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Grundsätzlich obliegt die Entscheidung darüber, in welcher staatlichen oder privaten Organisationsform Schutzleistungen erbracht werden sollen, dem politisch-demokratischen Prozess, wobei (verfassungs-)rechtliche Vorgaben den grundlegenden Rahmen setzen. Die Politik- und Verwaltungswissenschaft kann diesbezüglich keine aktiv-gestaltende Rolle einnehmen, sie kann jedoch als Reflexionsinstanz zur Klärung möglicher Entscheidungskriterien beitragen. Dazu wird ein Entscheidungsrahmen eingeführt, der sowohl effektivitäts-, effizienz-, als auch legitimitätsbezogene Zielgrößen berücksichtigt. In diesem Rahmen wird auf drei Einzelkriterien Bezug genommen: (1) Strategische Relevanz, (2) Spezifität, (3) Legitimität.

Das Kriterium der strategischen Relevanz berücksichtigt die Bedeutung einer Aufgabe für die Erreichung politisch gesetzter Ziele. Insbesondere bei strategisch relevanten Aufgaben muss garantiert sein, dass deren Erbringung gewährleistet und durch den Staat kontrollierbar ist. Damit steht die Steuer- und Regulierbarkeit der Schutzleistung auf dem Prüfstand.

Die Schutzleistung der Passagier- und Gepäckkontrollen nach § 5 Luftsicherheitsgesetz ist durch eine vergleichsweise hohe strategische Relevanz gekennzeichnet. Diese ergibt sich zum einen aus der hohen politischen Salienz des Themas und zum anderen aus der geringen Fehlerintoleranz der Schutzleistung. So haben die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 eindrucksvoll verdeutlicht, welch verheerende Folgen unzureichend ausgeführte Luftsicherheitsmaßnahmen haben können. Die Kontrollsysteme an Flughäfen müssen daher einen (uneinlösbaren) Anspruch auf Fehlerlosigkeit erheben und zugleich zentrale Verantwortlichkeiten ausweisen (Frederickson, 2002). Auch dass seitens des eingesetzten Kontrollpersonals weitreichende Geheimhaltungspflichten gelten, deutet auf eine hohe strategische Relevanz hin.

Nichtsdestotrotz erfolgt die Durchführung der Kontrollen in der Hauptsache durch private Dienstleister oder landeseigene Tochterunternehmen, in einigen wenigen Fällen auch durch die Bundespolizei selbst. Bisher hat die jeweils zuständige Luftsicherheitsbehörde, also die Bundespolizei oder die entsprechende Landesbehörde, die Leistungserbringung beaufsichtigt und gesteuert. Zukünftig erfolgt die Steuerung der Leistungserbringung durch die Sicherheitsdienstleister. Aus der hohen strategischen Relevanz entstehen vergleichsweise hohe Kontrollpflichten und -kosten. Um dem gerecht zu werden, unterliegt die Durchführung der Passagier- und Gepäckkontrollen an deutschen Flughäfen einem engmaschigen Netz parlamentarischer und operativer Kontrolle. Erstere erfolgt vor allem auf der Bundes- und Landesebene. Die Implementation des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) wird seit dessen Verabschiedung im Jahr 2005 vom Bundestag und insbesondere durch die parlamentarische Opposition fortlaufend überprüft. Im Fokus des Interesses stehen dabei die Qualität der Passagier- und Gepäckkontrollen, das Qualifizierungsniveau der Luftsicherheitsassistenten, der Einfluss technologischer Neuerungen auf die Aufgabenwahrnehmung oder die Machbarkeit von Re-Organisationsoptionen (z. B. Durchführung der Kontrollen durch die Bundespolizei). In den Länderparlamenten ist die Umsetzung des LuftSiG und damit auch der Einsatz privater Luftsicherheitsassistenten ebenfalls regelmäßig Gegenstand der politischen Auseinandersetzung. Operativ werden die Passagier- und Gepäckkontrollen sowohl durch die Europäische Union als auch durch Bund und Länder durch Inspektionen, Sicherheitstests oder Audits kontrolliert. Die Umsetzung des LuftSiG muss die Vorgaben der Verordnung (EG) Nr. 300/2008 und ergänzender Rechtsakte der EU erfüllen. Diesbezüglich führt die Europäische Kommission regelmäßig eigene Inspektionen der Sicherheitsmaßnahmen an deutschen Flughäfen durch. In der Vergangenheit wurden in diesem Zusammenhang teils gravierende Mängel festgestellt (siehe etwa Süddeutsche Zeitung, 21. Dezember 2014; ZEIT ONLINE, 28. Mai 2015). Darüber hinaus führt die Bundespolizei an Flughäfen in ihrem Verantwortungsbereich eigene Qualitätskontrollen durch. Mit diesem engmaschigen Netz an Kontrollen und qualitätssichernden Maßnahmen wird versucht, der vergleichsweise hohen strategischen Relevanz der Aufgabe Rechnung zu tragen.

Quellen: 

Bierbichler, M., Jungmann, A., Peuker, B., Voss, M., Holtz, J., Apelt, M., & Hunnius, J. (2016). Soziale Bestimmungsgründe der Sicherheit am Flughafen.

Frederickson, H. G., & LaPorte, T. R. (2002). Airport Security, High Reliability, and the Problem of Rationality. Public Administration Review. (62), 33–43.

Süddeutsche Zeitung (21. Dezember 2014). Gravierende Sicherheitsmängel am Flughafen Frankfurt. Abgerufen am 09.10.2019 von https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-pruefbericht-gravierende-sicherheitsmaengel-am-flughafen-frankfurt-1.2276682.

Thätner, C., Wetrup, S. O., Herling, S., & Kraft, A. (2017). Luftsicherheit im Blick. Berlin.

ZEIT ONLINE (28. Mai 2015). Flughäfen: EU-Kommisson verklagt Deutschland wegen lascher Sicherheitskontrollen. Abgerufen am 09.10.2019 von https://www.zeit.de/mobilitaet/2015-05/europaeische-union-klage-sicherheit-flughafen.

Mit dem Prüfkriterium der Spezifität wird ein Maß für die Einzigartigkeit des mit einer Aufgabenerfüllung verbundenen Mitteleinsatzes eingeführt. Dies setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die den Einsatz spezialisierter Technologien oder Anlagen, spezifische Ausstattungen, Qualifikationen, Verfahrensregeln und Kompetenzen betreffen und als Auslagerungshürden gelten.

Die Schutzleistung ist durch eine vergleichsweise hohe Gesamtspezifität gekennzeichnet. Diese ergibt sich zum einen daraus, dass zwingend hoheitliche Befugnisse notwendig sind, um Passagier- und Gepäckkontrollen durchzuführen. Zum anderen sind spezialisierte technische Gerätschaften und Anlagen vonnöten sowie hochspezifische Verfahrensregeln. Auch das Aufgabengebiet ist durch wenige, dafür hochspezifische Tätigkeiten charakterisiert, die entsprechend eine eigene Fachqualifizierung zum Luftsicherheitsassistenten verlangen.

Mit der Spezialgesetzgebung der „Beleihung“ wurde daher eine gesetzlich abgesicherte Möglichkeit der Entspezifizierung der Schutzleistung installiert, die erst einen Einsatz privater Sicherheitsdienster im Rahmen von Passagier- und Gepäckkontrollen an deutschen Flughäfen ermöglicht. Die Beleihung hoheitlicher Rechte erfolgt dabei auf Grundlage des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG). Nach diesem kann die zuständige Luftsicherheitsbehörde natürlichen Personen sowie teilrechtsfähigen Vereinigungen und juristischen Personen des Privatrechts die Wahrnehmung verschiedener Aufgaben übertragen (§ 16a LuftSiG). Dazu zählen neben Zulassungs-, Zertifizierungs- und Überwachungsaufgaben auch die Durchführung der Passagier- und Gepäckkontrollen. Nach § 5 dürfen bei privaten Sicherheitsunternehmen angestellte Luftsicherheitsassistenten nach erfolgter Beleihung Personen vor oder nach Betreten des Sicherheitsbereiches des Flugplatzes durchsuchen oder anderweitig überprüfen. Dazu können beispielsweise Gegenstände durchleuchtet oder in sonstiger geeigneter Weise kontrolliert werden. Die Beleihung privater Luftsicherheitsassistenten erfolgt immer personengebunden und kann durch die Luftsicherheitsbehörde jederzeit ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Diese fungiert dementsprechend als zentrale Aufsichtsbehörde.

Mit dem Prüfkriterium der Legitimität wird der politikwissenschaftlichen Einsicht Rechnung getragen, dass staatliches Handeln und Entscheiden nicht allein an den Maßstäben von Effektivität und Effizienz bemessen werden sollte, sondern auch an der faktischen Akzeptanz, die es durch die verschiedenen Anspruchsgruppen erfährt.

Der Einsatz privater Luftsicherheitsassistenten ist durch das Luftsicherheitsgesetz demokratisch legitimiert. Allerdings existieren bislang keine Studien, welche die Akzeptanz der Bevölkerung hinsichtlich der Ausübung hoheitlicher Befugnisse durch beliehene Kontrollkräfte thematisieren. Legitimationsprobleme können in jedem Fall aus den in der Vergangenheit bekannt gewordenen Fällen unzureichend durchgeführter Kontrollen erwachsen. Schlagzeilen über in Flugzeuge verbrachte Waffen oder „Chaos zum Ferienstart“ (Bernstein & Stroh, 29. Juli 2018)  führen aber nicht nur zu einem Vertrauensverlust gegenüber den beliehenen Mitarbeitern, sondern betreffen das gesamte Kontrollsystem. Unabhängig davon ist die Fluggastkontrolle laut einem 2016 veröffentlichten Forschungsbericht (Thätner et al. 2017) aus Legitimitätssicht grundsätzlich eine sensible Angelegenheit. Da die Kontrolleure den Reisenden sehr nahekommen müssen, bergen die Personendurchsuchungen ein grundsätzlich hohes Konfliktpotenzial. Dass Passagiere bzw. deren Gepäck von privaten Sicherheitskräften durchsucht werden, kann legitimitätskritische Rückfragen der Passagiere auslösen und zu Rechtfertigungszwängen auf Seiten der privat Bediensteten führen. Andererseits ist die Aufgabenteilung zwischen Bundespolizei und privaten Sicherheitskräften seit Jahrzehnten etabliert und institutionalisiert.

Auf politischer Ebene ist die Organisation der Passagier- und Gepäckkontrollen hingegen ein gegenwärtig intensiv diskutiertes Thema ist. Der jüngste Vorschlag zur Änderung der Aufgaben- und Prozessstruktur vom Juli 2018 geht auf Bundesinnenminister Seehofer (CSU) zurück (Neuerer, 26. Juni 2018). Nach diesem sollen die Flughafenbetreiber stärker in die Verantwortung genommen werden, sodass den Luftsicherheitsbehörden dann nur noch die Standardsetzung für Ausbildung, Technik und die Qualitätskontrollen obliegen würde. Unterstützung erfährt diese Idee seitens der Bundespolizei. Gegensätzliche Vorstellungen verfolgt teilweise der Regierungspartner SPD. Den Sicherheitsexperten der Partei schwebt eine Rückverstaatlichung der Aufgabe vor, beispielsweise durch die Gründung einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Ähnlich äußern sich auch die Deutsche Polizeigewerkschaft und die Gewerkschaft der Polizei unter Verweis auf die staatliche Verantwortung. Ihrer Ansicht nach sollten die Kontrollen wieder der Bundespolizei übertragen werden, um eine angemessene Qualität der Aufgabenwahrnehmung zu sichern.

Quellen: 

Neuerer, D. (26. Juni 2018). Deutsche Airports. Seehofer will Bundespolizei Sicherheitskontrollen an Flughäfen entziehen. Abgerufen am 14.08.2018 von: https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/deutsche-airports-seehofer-will-bundespolizei-sicherheitskontrollen-an-flughaefen-entziehen/22857774.html?ticket=ST-163695-RsQF7uW57kFMzYFaX20Z-ap3.

Thätner, C., Wetrup, S. O., Herling, S., & Kraft, A. (2017). Luftsicherheit im Blick. Berlin.

Bernstein, M. & Stroh, K. (29. Juli 2018). Chaos zum Ferienstart. Wie ein kleiner Vorfall den Münchner Flughafen lahmlegen konnte. Abgerufen am 14.08.2018 von https://www.sueddeutsche.de/muenchen/chaos-flughafen-muenchen-start-sommerferien-1.4074143.

Bei Passagier- und Gepäckkontrollen an Flughäfen  handelt es sich um eine Schutzleistung von hoher strategischer Relevanz und zugleich hoher Spezifität. In Anbetracht dessen sollte die Gewährleistungsverantwortung zwingend in staatlicher Hand verbleiben. Eine Teilübertragung der Erfüllungsverantwortung dieser strategisch hochrelevanten Aufgabe an private Sicherheitsdienstleister, wie sie an deutschen Flughäfen die Regel ist, bedarf daher folglich einer gesonderten gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage (Beleihung). Mit diesem Mittel der Entspezifizierung kann sowohl die Qualifikation als auch die Zuverlässigkeit des beauftragten Personals sichergestellt werden. Die strategische Relevanz dieser Schutzleistung erfordert staatlicherseits zugleich eine qualitätsbezogene Auftragsvergabe und eine strenge Kontrolle. Unter diesen Bedingungen ist eine Kooperation  von öffentlichen und privaten Sicherheitskräften zielführend und seitens der Öffentlichkeit akzeptiert.