Wie sieht es nun mit der Herstellung aus – sollte der Staat das selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?
Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.
Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Sicherheitspersonals. Für einfache Tätigkeiten sollten hier private Sicherheitskräfte mit vergleichsweise zu ausgebildeten Polizeibeamten geringerer Qualifikation tendenziell günstiger sein. Transformationskosten fallen also vermutlich in geringerer Höhe an, wenn der Schutz an Unternehmen vergeben wird.
Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen – hier also in die Schutzleistung Schutz polizeilicher Liegenschaften. Such- und Informationsbeschaffungskosten (etwa bedingt durch Sichtung des Marktes und Bewertung potenzieller Anbieter sowie den Ausschreibungs-Aufwand), Anbahnungs-, Verhandlungs- und Vertragskosten (man denke an die Beauftragung von Unternehmensberatungen, Anwaltskanzleien, Notaren und Wirtschaftsprüfern), Abwicklungskosten und die möglicherweise zusätzlich anfallenden Kosten für die Beaufsichtigung und Kontrolle der erbrachten Schutzleistungen könnten hier ins Gewicht fallen. Es fallen also für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn der Schutz an Unternehmen vergeben wird.[1]
Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, 11). Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwändigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Beobachten kann man das beispielsweise bei der Steuererhebung, bei über die Vergabe von Spenderorganen entscheidenden Ethikkommissionen, bei der Strafverfolgung, bei staatlichen Streitkräften (im Gegensatz zu Söldnerfirmen) usw. Betrachten wir nun den Schutz polizeilicher Liegenschaften, so spielen die Gefahr einer Unterwanderung durch organisierte Kriminalität sowie die Wahrung des Neutralitätsgebotes der Polizei eine möglicherweise entscheidende Rolle.
Beispielhaft sei hier ein Vorfall aus dem Juli 2017 in Berlin genannt: In einem bei einem illegalen Autorennen sichergestellten Audi A6 waren Goldspuren festgestellt worden, die dem spektakulären Goldmünzendiebstahl aus dem Bode-Museum im Frühjahr desselben Jahres zugeordnet wurden. In die Halle der Polizei in Schöneberg, in der der Wagen stand, wurde eingebrochen – um einen Schaum-Feuerlöscher in den Wagen zu entleeren. Dies war offenbar ein gezielter (aber erfolgloser) Versuch, Beweismittel zu vernichten. Die Tatverdächtigen werden dem arabischen Clan-Milieu zugerechnet, dass auch im Verdacht steht, gezielt Unterwanderungsversuche bei der Berliner Polizei zu verfolgen (auf entsprechende Hinweise wies Bodo Pfalzgraf von der Gewerkschaft der Polizei im ZDF Morgenmagazin hin – was der damalige Polizeipräsident Klaus Kandt in einer Sitzung des Berliner Innenausschusses am achten November 2017 laut einer Tageschaumeldung allerdings in Abrede stellte).
Ferner zitierte Spiegel Online 2019 einen vertraulichen Bericht des Bundeskriminalamts, in dem konkrete Anhaltspunkte für mögliche Beobachtung der Polizei durch Kriminelle angeführt werden. Im Spiegel-Artikel wird auf mehrere Fälle verwiesen, „in denen Angehörige der tschetschenischen Mafia Objektschutzaufträge für Polizeigebäude erhielten. Betroffen war unter anderem Gebäude, in denen Kräfte eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) und eines Mobilen Einsatzkommandos (MEK) untergebracht waren. Hier bestehe die Gefahr, dass Verbrecher „aus nächster Nähe polizeitaktisches Vorgehen beobachten und Informationen aus sensiblen polizeilichen Bereichen erlangen können“, warnt das BKA.“ (Spiegel Online 2019).
Es steht zu vermuten, dass eine Mehrheit der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in nicht unerheblicher Höhe in Kauf nehmen würde, um eine Vergabe des Schutzes polizeilicher Liegenschaften an Unternehmen zu vermeiden.
Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem in Frage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel räumliche Verdrängungs- und Verlagerungseffekte von Kriminalität), asymmetrische Informationen (Stichworte wären hier: principal agent, hidden action, hidden information, hidden characteristic und adverse selection) sowie Wettbewerbsbeschränkungen (Marktzutrittsbarrieren, Mengen- und Preisabsprachen usw.). Auch Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, 210) könnten eine Rolle spielen. Natürliche Monopole sind dagegen nicht zu erwarten. Aus unserer Sicht sind im Zusammenhang mit dem Schutz polizeilicher Liegenschaften hier in erster Linie principal agent – Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Bereitstellung sprechen. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt.
[1] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.
Quellen:
ARD (2017), „Berliner Polizei und die Clans – Einzelfälle oder gezielte Unterwanderung?“ http://faktenfinder.tagesschau.de/inland/polizei-berlin-clans-101.html, 10.11.2017, abgerufen 24.04.2018 11:46.
Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.
Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.
Spiegel Online (2019), „BKA warnt vor Tschetschenen-Mafia“, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/bka-warnt-vor-tschetschenen-mafia-a-1266338.html, 09.05.2019 07:52 Uhr, zuletzt abgerufen 09.05.2019 12:08.
ZDF (2017), „Berliner Polizeiakademie – Gewerkschaft: Clanmitglieder eingeschleust“. https://www.zdf.de/nachrichten/heute/gdp-zu-berliner-polizeischule-100.html, 08.11.2017, abgerufen 24.04.2018 11:46.