Bei Videoüberwachung in quasi-öffentlichen Räumen liegt neben der Bereitstellungs- und Finanzierungs-Verantwortung auch die der Herstellung üblicherweise in privaten Händen (staatliche Stellen werden private Liegenschaften typischerweise nur anlassbezogen und zeitlich begrenzt mit Videotechnik überwachen, bspw. bei Polizeieinsätzen zwecks Beweismittelsicherung).
Sind im Fall 1 staatliche Stellen in der Bereitstellungs- und Finanzierungsverantwortung, kann dennoch viel für eine Vergabe der Herstellung an private Dienstleister sprechen. Grundsätzlich stellt die Ausführung der Schutzleistung – abseits möglicherweise des Betriebs teils komplexer Technik unter Berücksichtigung wechselnder Umwelteinflüsse – aus unserer Sicht keine hohen Anforderungen an die Qualifikation des tätig werdenden Personals. Zunächst besteht daher keine sachliche Notwendigkeit des Einsatzes höher qualifizierter (und damit tendenziell teurerer) Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes wie beispielsweise von Polizeibeamten in den Überwachungszentralen.
Eine Rolle staatlicher Stellen bei der Herstellung könnte sich abgesehen davon aber aufgrund von Aspekten dysfunktionaler Märkte ergeben.
Kostenaspekte wie Transformations- und Transaktionskosten spielen bei der Entscheidung bezüglich der Herstellungsverantwortung in diesem Fall keine Rolle – allenfalls in Frage kämen Verfahrenspräferenzkosten. Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist.
Ordnungsamt-Angehörige und Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert.[1]
Dies könnte für den Einsatz behördlichen Personals sprechen, insofern bei diesem die Wahrscheinlichkeit einer unzulässigen Diskriminierung bspw. aufgrund behördlicher Kontrollprozesse geringer erscheint, und es am Markt private Anbieter zweifelhafter Zuverlässigkeit und Qualitätssicherung gibt.
Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Bei der Videoüberwachung des öffentlichen Raumes spielte die Wahrung des Neutralitätsgebotes möglicherweise dann eine entscheidende Rolle, wenn aus irgendwelchen Gründen diskriminierende Ahndung von Verstößen zu erwarten sein könnte.
Falls Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch die eingesetzten Mitarbeiter unzulässig [2] (also bspw. auf Basis von Rasse, Hautfarbe oder ethnischer Herkunft, Sprache, politischer Ansichten, Weltanschauung, Religion, Behinderung, Geschlecht, sexueller Ausrichtung, Vermögen, oder Alter) diskriminiert werden könnte, könnte dies für den Einsatz behördlichen Personals sprechen.
Relevant sein könnte in Bezug auf die betrachtete Schutzleistung bei der der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – auch die Prüfung, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem infrage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel räumliche Verdrängungs- und Verlagerungseffekte von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im öffentlichen Raum) oder asymmetrische Informationen sowie Wettbewerbsbeschränkungen. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Videoüberwachung hier in erster Linie principal agent– und möglicherweise adverse selection-Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt, oder diese ihre eigene Agenda verfolgen könnten – konkret, „sich auf dem ein oder anderen Auge blind stellen“ und Straftaten bestimmter Gruppen (bspw. aufgrund politischer Ansichten oder verwandtschaftlicher Beziehungen) besonders häufig oder nur in geringem Maße melden. Wettbewerbsbeschränkungen sind denkbar, aber in Abwesenheit eines bestehenden Marktes a priori schwer zu beurteilen. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, S. 210) könnten eine Rolle spielen.
[1] Vgl. Grossekettler 1998, 11.
[2] Vgl. einschlägige Richtlinien der Europäischen Union zur Gleichbehandlung, beispielsweise 2000/43/EG, 2000/78/EG, 2004/113/EG, und 2006/54/EG.
Quellen:
Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.
Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.