Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.
Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung von unternehmensinternen Ermittlungen die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung, bzw. der durch sie gewonnenen Informationen?
Wir unterscheiden hier in drei Gruppen von Nutzern (oder genauer: Nutznießenden): Unternehmen, Strafverfolgungsbehörden, und Kunden.
In Bezug auf Unternehmen kann nicht von Verwendungsrivalität ausgegangen werden, falls unternehmensinterne Ermittler eingesetzt werden. Kein Unternehmen profitiert weniger von unternehmensinternen Ermittlungen, nur weil ein anderes diese ebenfalls bei sich durchführt. Ein gewisses Maß an Verwendungsrivalität ist allenfalls denkbar, falls die Ermittlungen von externen Spezialisten durchgeführt werden, und diese auf dem Dienstleistermarkt knapp verfügbar sind. Hiervon gehen wir jedoch derzeit nicht aus.
In Bezug auf Strafverfolgungsbehörden (die wir als eine Einheit betrachten, in der sich also nicht verschiedene Staatsanwaltschaften etc. gegenseitig Konkurrenz machen) erweitern wir den Fokus auf Ermittlungen über die Unternehmensinteressen hinaus: Besteht Verwendungsrivalität bzgl. der Ermittlungen zu bestimmten Sachverhalten – können also Strafverfolgungsbehörden weniger Nutzen aus Ermittlungen ziehen, wenn vorher oder zugleich auch beteiligte Unternehmen intern ermitteln (lassen)? Falls die internen Ermittlungen dazu führen, dass Ermittlungsergebnisse oder Beweismittel der Kenntnis und dem Zugriff der Behörden entzogen werden – etwa, weil sie aus ihrem geografischen Zuständigkeitsbereich verbracht werden, oder aus rechtlichen Gründen nicht mehr (leicht) beschlagnahmt werden können, da die Unterlagen in einer Anwaltskanzlei aufbewahrt werden – könnte Verwendungsrivalität vorliegen. Wahrscheinlicher handelt es sich dann allerdings um einen Exkludierungsfall – mehr dazu weiter unten.
Die Kunden von Unternehmen sind in der Regel nicht von Verwendungsrivalität betroffen. Allenfalls im oben beschrieben Falle eines knappen Angebots spezialisierter externer Ermittlungsdienstleister hätten möglicherweise Kunden anderer Unternehmen Nachteile. Das beträfe jedoch nur Kunden solcher Unternehmen, die keine internen Ermittler einsetzen und diese auch nicht durch externe Ermittler ersetzen, weil letztere zu knapp (und damit in der Regel zu teuer) sind – von Unternehmen also, die damit mehr Regelverstöße mit negativen Folgen für ihre Kunden in Kauf nehmen. Wir betrachten diese Konstellation als nicht praxisrelevant.
Zusammenfassend kann aus unserer Sicht davon ausgegangen werden, dass Verwendungsrivalität unter Unternehmen in aller Regel nicht vorliegt.
Liegt also Verwendungsrivalität nicht vor, können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Privates Gut und Allmende-Gut scheiden aus, es bleiben öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.
Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? Hier hängt es davon ab, wer als Nutznießer betrachtet wird.
Betrachtet man Unternehmen als Nutznießer, muss die Antwort klar positiv ausfallen: Exkludierbarkeit liegt vor. Die erzielten Ermittlungsergebnisse können mit anderen Unternehmen geteilt werden. Dies geschieht allerdings nicht immer.
Betrachtet man Strafverfolgungsbehörden, so liegt (nur) dann Exkludierbarkeit vor, wenn wie oben beschrieben Ermittlungsergebnisse oder Beweismittel der Kenntnis und dem Zugriff der Behörden entzogen werden (können).
Betrachtet man Kunden (und im weiteren Sinne die Öffentlichkeit) als Nutznießer, so besteht ebenfalls Exkludierbarkeit: Durchaus nicht immer werden die Kunden über die Ergebnisse interner Ermittlungen zeitnah oder überhaupt informiert.
Zusammenfassend kann aus unserer Sicht davon ausgegangen werden, dass Exkludierbarkeit für alle Nutzergruppen in aller Regel vorliegt.
Nehmen wir das Kriterium der Exkludierbarkeit als gegeben an, verengt sich die Auswahl der Gütertypen auf eines – das Klubkollektivgut. Falls Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit hätten oder haben, die Herausgabe der Ermittlungsergebnisse und Beweismittel zu erwirken (und damit die Exkludierbarkeit aufheben können), würde bzw. wird die Schutzleistung allerdings zum öffentlichen Gut.
Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?
Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, 8f). Falls also Strafverfolgungsbehörden die Exkludierbarkeit vollständig aufheben könn(t)en, läge die Bereitstellungsverantwortung beim Staat. Dann sollte es aus ordnungspolitischer Sicht gar keine unternehmensinternen Ermittlungen geben, und es bestünde wohl auch kein unternehmerischer Anreiz zur Investition privatwirtschaftlicher Mittel.
In der Vergangenheit hat es jedoch bereits Fälle einer teilweisen Exklusion der Strafverfolgungsbehörden gegeben. So wurde in England gerichtlich entschieden (vgl. Juve.de 2017[1]), dass Dokumente mit anwaltlichem Ratschlag – in diesem Fall eine vorbereitete Präsentation mit Untersuchungsergebnissen, und im Gegensatz zu anderen Dokumenttypen etwa mit Notizen zu Ermittlungsinterviews – als vertrauliche Kommunikation zwischen Mandant und Anwalt geschützt seien. Da eine umfassende Herausgabe der Ermittlungsergebnisse und Beweismittel aber in der Praxis – beispielsweise bei Vorliegen eines Mandatsverhältnisses in einem Strafprozess – nicht immer erwirkt werden kann, handelt es sich bei unternehmensinternen Ermittlungen unserer Auffassung nach de facto eher um ein Klubkollektivgut, für das eine privat organisierbare Marktfähigkeit vorhanden ist. In diesem Falle wäre die Bereitstellungsverantwortung nicht beim Staat anzusiedeln.
Die Finanzierung der Schutzleistung über Beiträge ist die angemessene Wahl. Dies geschieht in praktischer Form unternehmensintern über entsprechende Budgets.
[1] Anm.: Zur Entscheidung des High Court of Justice in London zugunsten staatlicher Ermittler im Rechtsstreit zwischen Serious Fraud Office und Eurasian Natural Resources Corporation.
Quellen:
Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.
Juve (2017, 29. Juli) Anwaltsprivileg: Unterlagen aus internen Untersuchungen lagern riskant. https://www.juve.de/nachrichten/namenundnachrichten/2017/06/anwaltsprivileg-unterlagen-aus-internen-untersuchungen-lagern-riskant, letzter Abruf 14.05.2019, 15h42.