Bei Leitstellen à la Fall 1 liegt neben der Bereitstellungs- und Finanzierungs-Verantwortung auch die der Herstellung üblicherweise in privaten Händen. Sind allerdings die Nutnießenden solcher Leitstellen staatliche Stellen (etwa ein durch eine aufgeschaltete Einbruchmeldeanlage geschütztes Ministerium), oder handelt es sich um Leitstellen à la Fall 2, so sind zwar staatliche Stellen in der Bereitstellungs- und Finanzierungsverantwortung. Jedoch stellt sich hier die Frage, ob auch die Herstellung (immer) durch staatliche Hersteller und Dienstleister erfolgen sollte.
Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Technik typischerweise durch private Hersteller produziert wird. Meldeanlagen sowie die Technik der Leitstellen werden von spezialisierten Firmen hergestellt. Die Dienstleistung – Betrieb der Leitstellen sowie Koordinierung und Disponierung der Einsatzkräfte – kann möglicherweise zumindest teilweise an private Dienstleister vergeben werden. Dies gilt aus unserer Sicht vor allem dann, wenn der Betrieb der technischen Anlagen speziell geschultes Personal verlangt, und eine besondere Nähe zum Produzenten der Technik notwendig ist.
Etwas anders ist die Situation, wenn bei der Tätigkeit in der Leitstelle hoheitliche Aufgaben des Staates im Kontext der Gefahrenabwehr berührt werden, oder typischerweise nur bei staatlichen Blaulichtorganisationen vorhandene Erfahrung mit bestimmten Einsatzsituationen[1] auch beim Leitstellenpersonal nötig ist. In diesem Fall erscheint aus unserer Sicht entweder eine rein staatliche Herstellung oder aber ein Kooperationsmodell ratsam, bei dem beispielsweise den Betrieb der Technik sowie die Notruf- und Meldungsannahme private Dienstleister wahrnehmen, während die Priorisierung der Einsätze, Entscheidungen zu Ressourceneinsatz und Abstimmung mit anderen gefahrenabwehrenden Stellen weisungsbefugte Staatsbedienstete übernehmen.
Bei den für eine Vergabe infrage kommenden Dienstleistungen könnten Kostenaspekte wie Transformations- und Transaktionskosten bei der Entscheidung bezüglich der Herstellungsverantwortung in diesem Fall eine Rolle spielen. Bedeutsamer erscheinen aus unserer Sicht allerdings Verfahrenspräferenzkosten. Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist.
Staatsbedienstete handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert.[2] Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Beim Betrieb der Leitstellen im Katastrophenschutz spielte die Wahrung des Neutralitätsgebots dann möglicherweise eine Rolle, wenn aus irgendwelchen Gründen diskriminierende Abarbeitung von Notrufen und Disponierung von Einsatzkräften zu erwarten sein könnte. Falls Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die eingesetzten Mitarbeiter unzulässig[3] (also bspw. auf Basis von Rasse, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft, Sprache, politischer Ansichten, Weltanschauung, Religion, Behinderung, Geschlecht, sexueller Ausrichtung, Vermögen, oder Alter) diskriminiert werden könnte, könnte dies für den Einsatz behördlichen Personals sprechen. Dies gilt, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.
Falls also beispielsweise eine Überflutung großräumig eine Vielzahl von Menschen und ihr Eigentum bedroht, muss ausgeschlossen sein, dass Einsatzpriorisierung und Kräfteeinsatz anstelle von sachlichen Erwägungen aufgrund von persönlichen Bekanntschaftsbeziehungen geleitet werden.
Probleme aus dem Bereich Marktversagen sind aus unserer Sicht bei der betrachteten Schutzleistung hingegen nicht zu erwarten.
[1] Auch das Personal privater Sicherheitsdienstleister verfügt in der Regel über viel Einsatzerfahrung – gemeint sind hier allerdings Einsatzlagen, die bspw. das Gewaltmonopol berühren oder sich auf mobile oder großräumige Lagen beziehen.
[2] Vgl. Grossekettler 1998, 11.
[3] Vgl. einschlägige Richtlinien der Europäischen Union zur Gleichbehandlung, beispielsweise 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/113/EG, und 2006/54/EG.
Quellen:
Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.
2004/113/EG Gleichbehandlung von Frauen und Männern außerhalb des Beschäftigungsbereichs