Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“. Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für die Schutzleistung Streifen- und Interventionsdienste in Wohnvierteln erörtert.
Nutznießende dieser Schutzleistung sind Eigentümer geschützter Liegenschaften. In erster Linie sind das private Haushalte, seltener (da nicht häufig in Wohnvierteln gelegen) aber auch Unternehmen oder gar Behörden. Typischerweise werden Liegenschaften dieser Nutznießer zum Zwecke der Einbruchprävention und nötigenfalls Intervention bestreift, zusätzlich können Einbruchmeldeanlagen gewartet, aufgeschaltet und überwacht werden (ggf. inkl. Telefon- und Anrufdienst[1]). Weiterhin kann bei Beobachtung verdächtiger Sachverhalte die Polizei informiert werden, und ihr (in selteneren Fällen) bei Interventionen im Rahmen des § 127 der Strafprozessordnung („Jedermannrecht“) vorläufig festgenommene Straftäter übergeben werden. Weitere zusätzliche Dienstleistungen wie Randaufgaben in Urlaubszeiten (Leeren der Briefkästen, Vortäuschen der Anwesenheit der Bewohner usw.) und Personenbegleitdienste können die Schutzleistung ergänzen und richten sich in der Regel ausschließlich an private Haushalte.
Wir betrachten nun die Frage, ob es aus ordnungspolitischer Sicht bei solchen Streifen- und Interventionsdiensten eine Rolle privater Unternehmen geben sollte und was ggf. zu beachten wäre.
[1] Anm.: Dies kann etwa „niedrigschwelligere“ Notrufnummern einschließen, die angerufen werden können, wenn vom Kunden ein Notruf bei der Polizei als möglicherweise ungerechtfertigt empfunden wird – etwa bei der Überprüfung einer Alarmauslösung, bei der ein Fehlalarm als nicht unwahrscheinlich angenommen wird. Ferner kann nach Alarmauslösung durch eine Einbruchmeldeanlage oder einen Notfallknopf ein Kontrollanruf erfolgen, bei dem der Angerufene vorher vereinbarte Codewörter verwenden muss, um zu entwarnen. So kann eine fälschliche Entwarnung unter Zwang vermieden werden.
Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.
Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung eines Streifen- und Interventionsdienstes in einem Wohnviertel die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ bzgl. dieser Schutzleistung?
Die Antwort auf diese Frage hängt von der der Knappheit eingesetzter Kräfte ab. Da mit der Durchführung der Streifen betraute Kräfte nicht gleichzeitig an anderen Orten dieser (oder einer anderen) Aufgabe nachgehen können, kann bei hohem Personalbedarf bei gegebener Anzahl an verwendbarem Personal Rivalität vorliegen. Aufgrund der notwendigen Kenntnisse praktischer Umsetzung geltenden Rechts in etwas komplexeren Situationen ist eine über die Anforderungen des üblichen Objektschutzes hinausgehende Mindestqualifikation des einzusetzenden Personals anzunehmen. (Hier wäre neben schneller Situationseinschätzung bei Antreffen unbekannter Personen auf betreuten Grundstücken vor allem an Aufgaben zu denken, die eine Beleihung voraussetzen. Das „Jedermannsrecht“ mit seinen Beschränkungen und Voraussetzungen nach § 127 Strafprozessordnung hingegen ist Gegenstand der grundlegenden Unterrichtung nach § 34a Abs. 2 GewO Nr. 1. Seine verinnerlichte Kenntnis stellt also keine höhere Mindestqualifikation dar, wenn auch in der Praxis bisweilen Kompetenzüberschreitungen zu beklagen sind, die manchmal gar strafrechtliche Tatbestände wie den der Nötigung darstellen können. Hier wird erneut die Bedeutung eines verantwortungsvollen Qualitätsmanagements seitens betrauter Sicherheitsunternehmen deutlich.) Geeignetes Personal wird also in begrenzterem Maße zur Verfügung stehen als für einfachere Tätigkeiten wie etwa das Bestreifen von Firmengeländen.
Andererseits nutzt die Schutzleistung in räumlicher Nähe auch den Eigentümern von Liegenschaften, die nicht Auftraggeber der Schutzleistung sind – also liegt eine positive Externalität vor (mehr dazu s.u.).
Liegt also Verwendungsrivalität vor, können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Öffentliches Gut und Klubkollektivgut scheiden aus, es bleiben zur Auswahl privates Gut und Allmende-Gut.
Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? Hierfür muss genauer betrachtet werden, wer denn hier überhaupt der Nutznießer ist.
Die unmittelbaren Nutznießer sind die beauftragenden Kunden. Mittelbare Nutznießer sind – wenn auch in geringerem Maße – eigentlich unbeteiligte Anlieger, bei denen aufgrund eines gewissen Abschreckungseffekts aufgrund der Präsenz der Streifen ebenfalls weniger häufig eingebrochen wird. Da aber aufgrund der Kleinräumigkeit wohl der „Exklusivitäts“-Effekt diesen Mitnahme-Effekt überwiegt – andere Nachbarschaften und Stadtteile können nicht gleichzeitig von der beauftragten Streife aufgesucht werden – nehmen wir das Kriterium der Exkludierbarkeit als gegeben an. Damit verengt sich die Auswahl der Gütertypen auf einen – das private Gut.
Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?
Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, S. 8f.). Da eine privat organisierbare Marktfähigkeit vorhanden ist, ist die Bereitstellungsverantwortung nicht beim Staat anzusiedeln. Aufgrund der Zuordnung der Schutzleistung zum Typ der privaten Güter ist eine Finanzierung über Marktpreise angemessen.
Quelle:
Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.
Bei Streifen- und Interventionsdiensten in Wohnvierteln liegt neben der Bereitstellungs- und Finanzierungs-Verantwortung auch die der Herstellung in privaten Händen – staatliche Sicherheitskräfte werden private Liegenschaften typischerweise nur anlass- bzw. einsatzbezogen aufsuchen, bspw. nach Notrufen.
Eine Rolle staatlicher Stellen bei der Herstellung könnte sich allenfalls noch aufgrund von Aspekten dysfunktionaler Märkte ergeben. Kostenaspekte wie Transformations- und Transaktionskosten spielen bei der Entscheidung bezüglich der Herstellungsverantwortung in diesem Fall keine Rolle – allenfalls infrage kämen Verfahrenspräferenzkosten. Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist.
Ordnungsamt-Angehörige und Polizeibeamte handeln im Rahmen des öffentlichen Rechts grundsätzlich regelorientiert, private Sicherheitskräfte dagegen primär ergebnisorientiert (vgl. Grossekettler 1998, S. 11). Die Verringerung der Wahrscheinlichkeit von Machtmissbrauch kann eine kostenaufwendigere, aber regelorientiertere Herstellung rechtfertigen – letztlich ist das eine Präferenzfrage. Bei der Durchführung von Streifen- und Interventionsdiensten in Wohngebieten spielte die Wahrung des Neutralitätsgebotes (der Polizei) möglicherweise dann eine entscheidende Rolle, wenn die Streifen mit über das Jedermann-Recht hinausgehenden Kompetenzen versehen würden.
Relevant werden könnte das, falls zukünftig vom Gesetzgeber eine Erweiterung dieser Kompetenzen – etwa hin zur Ermöglichung von Ausweiskontrollen oder der Erteilung von Platzverweisen – in Erwägung gezogen werden sollte. Auch denkbar wäre eine Änderung der Lage beispielsweise beim wiederholten Auftreten von Kompetenzüberschreitungen durch private Streifen, die zu negativer Berichterstattung führte. In diesen Fällen wäre zu vermuten, dass ein Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in Kauf nehmen würde, um diese derzeit von privaten Auftragnehmern durchgeführten Streifen stattdessen in behördliche Hände zu legen.
Relevanter in Bezug auf die betrachtete Schutzleistung bei der der Entscheidung, wer nun herstellen soll – Staat oder Markt – ist die Prüfung, ob eine Form von Marktversagen vorliegen könnte. Hier kommen in unserem Kontext vor allem infrage: Externe Effekte (Auswirkungen auf Unbeteiligte, für die keinerlei Ausgleich erfolgt – zum Beispiel räumliche Verdrängungs- und Verlagerungseffekte von Ordnungswidrigkeiten und Straftaten im öffentlichen Raum) oder asymmetrische Informationen sowie Wettbewerbsbeschränkungen. In Bezug auf asymmetrische Informationen sind aus unserer Sicht im Zusammenhang mit dem Themenkomplex Streifen- und Interventionsdienste in Wohnvierteln hier in erster Linie principal agent– und möglicherweise adverse selection-Probleme zu bedenken, die für eine staatliche Herstellung sprechen. Dieser Aspekt kommt gewissermaßen aus der gleichen Schublade wie das Thema Verfahrenspräferenzkosten – er spielt dann eine Rolle, wenn es private Schutzleistungsanbieter zweifelhafter Vertrauenswürdigkeit gibt. Wettbewerbsbeschränkungen sind denkbar, aber in Abwesenheit eines bestehenden Marktes a priori schwer zu beurteilen. Natürliche Monopole sind nicht zu erwarten. Rationalitätsdefizite (Fragen von Wollen und Eigeninteresse, Können und kognitiven Beschränkungen – vgl. Paefgen 2009, S. 210) könnten eine Rolle spielen.
Quellen:
Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.
Paefgen, A. (2009). Rationalitätsdefizite im Handeln von Controllern: Ausprägungsformen und Gegenmaßnahmen (Vol. 34). Springer-Verlag.
Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:
Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind bei Streifen- und Interventionsdiensten in Wohngebieten zwingend privatwirtschaftlich zu regeln, insofern auch die Herstellung privat erfolgt. Die Frage der Herstellung ist ohne weitere Informationen nicht so eindeutig zu beantworten, jedoch aus unserer Sicht bei Beschränkung der Kompetenzen der Durchführenden auf das Jedermannsrecht vorzugsweise an Unternehmen zu übertragen.
Bei Herstellung der Schutzleistung durch private Dienstleister kommt es letztlich (bei der Bewertung der Kosten-Kriterien im volkswirtschaftlichen Sinne) auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen also die Rahmenumstände ebenso wie der politische Willensbildungsprozess besondere Rollen.