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Die technische Perspektive zeigt anhand ausgewählter Kriterien neue technologische Trends auf und setzt sie in einen Zusammenhang mit den jeweiligen Schutzleistungen. Das Ziel ist es, mögliche und wahrscheinliche Auswirkungen auf das Angebot der Schutzleistung innerbetrieblicher Ermittlungen abzuleiten und zu skizzieren, wie sich Dienstleistungsangebote auf dieser Basis potenziell verändern. Abschließend werden einzelne technische Entwicklungen dargestellt und bewertet, die eine wesentliche Neuorientierung im untersuchten Bereich nötig machen könnten. 

Die Schutzleistung der innerbetrieblichen Ermittlungen im Vorfeld strafprozessualer Ermittlungen umfasst alle Ermittlungen, die das eigene Personal innerhalb eines Unternehmens betreffen. Sie kann sowohl präventiver Art sein (z. B. Überwachung von Tätigkeiten, Einschleusen von Detektiven oder Personenüberprüfungen vor der Einstellung) als auch reaktiver Art (z. B. bei Vorliegen eines Verdachts auf Diebstahl oder Werkspionage). Das Ziel ist es, Straftaten im Unternehmen aufzudecken und abzustellen, bevor (oder ggf. während – also begleitend -) die Staatsanwalt aktiv wird.[1] Darüber hinaus sollen auch Schwachpunkte im Unternehmen selbst aufgefunden und abgestellt werden,[2] d. h. auch die Analyse, Dokumentation und Nachschau von Prozessen und des Compliance Managements können entsprechend Ergebnisse der Ermittlungstätigkeit sein.

 

Quellen:

[1] Dr. Carsten Momsen: „Internal Investigations zwischen arbeitsrechtlicher Mitwirkungspflicht und strafprozessualer Selbstbelastungsfreiheit“, in: ZIS 6/2011, http://www.zis-online.com/dat/artikel/2011_6_586.pdf (aufgerufen am 02.08.2019)

[2] Grützner, Prof. Dr. Carsten Momsen: „Workshop: Interne Ermittlungen“, https://www.jura.fu-berlin.de/fachbereich/einrichtungen/strafrecht/lehrende/momsenc/Materialien/Workshop_interne_Ermittlungen.pdf(aufgerufen am 02.08.2019)

Eine Herausforderung für innerbetriebliche Ermittlungen ist der hohe Grad an thematischer Spezialisierung. Je nach Unternehmen, Branche und Arbeitsbereich können die Tatbestände der zu ermittelnden Vorfälle sich erheblich unterscheiden, von entwendeten Geldmitteln bis zur Manipulation von Finanz- oder Personaldaten. Entsprechend hoch ist der Bedarf an Spezialwissen von Betriebswirten, Steuerfachleuten, IT-Experten und/oder Juristen sowie privaten Ermittlern.[1]

Um an relevante Hinweise und Informationen zu kommen, führen Unternehmen sog. Whistleblowing- oder Ombudssysteme ein, mithilfe derer sich Mitarbeiter anonym bzw. unter Schutz ihrer persönlichen Daten zu relevanten Fällen und Verdachtsmomenten äußern können.[2] Zudem sind auch von Seiten der Ermittler selbst stetige Rückkopplungen und Abstimmungen mit den Auftraggebern des Unternehmens unerlässlich. Portal oder App-Lösungen bieten hier unkomplizierte Kommunikationswege. Dabei müssen die sichere und störungsfreie Informationsübertragung sowie Privacy und Datenschutz gewährleistet sein, schließlich geht es doch um sensible Firmen- und/oder Mitarbeiterdaten.

Bei größeren Unternehmen, die global aufgestellt sind, können bei der Abfrage von auffälligen Personen sogar pseudonymisierte Verfahren Relevanz bekommen, wie sie ansonsten eher für öffentliche Ermittlungen eingesetzt werden. Relevante Einträge in Datenbanken anderer internationaler Niederlassungen werden mit den erfassten Daten abgeglichen, um z.B. internationale Aktivitäten der Wirtschaftsspionage ausfindig zu machen.[3]

In Bezug auf die Infrastruktur sind zwei Aspekte besonders relevant: die zahlreichen Informationen (teil-)automatisiert zu analysieren und die Einzelinformationen zu einem Bild der Gesamtlage zusammen zu führen. Softwareseitig stehen hierfür Analysealgorithmen, Methoden der Datenfusion und Aggregation zur Verfügung.[4]

 

Quellen:

[1] Blog der Kanzlei Roedl & Partner „Mit Fachwissen und Fingerspitzengefühl“ (https://www.roedl.de/themen/unternehmensinterne-ermittlungen/mit-fachwissen-und-fingerspitzengefuehl; aufgerufen am 05. August 2019)

[2] Vgl. Blog Compliacne-Manager.net:„Reihe Compliance Essentials: Mitbestimmung des Betriebsrats, Teil 3: Durchführung interner Ermittlungen“ (https://www.compliance-manager.net/fachartikel/teil-3-durchfuehrung-interner-ermittlungen-806; aufgerufen am 05. August 2019)

[3] Vgl. Eu­ro­päi­scher Kri­mi­nal­ak­ten­nach­weis – Au­to­ma­ti­sie­rung der Da­ten­aus­tausch­pro­zes­se (EPRIS-ADEP) (https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Ermittlungsunterstuetzung/ElektronischeFahndungsInformationssysteme/Polizei2020/EPRIS_ADEP/EPRIS.html; abgerufen am 09. Mai 2019)

[4] Laudy, Claire, Henrik Petersson, and Kurt Sandkuhl. „Architecture of knowledge fusion within an Integrated Mobile Security Kit.“ 2010 13th International Conference on Information Fusion. IEEE, 2010.

Eine besondere Relevanz bei der Ermittlung gebührt der Überwachung, da der Informationsgehalt der gewonnenen Feststellungen besonders hoch ist. Bei der Überwachung von Mitarbeitern im Kontext der innerbetrieblichen Ermittlungen gibt es zwei grundlegende Strategien: die offene und die verdeckte Überwachung. Die offene Überwachung dient vor allem als präventive Maßnahme zur Abschreckung potenzieller Täter, die verdeckte der Ermittlung zur Aufklärung von Fehlhandlungen (grundsätzlich stehen diese Vorgehensweisen aber unter dem Vorbehalt der rechtlichen Grenzen).[1] 

Durch rasante Entwicklung der letzten Jahre im Bereich der Kamera-Technologie lassen sich heute problemlos so gut wie alle Bereiche verdeckt (oder auch offen) visuell überwachen. Eine umfassende Darstellung zum Thema Videoüberwachung: siehe Schutzleistung Videoüberwachung, technische Perspektive. Große Fortschritte sind vor allem im Bereich der Auswertung der erfassten (Bild-)Daten zu sehen: Mit bildgebenden Verfahren und neuen Algorithmen zur Auswertung großer Datenmengen (Big Data Analytics / Künstliche Intelligenz KI) lassen sich bereits jetzt bestimmte Arten von auffälligem Verhalten identifizieren – zurzeit allerdings noch beschränkt auf Stürze, ungewöhnliche Gehrichtung etc.[2] Schon jetzt können hieraus kontextbezogen relevante Ermitttlungsschlüsse gezogen werden, zumal wenn ergänzt durch Systeme, die auf Basis erfasster Bild- und Ton-Daten in Echtzeit auch „abnormales Verhalten“ wie z. B. Aggressionen oder die Vorbereitung von Straftaten erkennen.[3] Mithilfe von Kamerasystemen mit gekoppelter Technik[4] können verdächtigte Personen lokal oder mittels Datenbankabfrage biometrische Merkmale (z. B. Fingerabdruckscan, Iris-Scanner, Gesichtserkennungssoftware) zusätzlich identifiziert und – in Verbindung mit Ortungstechnologien (z. B. in Dienst-Apps) – auch deren Aufenthaltsort erfasst werden.

Präventiv können Ermittlungen zum Beispiel im Rahmen von Bewerberüberprüfungen durchgeführt werden, etwa um Falschangaben in der Bewerbung zu erkennen und damit potenzielle Betriebsspione abzuwehren.[5] Dabei können mit Recherchetools die Internetpräsenz eines Mitarbeiters, seine Aktivität in sozialen Medien sowie weitere öffentliche und nicht öffentliche Datenquellen durchsucht und auf eventuelle Interessenkonflikte überprüft werden.[6] Ob diese Systeme, die in erster Linie für staatliche Strafverfolgungsbehörden entwickelt werden, auch im privatwirtschaftlichen Bereich zum Einsatz kommen, bleibt abzuwarten.

 

Quellen:

[1] Vgl. Blog der Wirtschaftskanzlei Ritter, http://www.wirtschaftsdetektei.bayern/innerbetriebliche-ermittlungen/(Aufgerufen am 05.08.2019)

[2] Popoola, Oluwatoyin P., and Kejun Wang. „Video-based abnormal human behavior recognition—A review.“ IEEE Transactions on Systems, Man, and Cybernetics, Part C (Applications and Reviews)42.6 (2012): 865-878.

[3 ]Vgl.  [3]Popoola, Oluwatoyin P., and Kejun Wang. „Video-based abnormal human behavior recognition—A review.“ IEEE Transactions on Systems, Man, and Cybernetics, Part C (Applications and Reviews)42.6 (2012): 865-878. Ein Projekt-Beispiel ist: SMARAGD (https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Artikel/DG/mfund-projekte/Smaragd.html?nn=326002; abgerufen am 09. Mai 2019)

[4] Beispiele bilden das Forschungsprojekt GES-3D (BMBF): Multi-Biometrische Gesichtserkennung; MARS (BMBF): Mobile Authentifikation mittels Retina Scanning; MisPel (BMBF): Multi-Biometriebasierte Forensische Personensuche in Lichtbild- und Videomassendaten; DigiDak (BMBF): Digitale Fingerspuren

[5] Vgl. Blog der Wirtschaftskanzlei Ritter, ebda.

[6] Beispiel Projekt LIDAKRA, https://www.sifo.de/files/Projektumriss_LIDAKRA.pdf (aufgerufen am 05. August 2019)

Neben gängiger Ausrüstung für die Erfassung, Auswertung und Dokumentation von Daten (v. a. Laptop, Analyse- und Dokumentationssoftware) sowie spezifischer Technologien für die Überwachung (siehe auch Schutzleistung Videoüberwachung – technische Perspektive) können Trainings und Supporttools eine größere Relevanz gewinnen, insbesondere hinsichtlich der großen Bandbreite geforderten Fachwissens und Befähigungen von Ermittlern (z. B. Kenntnisse/Erfahrungen für die Bereiche: Observation, Befragungen, verdeckte Ermittlungen, IT-Fachwissen, Spezialtechnikfachwissen, Beweissicherung usw.). Regelmäßige oder auch anlassbezogene e-Trainings während einer Ermittlung können über das Arbeitsequipment direkt mit der Tätigkeit rückgekoppelt werden, etwa durch spezielle Apps auf dem Diensthandy oder auch über Wearables und smarte Brillen.[1]

 

Quelle:

[1] Beispiel Projekt Smart Wearables (https://www.fokus.fraunhofer.de/6fba9fef480c985b, abgerufen 09. Mai 2019)

Schon jetzt beziehen Unternehmen viele Informationen aus internen Whistleblower-Systemen. Mit der steigenden Verfügbarkeit dieser Meldesysteme (per App, Mitarbeiterportal, in Anwendungen integriert etc.), einer zunehmenden Vernetzung der gemeldeten Informationen und der Verknüpfung mit der Künstlichen Intelligenz bzw. Big Data Analytics können sich neue Synergien ergeben, die eine schnellere und präzisere Aufklärung der Verdachtsmomente unterstützen oder aber zumindest wie ein internes Alarmsystem die entsprechenden Aufsichtsgremien und ggf. Ermittler auf den Plan rufen.

Technologien für den Einsatz innerbetrieblicher Ermittlungen stehen grundsätzlich im Spannungsfeld zwischen rechtlichen Forderungen (z. B. Compliance) einerseits und rechtlichen Beschränkungen (z. B. Privacy, Datenschutz) andererseits. Ermittlungen im Bereich E-Mail-Konten, verdeckte Videoüberwachung und Telekommunikationsüberwachung sind daher nur in engen Grenzen zulässig. Zudem werden Innovationen im Ermittlungsbereich vorwiegend zunächst für den Bereich staatlicher Ermittlungen und Strafverfolgung geschaffen. Disruptive Entwicklungen sind daher weniger zu erwarten als der zunehmende unterstützende Einsatz von neuen Technologien.