Wie sieht es nun mit der Herstellung aus – sollte der Staat das selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?
Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.
Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Personals des Sicherheitsdienstes. Für einfachere Tätigkeiten wie Zugangskontrolle, deeskalierende und vermittelnde Gespräche und ähnliches wird ein einfaches bis mittleres Ausbildungs- und Qualifikationsniveau angemessen und ausreichend sein. Diese Aufgaben können vermutlich private und tendenziell günstigere Sicherheitskräfte mit bestätigter Zuverlässigkeit gut erfüllen. Bei gravierenderen Zwischenfällen wie etwa einem aufgebrachten und bedrohlich auftretenden Mob vor der Unterkunft, oder einem umfassenden Aufruhr innerhalb, werden ein relativ hoher Ausbildungs- und Qualifikationsstand des zu betrauenden Personals sowie besondere Einsatzmittel Voraussetzung für eine erfolgreiche Beherrschung der Situation sein. Hier sollten staatliche Kräfte die Aufgaben übernehmen. Da solche Lagen sich schnell und unerwartet entwickeln können, ist räumliche Nähe solcher Kräfte unabdingbar. Das Erfordernis der Entlastung öffentlicher Kassen durch Kostenersparnis in Kombination mit krisenhafter Reaktionsfähigkeit prädestiniert die Schutzleistung für Kooperationsmodelle.
Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen. Es fallen für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn unterstützende oder direkte Aufgaben im Rahmen der Schutzleistung an Unternehmen vergeben werden. (Umgekehrt gilt dies ebenfalls in gewissem Umfang für beauftragte Unternehmen.[1]) Mutmaßlich sind die Transaktionskosten im Falle der Vergabe von Aufgaben im Bereich des Schutzes von Flüchtlingsunterkünften nicht unerheblich, da aufgrund der Natur der Tätigkeit und der politischen Sensibilität auch für unterstützende Tätigkeiten die Posten Beaufsichtigung und Kontrolle nicht unterschätzt werden dürfen.
Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, S. 11). Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Beim Schutz der Unterkünfte für Flüchtlinge spielt die Wahrung des Neutralitätsgebotes (der Polizei) eine wichtige Rolle.
Dies könnte für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.
Auch eine gewisse Gefahr einer Unterwanderung ggf. zu beauftragender privater Unternehmen durch organisierte Kriminalität – beispielsweise in den Bereichen Schleuserkriminalität oder Betäubungsmittelhandel – ist nicht von der Hand zu weisen. Dem kann mit einem funktionsfähigen und aktuell zu haltenden Bewacher-Register zumindest teilweise begegnet werden, indem im Zusammenwirken mit Kontrollen vor Ort durchführenden Stellen – bspw. dem Zoll – sichergestellt wird, dass ausschließlich durch Polizei und ggf. Verfassungsschutz geprüfte Mitarbeiter beschäftigt werden. Es steht zu vermuten, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in gewisser Höhe in Kauf nehmen würde, um zumindest eine direkte Fachaufsicht und mindestens stichprobenartige Kontrolle der Arbeit privater Dienstleister durch behördliches Personal gewährleisten zu können.
Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem infrage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel Auswirkungen auf Anwohner in räumlicher Nähe von Flüchtlingsunterkünften, die bei mangelhafter Durchsetzung der Hausordnungen innerhalb der Unterkünfte regelmäßig in ihrer Nachtruhe gestört werden könnten) oder asymmetrische Informationen sowie Wettbewerbsbeschränkungen. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Unterkunfts-Schutz hier in erster Linie principal agent– und möglicherweise adverse selection–Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen könnten. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Redlichkeit, Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit gibt. Wettbewerbsbeschränkungen sind schwerer denkbar, da es sich vermutlich um eine Vielzahl lokaler Märkte handeln wird und sich daher – ähnlich wie etwa bei Speditionen, Handwerkern oder Bäckern – eine große Zahl von Anbietern halten können wird. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, S. 210.) könnten eine Rolle spielen.
[1] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.
Quellen:
Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.
Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.