Wie sieht es nun mit der Herstellung aus – sollte der Staat das selbst übernehmen, oder die Aufgabe (aus ökonomischer Sicht) an andere vergeben und damit die Schutzleistung extern beschaffen?
Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.
Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Personals, sowie ggf. Nebenkosten des Betriebes (etwa der in der Küche einer Haftanstalt verarbeiteten Nahrungsmittel). Gehen wir davon aus, dass letztere sich beim Betrieb durch private Dienstleister nicht von denen beim direkten Betrieb durch Bedienstete der öffentlichen Hand unterscheiden – im zwecks Anschaulichkeit gewählten Beispiel, dass Nahrungsmittel gleicher Qualität, Menge und Beschaffungspreise verwendet werden – , geht es also einzig um Personalkosten.
Für Tätigkeiten im medizinischen, psychologischen und sozialtherapeutischen Dienst ist ein relativ hoher Ausbildungs- und Qualifikationsstand des mit der Aufgabe zu betrauenden Personals Voraussetzung. Mithin werden hier keine günstigeren (privaten) Sicherheitskräfte mit Qualifikationsniveau für einfache Aufgaben ausreichen können. Transformationskosten fallen aufgrund dieses Aspektes also vermutlich in nicht geringerer Höhe als bei Verwendung staatlichen Personals an, weshalb eine Vergabe an Unternehmen zunächst eher keine Kostenersparnis bedeuten würde. Allerdings kann eine Vergabe ein durch vermehrte Flexibilität einen bzgl. Vollzeitäquivalenten schlankeren Personalkörper bedeuten, da anderenfalls für zeitweise Nichtverfügbarkeit von Mitarbeitern (bspw. in Elternzeit) zusätzliche Planstellen der öffentlichen Hand vorgehalten werden müssten. Insgesamt ist der Effekt einer Vergabe auf die Transformationskosten also wahrscheinlich doch etwas dämpfend.
Transaktionskosten sind solche (Neben-)Kosten, die aufgrund von Informationsdefiziten als unvermeidbare „Reibung“ anfallen, aber nicht in ins Endprodukt eingehen. Es fallen für die öffentliche Hand (höhere) Transaktionskosten an, wenn unterstützende oder direkte Aufgaben im Rahmen der Schutzleistung an Unternehmen vergeben werden. (Umgekehrt gilt das ebenfalls in gewissem Umfang für beauftragte Unternehmen.[1]) Mutmaßlich sind die Transaktionskosten im Falle der Vergabe von Aufgaben in Justizvollzugsanstalten nicht unerheblich, da aufgrund der Natur der Tätigkeit und der politischen Sensibilität auch für unterstützende Tätigkeiten die Posten Beaufsichtigung und Kontrolle nicht unterschätzt werden dürfen.
Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Beamte (des Justizvollzugs) handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert[2] und möglichst kostensparend.
Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwändigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Im Justizvollzug spielt die Wahrung des Neutralitätsgebotes eine möglicherweise entscheidende Rolle, auch in Bezug auf die korrekte Behandlung der Gefangenen.[3]
Dies könnte für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.
Auch eine gewisse Gefahr einer Unterwanderung ggf. zu beauftragender privater Unternehmen durch organisierte Kriminalität – konkret bezogen vor allem auf Korruption sowie Schmuggel von Waren (Waffen, Telefone, Betäubungsmittel[4]) und Informationen – ist nicht von der Hand zu weisen. Es steht zu vermuten, dass ein Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in nicht unerheblicher Höhe in Kauf nehmen würde, um eine Vergabe der Durchführung von Aufgaben mit direktem Kontakt zu den Gefangenen oder der Absicherung nach außen inkl. der Besucherkontrolle in Justizvollzugsanstalten an Unternehmen zu vermeiden. Weniger ausgeprägt ist diese Haltung mutmaßlich in Bezug auf rein unterstützende bzw. betriebliche Tätigkeiten, etwa beim Betrieb der Küche, der Wäscherei etc.
Weiterhin ist bei der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – zu betrachten, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem asymmetrische Informationen sowie ggf. Wettbewerbsbeschränkungen infrage. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Justizvollzug hier in erster Linie principal agent und möglicherweise adverse selection – Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt. Wettbewerbsbeschränkungen sind grundsätzlich denkbar (in den Vereinigten Staaten beispielsweise ist in diesem Sektor eine ausgeprägte Oligopolbildung zu beobachten[5]), aber aufgrund der bislang nur punktuellen Beteiligung privater Unternehmen in Deutschland a priori schwer zu beurteilen. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen[6]) könnten eine Rolle spielen.
[1] Anm.: Für die beauftragten Unternehmen fallen ebenfalls Transaktionskosten an, etwa aufgrund von Faktor-Spezifität. Diese kann sich auf Standort, physische Investitionen, Humankapital usw. beziehen. Bei einer gesamtgesellschaftlichen, volkswirtschaftlichen – also nicht nur betriebswirtschaftlichen – Betrachtung sind diese strenggenommen ebenfalls zu berücksichtigen. Dies soll allerdings hier im Interesse einer aufs Wesentliche beschränkten Erörterung unterbleiben.
[2] Vgl. Grossekettler 1998, S.11
[3] Anm.: In den Vereinigten Staaten sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Probleme aus der Praxis privat betriebener Justizvollzugsveranstaltungen bekannt geworden, die zu einer ausgeprägten Polarisierung bezüglich der Haltung der Wählerschaft zur Rolle Privater in Justizvollzugsanstalten geführt haben. Vgl. hierzu unter anderem Aman & Greenhouse (2014), Cummings & Lamparello (2016), Fulcher (2012), Khey (2015), Kruis (2000) Sekhonyane (2003), und Siegel (2016).
[4] Vgl. Der Spiegel, 2017.
[5] Vgl. Rieckmann 2017.
[6] Vgl. Paefgen 2009, S. 210.
Quellen:
Aman Jr, A. C., & Greenhouse, C. J. (2014). Prison privatization and inmate labor in the global economy: Reframing the debate over private prisons. Fordham Urb. LJ, 42, 355
Cummings, A. D. P., & Lamparello, A. (2016). Private prisons and the new marketplace for crime. Wake Forest JL & Policy, 6, 407.
Der Spiegel (2017). „handys sind jetzt in der küche. geil.“ Schmuggelskandal in JVA. Ausgabe 14/2017, https://www.spiegel.de/panorama/justiz/justizvollzugsanstalt-bremervoerde-mitarbeiter-schmuggelten-handys-und-drogen-in-den-knast-a-1141416.html, zuletzt abgerufen 25.11.2019.
Fulcher, P. A. (2011). Hustle and flow: Prison privatization fueling the prison industrial complex. Washburn LJ, 51, 589.
Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.
Khey, D. N. (2015). Privatization of prison. The Encyclopedia of Crime and Punishment, 1-8.
Kruis, K. (2000). Haftvollzug als Staatsaufgabe. Zeitschrift für Rechtspolitik, 1-5.
Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.
Rieckmann, J. (05.06. 2017). Privatization of Security Services: Comparing Approaches to Policing and Prisons across the Atlantic. https://www.aicgs.org/publication/privatization-of-security-services/ Zuletzt abgerufen 25.07.2019.
Sekhonyane, M. (2003). Public-private partnerships (PPP) in South African prisons: the pros and the cons. SA Crime Quarterly, 2003(3), 33-36.
Siegel, D. M. (2016). Internalizing Private Prison Externalities: Let’s Start With The GED. Notre Dame JL Ethics & Pub. Policy, 30, 101.