kontrolle der erbrachten Schutzleistungen könnten hier ins Gewicht fallen. Es fallen also für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn der Schutz an Unternehmen vergeben wird.[1]

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, 11). Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwändigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Beobachten kann man das beispielsweise bei der Steuererhebung, bei über die Vergabe von Spenderorganen entscheidenden Ethikkommissionen, bei der Strafverfolgung, bei staatlichen Streitkräften (im Gegensatz zu Söldnerfirmen) usw. Betrachten wir nun den Schutz polizeilicher Liegenschaften, so spielen die Gefahr einer Unterwanderung durch organisierte Kriminalität sowie die Wahrung des Neutralitätsgebotes der Polizei eine möglicherweise entscheidende Rolle.

Beispielhaft sei hier ein Vorfall aus dem Juli 2017 in Berlin genannt: In einem bei einem illegalen Autorennen sichergestellten Audi A6 waren Goldspuren festgestellt worden, die dem spektakulären Goldmünzendiebstahl aus dem Bode-Museum im Frühjahr desselben Jahres zugeordnet wurden. In die Halle der Polizei in Schöneberg, in der der Wagen stand, wurde eingebrochen – um einen Schaum-Feuerlöscher in den Wagen zu entleeren. Dies war offenbar ein gezielter (aber erfolgloser) Versuch, Beweismittel zu vernichten. Die Tatverdächtigen werden dem arabischen Clan-Milieu zugerechnet, dass auch im Verdacht steht, gezielt Unterwanderungsversuche bei der Berliner Polizei zu verfolgen (auf entsprechende Hinweise wies Bodo Pfalzgraf von der Gewerkschaft der Polizei im ZDF Morgenmagazin hin – was der damalige Polizeipräsident Klaus Kandt in einer Sitzung des Berliner Innenausschusses am achten November 2017 laut einer Tageschaumeldung allerdings in Abrede stellte).

Ferner zitierte Spiegel Online 2019 einen vertraulichen Bericht des Bundeskriminalamts, in dem konkrete Anhaltspunkte für mögliche Beobachtung der Polizei durch Kriminelle angeführt werden. Im Spiegel-Artikel wird auf mehrere Fälle verwiesen, „in denen Angehörige der tschetschenischen Mafia Objektschutzaufträge für Polizeigebäude erhielten. Betroffen war unter anderem Gebäude, in denen Kräfte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) und eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) untergebracht waren. Hier bestehe die Gefahr, dass Verbrecher „aus nächster Nähe polizeitaktisches Vorgehen beobachten und Informationen aus sensiblen polizeilichen Bereichen erlangen können“, warnt das BKA.“ (Spiegel Online 2019).

Es steht zu vermuten, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in nicht unerheblicher Höhe in Kauf nehmen würde, um eine Vergabe des Schutzes polizeilicher Liegenschaften an Unternehmen zu vermeiden.

Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem in Frage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel räumliche Verdrängungs- und Verlagerungseffekte von Kriminalität), asymmetrische Informationen (Stichworte wären hier: principal agent, hidden action, hidden information, hidden characteristic und adverse selection) sowie Wettbewerbsbeschränkungen (Marktzutrittsbarrieren, Mengen- und Preisabsprachen usw.). Auch Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, 210) könnten eine Rolle spielen. Natürliche Monopole sind dagegen nicht zu erwarten. Aus unserer Sicht sind im Zusammenhang mit dem Schutz polizeilicher Liegenschaften hier in erster Linie principal agent – Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Bereitstellung sprechen. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt.

 

[1] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.

Quellen:

ARD (2017), „Berliner Polizei und die Clans – Einzelfälle oder gezielte Unterwanderung?“ http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/polizei-berlin-clans-101.html, 10.11.2017, abgerufen 24.04.2018 11:46.

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.

Spiegel Online (2019), „BKA warnt vor Tschetschenen-Mafia“, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/bka-warnt-vor-tschetschenen-mafia-a-1266338.html, 09.05.2019   07:52 Uhr, zuletzt abgerufen 09.05.2019 12:08.

ZDF (2017), „Berliner Polizeiakademie – Gewerkschaft: Clanmitglieder eingeschleust“.  https://www.zdf.de/nachrichten/heute/gdp-zu-berliner-polizeischule-100.html, 08.11.2017, abgerufen 24.04.2018 11:46.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur Schutzleistung Schutz polizeilicher Liegenschaften folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung liegt in der Verantwortung des Staates. Zwar ist hier Exkludierbarkeit gegeben, und es handelt sich sogar um ein sog. Individual- bzw. Privates Gut. Insofern sollte der Schutzguteigentümer hier selbst als Nachfrager auftreten. Allerdings liegt hier die Besonderheit vor, dass der Eigentümer des Schutzgutes der Staat selbst ist. Die Finanzierung ist vor diesem Hintergrund aus Steuermitteln zu bestreiten. Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind also zwingend Aufgaben des Staates.

Die Frage der Herstellung ist ohne weitere Informationen nicht so eindeutig zu beantworten. Ob hier Staat oder Markt effizientere Hersteller sind, hängt von der Summe und Gewichtung der Transformations- (Tendenz: Pro Markt), Transaktions- (Tendenz: Pro Staat) und Verfahrenspräferenzkosten (Tendenz: Vermutlich pro Staat) ab. Weiterhin kommt es viel auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen also die Rahmenumstände ebenso wie der politische Willensbildungsprozess besondere Rollen.

Es ist grundsätzlich durchaus vorstellbar, dass die Herstellung durch private Dienstleister vorgenommen wird. Sensibler Punkt ist dabei die Frage, inwieweit die polizeiliche Liegenschaft und die sensiblen Arbeitsvorgänge im Hause effektiv und zuverlässig geschützt werden. Nur wenn sowohl Effektivität als auch Zuverlässigkeit gegeben sind, lässt sich eine Herstellung durch (private) Dienstleister empfehlen. Umgekehrt ist auch kritisch vergleichend und unvoreingenommen zu prüfen, inwieweit Staatsbedienstete hier die Schutzleistung effektiv und zuverlässig erbringen (äquivalent bspw. zum Schutz militärischer Liegenschaften, welche in Einzelfällen bei besonders hohen Sicherheitsanforderungen weiterhin wie in zurückliegenden Jahrzehnten – damals bestand das Personal unter anderem aus Mannschaftsdienstgraden kurz nach der Sicherungs- und Wachausbildung –  durch Soldaten bewacht werden, vs. der ansonsten mittlerweile flächendeckenden Bewachung durch ziviles Wachpersonal).

An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine besonders sensible Schutzleistung in einem Kernbereich staatlichen Handelns dreht. Zweifel an der relativen Bedeutung ökonomischer Argumente im Vergleich zu anderen Aspekten sind nicht von der Hand zu weisen: Beispielsweise wies ein hochrangiger Polizeibeamter des Landes Brandenburg auf Nachteile von Kooperationen der Polizei mit privaten Dienstleistern im Zusammenhang mit krisenhafter Handlungsfähigkeit, Weisungsbindung und Streikrecht (das nur bedingt vertraglich eingeschränkt werden kann) hin.

Volkswirtschaftlich – Schutz von Flüchtlingsunterkünften

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“.

Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für eine Aufgabe erörtert, die im Zusammenhang mit zunehmendem Migrationsdruck seit Ende 2014 erheblich an Bedeutung gewonnen hat: Dem Schutz von Unterkünften von Flüchtlingen bzw. Geflüchteten.

Sollten aus ordnungspolitischer Sicht bei der Absicherung von Unterkünften für Zuwanderer (Asylsuchende, Geflüchtete, Armutsmigranten und andere; im Folgenden sprechen wir vereinfachend von Unterkünften) gegen Bedrohung von außen sowie bei der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Ordnung innerhalb private Unternehmen Aufgaben wahrnehmen? Falls ja, was wäre zu beachten? De facto sind private Unternehmen, wie allgemein bekannt ist, hier bereits seit Jahren in erheblichem Umfang tätig.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung  um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung des Objektschutz- und Ordnungsdienstes in einer Unterkunft die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung?

Innerhalb der einzelnen Unterkünfte ist dies sicherlich nicht der Fall, über mehrere Unterkünfte hinweg betrachtet allerdings sehr wohl. Die Antwort auf diese Frage hängt somit von der der Knappheit eingesetzter Kräfte ab. Da mit dem Schutz von Flüchtlingsunterkünften betraute Kräfte nicht gleichzeitig an anderen Orten dieser (oder einer anderen) Aufgabe nachgehen können, kann bei einer größeren Anzahl von Unterkünften bei gegebener Anzahl an verwendbarem Personal Rivalität vorliegen. Gibt es kein hohes Aufkommen, oder ohnehin Personal in ausreichender Anzahl, so liegt keine Rivalität vor. Je nach Fall können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen.

Ist die Zahl der zu betreuenden Unterkünfte bei gegebenem Personalkörper dagegen sehr hoch, scheiden öffentliches Gut und Klubkollektivgut aus, es bleiben zur Auswahl privates Gut und Allmende-Gut.

Hält sich das Migrationsaufkommen und damit die Zahl der zu betreuenden Unterkünfte dagegen im Rahmen, bleiben öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.

Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? Direkte Nutznießer dürften die Bewohner der Unterkünfte sein, da sie vor Bedrohung von außen (bspw. Angriffe durch Außenstehende, Brandstiftungsversuche u. Ä.) und außerdem vor Kriminalität innerhalb der Unterkunft (gewaltsamen Übergriffen, sexuellem Missbrauch, Diebstählen, Erpressung usw.) geschützt werden. Ausgeschlossen werden können von der Schutzleistung – wenn eine einheitliche Behandlung der Bewohner innerhalb einzelner Unterkünfte unterstellt wird – nur Nicht-Bewohner. Im Gegensatz etwa zu einem Tennisverein aber liegt die Entscheidung über die Aufnahme eines weiteren Bewohners nicht bei den bereits dort wohnenden Menschen (bzw. beim Tennisverein bei den Vereinsmitgliedern oder dem von ihnen bestimmten Entscheidungsgremium), und hängt auch nicht von der Zahlungsbereitschaft der Neuankömmlinge ab. Gibt es eine ausreichende Anzahl an Unterkünften, liegt keine Exkludierbarkeit vor.

Gehen wir von einer für die Gesamtzahl der potenziellen Bewohner ausreichenden Anzahl an Unterkünften aus. Folgerichtig haben wir es bei einer geregelteren Lage, in der bei gegebenem Personalkörper eine überschaubare Anzahl von Unterkünften betreut werden kann, beim Schutz von Flüchtlingsunterkünften mit einem öffentlichen Gut zu tun. Ist die Lage bezüglich personeller Ressourcen aufgrund der hohen Anzahl von Unterkünften angespannter, handelt es sich im ökonomischen Sinne um ein Allmendegut (auch genannt: Quasikollektivgut).

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

Sowohl bei Quasikollektivgütern als auch bei öffentlichen Gütern ist die Bereitstellungsverantwortung beim Staat anzusiedeln, da eine privat organisierbare Marktfähigkeit nicht vorhanden ist. Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (Vgl. Grossekettler 1998, S. 8f.).  

Bei der Finanzierung hängt es wieder vom Gutscharakter – also hier von Fallaufkommen bzw. der Ressourcenfrage – ab: Sind die Lage angespannt und die staatlichen Ressourcen besonders knapp, liegt also ein Quasikollektivgut vor, ist die nach Ansicht von Ökonomen empfehlenswerte Finanzierung hier[1] die Erhebung eines sogenannten regionalen oder gruppenweisen  Zwangsbeitrags (vgl. Grossekettler 1998, S. 9). Ist die Schutzleistung als öffentliches Gut zu betrachten, sollte sie über Steuern finanziert werden.

 

[1] Anm.: Hier heißt: Bei einem Zwangsverein (i.G.z. einem privaten Verein) als empfohlenem Bereitstellungsverband.

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Wie sieht es nun mit der Herstellung aus – sollte der Staat das selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Personals des Sicherheitsdienstes. Für einfachere Tätigkeiten wie Zugangskontrolle, deeskalierende und vermittelnde Gespräche und ähnliches wird ein einfaches bis mittleres Ausbildungs- und Qualifikationsniveau angemessen und ausreichend sein. Diese Aufgaben können vermutlich private und tendenziell günstigere Sicherheitskräfte mit bestätigter Zuverlässigkeit gut erfüllen. Bei gravierenderen Zwischenfällen wie etwa einem aufgebrachten und bedrohlich auftretenden Mob vor der Unterkunft, oder einem umfassenden Aufruhr innerhalb, werden ein relativ hoher Ausbildungs- und Qualifikationsstand des zu betrauenden Personals sowie besondere Einsatzmittel Voraussetzung für eine erfolgreiche Beherrschung der Situation sein. Hier sollten staatliche Kräfte die Aufgaben übernehmen. Da solche Lagen sich schnell und unerwartet entwickeln können, ist räumliche Nähe solcher Kräfte unabdingbar. Das Erfordernis der Entlastung öffentlicher Kassen durch Kostenersparnis in Kombination mit krisenhafter Reaktionsfähigkeit prädestiniert die Schutzleistung für Kooperationsmodelle.

Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen. Es fallen für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn unterstützende oder direkte Aufgaben im Rahmen der Schutzleistung an Unternehmen vergeben werden. (Umgekehrt gilt dies ebenfalls in gewissem Umfang für beauftragte Unternehmen.[1]) Mutmaßlich sind die Transaktionskosten im Falle der Vergabe von Aufgaben im Bereich des Schutzes von Flüchtlingsunterkünften nicht unerheblich, da aufgrund der Natur der Tätigkeit und der politischen Sensibilität auch für unterstützende Tätigkeiten die Posten Beaufsichtigung und Kontrolle nicht unterschätzt werden dürfen.

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, S. 11). Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Beim Schutz der Unterkünfte für Flüchtlinge spielt die Wahrung des Neutralitätsgebotes (der Polizei) eine wichtige Rolle.

Dies könnte für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.

Auch eine gewisse Gefahr einer Unterwanderung ggf. zu beauftragender privater Unternehmen durch organisierte Kriminalität – beispielsweise in den Bereichen Schleuserkriminalität oder Betäubungsmittelhandel – ist nicht von der Hand zu weisen. Dem kann mit einem funktionsfähigen und aktuell zu haltenden Bewacher-Register zumindest teilweise begegnet werden, indem im Zusammenwirken mit Kontrollen vor Ort durchführenden Stellen – bspw. dem Zoll – sichergestellt wird, dass ausschließlich durch Polizei und ggf. Verfassungsschutz geprüfte Mitarbeiter beschäftigt werden. Es steht zu vermuten, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in gewisser Höhe in Kauf nehmen würde, um zumindest eine direkte Fachaufsicht und mindestens stichprobenartige Kontrolle der Arbeit privater Dienstleister durch behördliches Personal gewährleisten zu können.

Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem infrage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel Auswirkungen auf Anwohner in räumlicher Nähe von Flüchtlingsunterkünften, die bei mangelhafter Durchsetzung der Hausordnungen innerhalb der Unterkünfte regelmäßig in ihrer Nachtruhe gestört werden könnten) oder asymmetrische Informationen sowie Wettbewerbsbeschränkungen. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Unterkunfts-Schutz hier in erster Linie principal agent– und möglicherweise adverse selection–Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen könnten. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Redlichkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit gibt. Wettbewerbsbeschränkungen sind schwerer denkbar, da es sich vermutlich um eine Vielzahl lokaler Märkte handeln wird und sich daher – ähnlich wie etwa bei Speditionen, Handwerkern oder Bäckern – eine große Zahl von Anbietern halten können wird. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, S. 210.) könnten eine Rolle spielen. 

 

[1] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.

Quellen:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind zwingend Aufgaben des Staates. Die Frage der Herstellung ist ohne weitere Informationen nicht so eindeutig zu beantworten, mindestens die Herstellung einfacherer Aufgaben aber (etwa der Zugangskontrolle) ist aus unserer Sicht gut an private Dienstleister zu vergeben, insofern eine behördliche Fachaufsicht und effektive Kontrolle gewährleistet werden kann.

Ob hier Staat oder Markt effizientere Hersteller sind, hängt von der Summe und Gewichtung der Transformations- (Tendenz: Pro Staat für anspruchsvollere Aufgaben und krisenhafte Reaktionen, deutlich pro Private für einfachere Tätigkeiten), Transaktions- (Tendenz: Pro Staat) und Verfahrenspräferenzkosten (Tendenz: Moderat ausgeprägt pro Staat) ab. Weiterhin kommt es bei den unterstützenden Tätigkeiten viel auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen also die Rahmenumstände ebenso wie der politische Willensbildungsprozess besondere Rollen.

An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich hier um eine sensible Schutzleistung handelt, da ein anständiger und respektvoller Umgang mit Bewohnern der Unterkünfte auch unter herausfordernden Bedingungen (hohe Belegungszahlen, räumliche Enge, emotional schwierige Situationen der Bewohner während laufender Aufenthaltsverfahren, Langeweile, demografische Zusammensetzung der Bewohnerschaft usw.) gewährleistet können werden muss. Ökonomischen Argumenten kommt im Vergleich zu anderen Aspekten möglicherweise ein geringeres Gewicht zu.

Volkswirtschaftlich – Schutz von KRITIS (Wasser- und Energieversorgung)

Beitrag merken und zu meinem Report hinzufügen

Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“.  Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für die Schutzleistung „Schutz von KRITIS (Wasser- und Energieversorgung)“ erörtert.

Hierunter wird der Schutz von Teilbereichen der sogenannten kritischen Infrastrukturen (KRITIS) verstanden, die der Versorgung der Bevölkerung sowie von privaten und staatlichen Institutionen mit Wasser oder Energie (inklusive von Kernkraftwerken, für deren Absicherung eine spezialgesetzliche Regelung gilt) dienen. Dies sind laut BMI (2009) „Organisationen und Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden“. Beides wird hier auch aufgrund der wechselseitigen Interdependenzen zwischen den Sektoren gemeinsam betrachtet. So ist beispielsweise die Wasserversorgung auf Stromversorgung angewiesen (vgl. BSI 2014), die Stromversorgung kann teilweise von Wasserkraft abhängig sein.

Die Schutzleistung lässt sich in zwei Bereiche einteilen: Einerseits geht es um physische Absicherung der Anlagen an neuralgischen Punkten (für Wasser bspw. das Pumpwerk und die Hauptversorgungsleitung – ein vollumfänglicher Schutz der gesamten Versorgungsnetzwerke ist prohibitiv teuer oder sachlich unmöglich) und ihres unbeeinträchtigten Betriebs (etwa gegen mutwillige Kontaminierung von Trinkwasserspeichern, oder gegen Sabotage an Kraftwerken). Andererseits treten seit Jahren und mit wachsender Relevanz digitale Schutzleistungen – „Cyberschutz“ – hinzu, die Manipulationen der Versorgung oder gar Beschädigungen der physischen Infrastruktur über Angriffe auf Software und Regelungssysteme verhindern oder hemmen sollen.

Direkte Nutznießende dieser Schutzleistung sind die Betreiber der Versorgungseinrichtungen. Indirekt profitieren zusätzlich alle von diesen versorgte Abnehmer von Wasser und Energie.

 

Quellen:

BMI [Bundesministerium des Innern] (2009), Nationale Strategie zum Schutz Kritischer Infrastrukturen (KRITIS-Strategie), online verfügbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/bevoelkerungsschutz/kritis.html

BSI [Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik] (2014), KRITIS-Sektorstudie. Ernährung und Wasser, online verfügbar unter http://www.kritis.bund.de/SharedDocs/Downloads/Kritis/DE/Sektorstudie_Ern%C3%A4hrung_Wasser.pdf?__blob=publicationFile

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also der Schutz von Wasser- und Energieversorgungseinrichtungen die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung?

Es darf davon ausgegangen werden, dass geeignetes Personal für die physischen Schutzaufgaben in ausreichender Anzahl am Arbeitsmarkt vorhanden ist.[1] Damit dürfte weder aus Sicht der direkten noch der indirekten Nutznießer Verwendungsrivalität vorliegen. Rivalität spielt also keine Rolle.

(Einzig im Bereich der Absicherung der sechs noch am Netz angeschlossenen Kernkraftwerke, für den besondere Anforderungen an Qualifikation und Sicherheitsüberprüfungen des Personals gelten, könnte es zu Knappheit des Personals und somit zu einem gewissen Maß an Rivalität kommen. Hier rivalisierten dann die direkten Nutznießer, also die aktuell vier verschiedenen Betreiber der sich im aktiven Betrieb befindlichen Kernkraftwerke, untereinander.)

Anders sieht die Lage im Bereich des digitalen Schutzes aus, da gutes Personal zunehmend nachgefragt wird, aber nicht in ausreichendem Maße von Ausbildungs- und Bildungseinrichtungen bereitgestellt wird. Hier liegt Verwendungsrivalität vor.

Also können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell für die beiden Fälle von vier auf jeweils zwei Gütertypen verengen:

Im Falle der physischen Absicherung von Wasser- und Energieversorgern ohne Kernkraftwerke (Fall 1) scheiden Privates und Allmende-Gut aus. Es bleiben zur Auswahl das Öffentliche Gut sowie das Klubkollektivgut.

Bei der Absicherung von Kernkraftwerken sowie allgemein des Cyberschutzes von Wasser- und Energieversorgung (Fall 2, im Folgenden „besondere Anforderungen“ genannt) scheiden Öffentliches und Klubkollektivgut aufgrund der Rivalität aus, es bleiben Privates und Allmende-Gut.

Bezüglich der privatrechtlichen Exkludierbarkeit – also der Frage, ob der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen kann – kann gesagt werden, dass eine solche für die direkten Nutznießer eindeutig vorliegt. Hat ein Versorger einen Vertrag mit einem Dienstleister bezüglich des Schutzes seiner Anlagen abgeschlossen, steht das Personal anderen Versorgern aus privatrechtlichen Gründen zumindest innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit nicht zur Verfügung. Hier verengt sich die Güterauswahl für Fall 1 auf das Klubkollektivgut, für Fall 2 auf das private Gut.

Anders sieht das bei den indirekten Nutznießern – den versorgten Abnehmern von Wasser oder Energie – aus. Hier kann privatrechtlich und auch praktisch niemand von der Schutzleistung ausgeschlossen werden (insofern ein Liefervertrag vorhanden ist, wovon hier ausgegangen wird). Alle belieferten Abnehmer profitieren gleichermaßen vom zentralen Schutz der Versorgungseinrichtung, es liegt keine Exkludierbarkeit vor. Hier hätten wir für Fall 1 das Öffentliche Gut, für Fall 2 der besonderen Anforderungen – möglicherweise etwas konstruiert – das Allmende-Gut.

Die Wahl der angemessenen Bereitstellungs- und Finanzierungs-Weise der Schutzleistung hängt von der Perspektive bzw. der Gewichtung der Belange direkter und indirekter Benutzer ab, und ist letztlich eine politische Entscheidung bzw. das Ergebnis eines gesellschaftlichen Aushandlungsprozesses.

Szenario A): Konzentriert man sich auf die direkten Nutzer, so haben diese im Fall 1 – physischer Schutz ohne besondere Anforderungen – aufgrund des Gutscharakters (Klubkollektivgut) aus unserer Sicht die Bereitstellungsverantwortung. Sie hätten fernerhin Beiträge (der hier dem Marktpreis auf dem Personalmarkt für Sicherheitskräfte entspricht) zu entrichten. Diese Beiträge werden dann auf die versorgten Endabnehmer umgelegt. Auch im Fall 2 – „besondere Anforderungen“ – wäre aufgrund des Gutscharakters (privates Gut) aus unserer Sicht eine marktwirtschaftliche Finanzierung (in der Praxis über die von den versorgten Endabnehmern zu zahlenden Gebühren) die angemessene Wahl.

Szenario B): Stellt man dagegen bei der Frage der Finanzierung den indirekten Nutzer in den Vordergrund – und beachtet, dass hier die Versorgungssicherheit im Fokus steht (nicht etwa die verbrauchten Einheiten von Wasser oder Energie, die aus Effizienzerwägungen unabhängig davon selbstverständlich über Marktpreise abgerechnet werden sollten), so kommen wir zu dem Schluss, dass die Finanzierung des Schutzes über Steuermittel der richtige Weg ist. Argumentiert man also maßgeblich mit dem Schutz der Bürger und anderer Einwohner des Staates vor inneren Gefahren – insbesondere  vor Kriminalität und feindlicher Einwirkung – dann steht eine der grundlegenden Aufgaben und Daseinsberechtigungen des modernen Staates im Fokus. Entsprechend fiele dann auch die betrachtete Schutzleistung in die Bereitstellungsverantwortung des Staates.

 

[1] Anm.: Dies könnte sich allerdings ändern, wenn die gesetzlichen Anforderungen an das einzusetzende Personal angehoben würden, beispielsweise über aufwändigere Sicherheitsüberprüfungen. Auch das eingeführte Bewacherregister sorgt derzeit noch für Schwierigkeiten für Bewachungsunternehmen (ZEIT online, 2019), zeitgerecht Personal in ausreichender Anzahl bereitzustellen.

Quelle:

ZEIT online (2019), Alles andere als bewacht. 21. August 2019, 18:00 Uhr, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-08/innere-sicherheit-bewacherregister-private-wachdienste-sicherheitsdienst-transparenz, zuletzt abgerufen 12.11.2019.

Wie sieht es nun mit der Herstellung aus? Im Szenario A) ist ersichtlich, dass neben der Bereitstellung auch die Herstellung der Schutzleistung durch die Versorger selbst als direkte Nutznießer vorgenommen werden sollte, bzw. sie privatwirtschaftliche Dienstleister damit beauftragen sollten.

Weniger eindeutig ist die beste Wahl im Szenario B), wenn also dem Staat zumindest die Bereitstellungsverantwortung zufällt – sollte der Staat auch die Herstellung des Schutzes selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschiedene Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Sicherheitspersonals. Für einfache Tätigkeiten (Fall 1) sollten hier private Sicherheitskräfte beispielsweise im Vergleich zu ausgebildeten staatlichen Sicherheitskräften (etwa Polizeibeamten) tendenziell günstiger sein, zumal diese für derartige Schutzaufgaben überqualifiziert und zahlenmäßig zu knapp sind. Transformationskosten fallen also vermutlich in geringerer Höhe an, wenn der Schutz an Unternehmen vergeben wird. (Für Fall 2 mit seinen komplexeren Anforderungen stellt sich allerdings zumindest der Personalkostenaspekt weniger eindeutig dar.[1] )

Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen – hier also in die Schutzleistung Schutz der Versorgungseinrichtungen. Such- und Informationsbeschaffungskosten (etwa bedingt durch Sichtung des Marktes und Bewertung potenzieller Anbieter sowie den Ausschreibungs-Aufwand), Anbahnungs-, Verhandlungs- und Vertragskosten (man denke an die Beauftragung von Unternehmensberatungen, Anwaltskanzleien, Notaren und Wirtschaftsprüfern), Abwicklungskosten und die möglicherweise zusätzlich anfallenden Kosten für die Beaufsichtigung und Kontrolle der erbrachten Schutzleistungen könnten hier ins Gewicht fallen. Es fallen also für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn der Schutz an Unternehmen vergeben wird.[2]

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Polizeibeamte (und andere staatliche Sicherheitskräfte) handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, 11).

Dies könnte für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.

Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage.[3] Betrachten wir nun den Schutz besonders kritischer Versorgungseinrichtungen, so spielen die Gefahr einer Unterwanderung durch aggressive Kräfte (feindliche Staaten, Terroristen, organisierte Kriminalität) eine möglicherweise entscheidende Rolle. Es steht zu vermuten, dass ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in Kauf nehmen würde, um eine Vergabe des Schutzes beispielsweise von Kernkraftwerken an Unternehmen zu vermeiden bzw. diese Schutzleistung dem Staat zu übertragen.

Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem infrage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel räumliche Verdrängungs- und Verlagerungseffekte von Kriminalität), asymmetrische Informationen (Stichworte wären hier: principal agent, hidden action, hidden information, hidden characteristic und adverse selection) sowie Wettbewerbsbeschränkungen (Marktzutrittsbarrieren, Mengen- und Preisabsprachen usw.). Auch Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, 210) könnten eine Rolle spielen. Natürliche Monopole sind dagegen nicht zu erwarten. Aus unserer Sicht sind im Zusammenhang mit dem Schutz der Infrastruktur der Wasser- und Energieversorgung hier in erster Linie principal agent-Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Bereitstellung sprechen. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt.

 

[1] Anm.: Im Bereich des Cyber-Schutzes dürfte der Staat jedoch aktuell gar nicht über eine ausreichende Anzahl von eigenen hochqualifizierten Bediensteten verfügen, um den Schutz auch nur der bedeutendsten Wasser- und Energieversorgungseinrichtungen in eigener Ägide dezentral und vollumfänglich gewährleisten zu wollen. Das spricht derzeit für eine Herstellung durch private Dienstleister.

[2] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.

[3] Anm.: Beobachten kann man das beispielsweise bei der Steuererhebung, bei über die Vergabe von Spenderorganen entscheidenden Ethikkommissionen, bei der Strafverfolgung, bei staatlichen Streitkräften (im Gegensatz zu Söldnerfirmen) usw.

Quellen:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zu Schutz von Infrastruktur der Wasser- oder Energieversorgung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind je nach eingenommener Perspektive entweder rein privatwirtschaftliche (Szenario A) oder mindestens teilweise staatliche Aufgabe (Szenario B). Für ersteres ist dann auch die Herstellung privatwirtschaftlich zu organisieren. Lediglich bei Szenario B) ist die Frage der Herstellung ohne weitere Informationen nicht so eindeutig zu beantworten. Ob hier Staat oder Markt effizientere Hersteller sind, hängt von der Summe und Gewichtung der Transformations- (Tendenz: Pro Markt), Transaktions- (Tendenz: vermutlich pro Staat) und Verfahrenspräferenzkosten (Tendenz: Vermutlich pro Staat) ab. Weiterhin kommt viel auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen also die Rahmenumstände ebenso wie der politische Willensbildungsprozess besondere Rollen.