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Grundsätzlich obliegt die Entscheidung darüber, in welcher staatlichen oder privaten Organisationsform Schutzleistungen erbracht werden sollen, dem politisch-demokratischen Prozess, wobei (verfassungs-)rechtliche Vorgaben den grundlegenden Rahmen setzen. Die Politik- und Verwaltungswissenschaft kann diesbezüglich keine aktiv-gestaltende Rolle einnehmen, sie kann jedoch als Reflexionsinstanz zur Klärung möglicher Entscheidungskriterien beitragen. Dazu wird ein Entscheidungsrahmen eingeführt, der sowohl effektivitäts-, effizienz-, als auch legitimitätsbezogene Zielgrößen berücksichtigt. In diesem Rahmen wird auf drei Einzelkriterien Bezug genommen: (1) Strategische Relevanz, (2) Spezifität, (3) Legitimität.

Das Kriterium der strategischen Relevanz berücksichtigt die Bedeutung einer Aufgabe für die Erreichung politisch gesetzter Ziele. Insbesondere bei strategisch relevanten Aufgaben muss garantiert sein, dass deren Erbringung gewährleistet und durch den Staat kontrollierbar ist. Damit steht die Steuer- und Regulierbarkeit der Schutzleistung auf dem Prüfstand.

Der Schutz öffentlicher Einrichtungen bzw. Institutionen – dies schließt polizeiliche Liegenschaften ein – ist Voraussetzung für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Organe und Grundordnung. Als anerkanntes Teilschutzgut öffentlicher Sicherheit handelt es dabei um eine Kernaufgabe der Polizeibehörden (vgl. u. a. Nolte 2016, 352ff.). Somit ist dieser Schutzleistung im Allgemeinen eine hohe strategische Bedeutung beizumessen. Zugleich ist für den Schutz polizeilicher Liegenschaften ein hohes Gefährdungspotenzial der Aufgabenwahrnehmung anzunehmen, was insbesondere auf die Symbolträchtigkeit von Einrichtungen der Polizei zurückzuführen ist. Als Inbegriff des staatlichen Gewaltmonopols stellen diese ein attraktives Ziel für Gewalthandlungen unterschiedlichster extremistischer bzw. terroristischer Gruppierungen dar.

Aus der hohen strategischen Relevanz der Schutzleistung resultieren zugleich große Kontrollpflichten: Der Staat ist durch ein Geflecht von Normen, Organen und Verfahren bestrebt, die staatlichen Behörden selbst an die Einhaltung des Rechts zu binden. Sofern die Aufgabe des Wachschutzes bei der Polizei selbst liegt, kann dementsprechend auf die allgemeine Frage der Legitimationskette der Polizeibehörden zurückgeschaltet werden. Polizeiliches Handeln ist formell einer rechtlichen Überprüfbarkeit und unabhängigen Kontrolle unterworfen, die bis zur Bestellung und Abordnung von Amtsträgern reicht – allen praktischen Kontrolldefiziten zum Trotz (vgl. u. a. Lange/Schenck 2004, 114ff.). Bei einer privaten Herstellung durch private Dienstleister ist dies nicht unmittelbar der Fall, sondern dies hängt mindestens von der konkreten Auftragsvergabe und Vertragsgestaltung ab. Weil der Schutz von Polizeidienststellen jedoch nicht mit einer Übertragung hoheitlicher Rechte (Beleihung) einhergeht, sondern sich im Rahmen von Verwaltungshilfe vollzieht, gelten hier abgeminderte Maßstäbe an die demokratische Kontrolle und Legitimationspflicht. Schließlich kommen den privaten Sicherheitsdiensten in diesem Fall keinerlei eigene Hoheitsbefugnisse zuteil und sie unterliegen strikt den Weisungen der auftraggebenden Behörden. Sofern es jedoch unterlassen wird, den Dienstleister nach strengen Kriterien auszusuchen und seine Aktivitäten laufend auf deren Vertragsgemäßheit zu überprüfen, kann aus der Übertragung des Schutzes ein Kontrollproblem erwachsen.

Quellen: 

Lange, H.-J. & Schenck, J.C. (2004). Polizei im kooperativen Staat. Wiesbaden: Springer VS.

Nolte, J. (2017). Zivile Sicherheit und Schutz staatlicher Funktionen. In C. Gusy, D. Kugelmann & T. Würtenberger (Hrsg.), Rechtshandbuch Zivile Sicherheit (S. 351-366). Berlin, Heidelberg: Springer VS.

Mit dem Prüfkriterium der Spezifität wird ein Maß für die Einzigartigkeit des mit einer Aufgabenerfüllung verbundenen Mitteleinsatzes eingeführt. Dies setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die den Einsatz spezialisierter Technologien oder Anlagen, spezifische Ausstattungen, Qualifikationen, Verfahrensregeln und Kompetenzen betreffen und als Auslagerungshürden gelten.

Der Schutz polizeilicher Liegenschaften umfasst als Schutzleistung ein vergleichsweise enges und einfaches Tätigkeitsportfolio, das sich im Wesentlichen aus Objektschutz- und Pförtnerdiensten zusammensetzt. Es handelt sich um eine präventive Schutzmaßnahme, die kein sehr hohes Qualifikationsniveau voraussetzt und damit dem Ausbildungsstand eines mehrjährig ausgebildeten Polizeibeamten nicht gerecht wird. Darüber hinaus sind zur Ausübung dieser Tätigkeit weder hoheitliche Befugnisse noch sonstige spezialisierte Technologien vonnöten. Sofern private Sicherheitsdienstleistungsunternehmen von der öffentlichen Hand mit dem Shcutz polizeilicher Liegenschaften beauftragt werden, müssen ihnen daher auch keine über die Jedermannsrechte hinausgehende Befugnisse eingeräumt werden. Die Mitarbeiter verfügen lediglich über die allgemeinen Bürgerrechte (z. B. Notwehr nach § 32 StGB; Vorläufige Festnahme nach § 127 I StPO) sowie über die vom Auftraggeber übertragenen Selbsthilfe- bzw. Hausrechte.

Auch wenn der Aufgabenumfang nach Auftrag variiert – in Rheinland-Pfalz unterstützen Private beispielsweise bei der Sicherung des gesamten Unterkunftsbereiches, der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung innerhalb der Einrichtungen, der Kontrolle des Personen- und Kraftfahrzeugsverkehrs (vgl. Landtag Rheinland-Pfalz 2012), während andernorts den Privaten deutlich weniger Aufgaben übertragen werden – ist für die Schutzleistung eine vergleichsweise geringe Spezifität kennzeichnend. Die geringe Spezifität eröffnet grundsätzlich einen Spielraum für eine Auslagerung der Schutzleistung an private Dienstleister, der in Anbetracht der angespannten Personallage der Polizeibehörden auch vermehrt ausgenutzt wird.

Quelle: 

Landtag Rheinland-Pfalz (2012). Pförtnerdienste bei den Liegenschaften der Bereitschaftspolizei Rheinland-Pfalz. Drucksache 16/1182. Abgerufen am 14.082.019 von http://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/drucksachen/1182-16.pdf.

Mit dem Prüfkriterium der Legitimität wird der politikwissenschaftlichen Einsicht Rechnung getragen, dass staatliches Handeln und Entscheiden nicht allein an den Maßstäben von Effektivität und Effizienz bemessen werden sollte, sondern auch an der faktischen Akzeptanz, die es durch die verschiedenen Anspruchsgruppen erfährt.

Daran, dass heute vielfach auch private Sicherheitsdienstleister von staatlichen Einrichtungen zur Eigensicherung eingesetzt werden und öffentliche Behörden und deren Liegenschaften schützen, wird in der öffentlichen Debatte nur noch selten Anstoß genommen. Es ist zu vermuten, dass diesbezüglich ein schleichender Gewöhnungseffekt eingesetzt hat. Einerseits lässt sich der Fall des Schutzes polizeilicher Liegenschaften durch private Sicherheitsdienste unter diesen allgemeinen Fall des Schutzes staatlicher Institutionen durch die private Sicherheitswirtschaft subsummieren. Andererseits fällt bei einer Betrachtung der medialen öffentlichen Berichterstattung auf, dass dieser spezifische Fall privater Schutzleistung – analog zum Fall des Schutzes militärischer Liegenschaften – vergleichsweise kritisch beäugt wird und in besonderem Maße legitimationsbedürftig scheint.

Die Eigensicherung der Polizei durch private Dienstleister ist fortlaufend Anlass für mediale Skandalisierungen, die diesen Fall gewissermaßen als „Bankrotterklärung“ der staatlichen Sicherheitsorgane einstufen und als besonders „absurden“ Auswuchs von Privatisierung charakterisieren (siehe u. a. Schupelius, 28. Februar 2018; Hofmann, 16. Januar 2018). Dafür, dass gerade diejenigen Staatsorgane, deren originäre Funktion es ist, den Staat im Inneren und Äußeren zu schützen, selbst auf die Schutzleistungen privater Sicherheitsdienste zurückgreifen, ist von Seiten der Öffentlichkeit gegenwärtig nur ein geringer Grad an Akzeptanz zu erwarten. Es bleibt abzuwarten, ob der Verweis auf den Aspekt der Kosteneffizienz bzw. des Personalmangels an dieser Stelle nachhaltig überzeugt, wenn gleichzeitig in der Berichterstattung beständig auf „Dumpingpreise“ für Objektschutz- und Pförtnerdienste hingewiesen wird (Hofmann, 16. Januar 2018), die – so die Schlussfolgerung – mangelnde Qualität nach sich ziehen. 

Wenngleich private Sicherheitsdienstleister zunehmend polizeiliche Liegenschaften schützen, scheint es unverändert die Erwartungshaltung zu sein, dass polizeiliche Kräfte über die Gewährleistungsverantwortung hinaus eigenständig an der Herstellung dieser Schutzleistung mitwirken. Während es für die Polizei mit Blick auf die Außenwirkung insofern einen Imageverlust bedeuten kann, auf private Dienste zurückzugreifen, liegt darin gleichwohl für die Sicherheitsdienstleister die günstige Gelegenheit, das Image eines verlässlichen, professionellen Partners der Polizei zu gewinnen.

Quellen: 

Hofmann, L. 16. (Januar 2008). Private Wachleute schützen Polizei – zu Dumpingpreisen. Abgerufen am 19.04.2018 von https://www.tagesspiegel.de/berlin/verguetung-private-wachleute-schuetzen-polizei-zu-dumpingpreisen/1141882.html.

Schupelius, G. (28. Februar 2018). Die Polizei darf ihre Gebäude nicht selbst bewachen – das ist lächerlich. Abgerufen am 19.04.2018 von https://www.bz-berlin.de/berlin/kolumne/die-polizei-darf-ihre-gebaeude-nicht-selbst-bewachen-das-ist-laecherlich

Beim Schutz polizeilicher Liegenschaften handelt es sich um eine Schutzleistung von vergleichsweise hoher strategischer Relevanz und überwiegend geringer Spezifität. In Anbetracht dessen muss die Gewährleistungsverantwortung zwar zwingend in staatlicher Hand verbleiben. Hinsichtlich der Erfüllungsverantwortung ergeben sich jedoch weitreichende Mitwirkungspotenziale privater Sicherheitsdienste. Diesbezüglich ist jedoch zu bedenken, dass deren Einsatz zum Schutz polizeilicher Liegenschaften in besonderem Maße legitimitätsbedürftig ist.