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Grundsätzlich obliegt die Entscheidung darüber, in welcher staatlichen oder privaten Organisationsform Schutzleistungen erbracht werden sollen, dem politisch-demokratischen Prozess, wobei (verfassungs-)rechtliche Vorgaben den grundlegenden Rahmen setzen. Die Politik- und Verwaltungswissenschaft kann diesbezüglich keine aktiv-gestaltende Rolle einnehmen, sie kann jedoch als Reflexionsinstanz zur Klärung möglicher Entscheidungskriterien beitragen. Dazu wird ein Entscheidungsrahmen eingeführt, der sowohl effektivitäts-, effizienz-, als auch legitimitätsbezogene Zielgrößen berücksichtigt. In diesem Rahmen wird auf drei Einzelkriterien Bezug genommen: (1) Strategische Relevanz, (2) Spezifität, (3) Legitimität.

Das Kriterium der strategischen Relevanz berücksichtigt die Bedeutung einer Aufgabe für die Erreichung politisch gesetzter Ziele. Insbesondere bei strategisch relevanten Aufgaben muss garantiert sein, dass deren Erbringung gewährleistet und durch den Staat kontrollierbar ist. Damit steht die Steuer- und Regulierbarkeit der Schutzleistung auf dem Prüfstand.

Ob es sich um ein Fußballbundesligaspiel handelt, ein Konzert oder ein Volksfest, (Groß-)Veranstaltungen weisen aufgrund ihres hohen Publikumsverkehrs generell ein hohes Gefährdungspotenzial für gewalttätige Übergriffe auf und stellen ein weiches Ziel für kriminelle Handlungen sowie terroristische Angriffe dar. Veranstaltungsbesucher sind davor einerseits zu schützen; andererseits stellen sie zugleich auch selbst eine Quelle für Gefährdungen der Sicherheit und Ordnung dar. Weil die Durchführung und der sichere Besuch von kulturellen, sportlichen, religiösen oder politischen Veranstaltungen Ausdruck gesellschaftlicher sowie individueller Freiheit ist und einen Kernbereich öffentlicher Sicherheit und Ordnung berührt, ist dem Veranstaltungsschutz grundsätzlich eine große Bedeutung beizumessen. Zuletzt hat die Thematik des Schutzes von Großveranstaltungen im Zuge der jüngsten Terroranschläge auf Großveranstaltungen sowie des katastrophalen Unglücksfalls auf der Love Parade 2010 in Duisburg stark an öffentlicher Aufmerksamkeit und politischer Brisanz gewonnen. Die Veranstaltungssicherheit ist seither ein Kernthema auf der innen- und sicherheitspolitischen Agenda. Der Staat ist damit bestrebt, der ihm obliegenden Regulierungs- und Aufsichtsverantwortung gerecht zu werden.

Die Erfüllungsverantwortung für einen sicheren Veranstaltungsablauf, die Sicherheit und Unversehrtheit der Besucher liegt nach § 38 der Musterversammlungsstättenverordnung hingegen beim jeweiligen privaten oder öffentlichen Veranstalter bzw. Betreiber. Der Schutz und die Gefahrenvorsorge von privatwirtschaftlichen Veranstaltungen ist nicht primär die Erfüllungsaufgabe der Polizei, sondern die des jeweiligen Veranstalters (vgl. Bernhardt, 2017; S. 11f. Pitschas 2000, S. 163f.).  Als Gesetzgeber greift der Staat an dieser Stelle primär normierend und regulierend ein, indem er beispielsweise Auflagen hinsichtlich der veranstalterseitigen Beauftragung eines Ordnungsdienstes und/oder der Erstellung eines präventiven Sicherheitskonzept erteilt (siehe § 43 Musterversammlungsstättenverordnung). Der Veranstalter kann die verschiedenen Schutzleistungsaufgaben wiederum vertraglich geregelt an private Sicherheits- und Ordnungsdienste delegieren, ihm verbleibt jedoch die Kernverantwortung. Weil den privaten Sicherheitsakteuren keinerlei spezialgesetzliche Befugnisse zufallen und sie somit allein auf Grundlage der übertragenen Hausrechtsbefugnisse sowie Jedermannrechte agieren, gelten für die staatlichen Behörden vergleichsweise geringe Kontrollpflichten. Es ist jedoch im Interesse ihrer Regulierungsverantwortung, auf potenzielle Interessenkonflikte zwischen Betreibern und Sicherheits- und Ordnungsdiensten zu achten und entsprechende Rückwirkungen auf die Sicherheitsgewährleistung durch den Veranstalter zu antizipieren. Um Schnittstellenprobleme zu vermeiden und der Gefahr einer Verantwortungsdiffusion  vorzubeugen, ist eine  frühzeitige und enge Koordination und Abstimmung aller Sicherheitsakteure einer Veranstaltung über das Sicherheitskonzept, den  Rahmen der Sicherheitsgewährleistung, aber auch die Einsatzplanung unabdingbar (vgl. auch Pitschas 2000, S. 164). Unter dieser Bedingung kann der Veranstaltungsschutz als Beispiel einer gelungenen Kooperation zwischen staatlichen und privaten Sicherheitsakteuren gelten.

 

Quellen: 

Bernhardt, H. (2017). Der Einsatz nichtstaatlicher Sicherheitskräfte bei Veranstaltungen Handbuch für Veranstalter, Betreiber von Veranstaltungsstätten und Führungskräfte der Sicherheitsdienste. Berlin: Beuth.

Pitschas, R. (2000). Polizei und Sicherheitsgewerbe. Rechtsgutachten zu verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Aspekten der Aufgabenverteilung zwischen Polizei und privaten Sicherheitsunternehmen. BKA-Forschungsreihe, Bd. 50. Wiesbaden: Bundeskriminalamt. 

Mit dem Prüfkriterium der Spezifität wird ein Maß für die Einzigartigkeit des mit einer Aufgabenerfüllung verbundenen Mitteleinsatzes eingeführt. Dies setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen, die den Einsatz spezialisierter Technologien oder Anlagen, spezifische Ausstattungen, Qualifikationen, Verfahrensregeln und Kompetenzen betreffen und als Auslagerungshürden gelten.

Beim Schutz von Veranstaltungen wirken Polizei und private Sicherheits- und Ordnungsdienste oftmals arbeitsteilig nebeneinander. Während es die Aufgabe der Polizei ist, auf Grundlage hoheitlicher Befugnisse eigenverantwortlich Maßnahmen der konkreten Gefahrenabwehr zu ergreifen und die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten sowie Verkehrsmaßnahmen durchzusetzen, übernimmt sie keine Zuständigkeit für die Sicherheitsaufgaben des Veranstalters. Diese Aufgaben, die etwa die Kontrolle an den Ein- und Ausgängen betreffen, werden stattdessen vom beauftragten privaten Dienstleister übernommen.  Zu deren Vollzug verfügen die Sicherheitskräfte über keine hoheitlichen Befugnisse bzw. Eingriffsrechte. Sie sind daher allein berechtigt, das übertragene Hausrecht ihrer Auftraggeber durchzusetzen. Im Gegensatz zu Polizisten sind sie unbewaffnet und agieren allein auf Grundlage der üblichen Jedermann- bzw. Notwehrrechte (vgl. auch Bernhardt, 2017, S. 66f.). Umso wichtiger ist es, dass sie hinsichtlich der Eigensicherung professionell qualifiziert sind. Darüber hinaus gelten die üblichen Standards der Unterrichtung bzw. Sachkundeprüfung nach § 34a Abs. 1a GewO. Die hier vermittelten Inhalte werden jedoch weder den Anforderungen des Sicherheitsdienstes noch des Ordnungsdienstes bei Veranstaltungen gerecht, sodass diesbezüglich weitere Schulungen erfolgen sollten. Spezifische Kompetenzen, Ausstattungen und Ressourcen sind für den Vollzug dieser Schutzleistung in der Regel nicht notwendig, sodass hinsichtlich des Tätigkeitsprofil der privaten Sicherheitsakteure von einer vergleichsweise geringen Spezifität ausgegangen werden kann. Eine Durchführung dieser Aufgaben durch private Akteure erscheint daher – auch vor dem Hintergrund der Ressourceneffizienz – als funktional. Hingegen sollten diejenigen Aufgaben, die mit dem Einsatz repressiver Mittel einhergehen und damit spezifische rechtliche Befugnisse voraussetzen, weiterhin allein den Polizeikräften vorbehalten sein. 

Es ist jedoch zu betonen, dass auch wenn Privatunternehmen hier operativ viele Sicherheitsaufgaben übernehmen,  die öffentlichen Behörden keinesfalls von der Gewährleistungspflicht befreit werden sollten, für die Veranstaltungssicherheit Sorge zu tragen (Pitschas, 2000, S. 168). 

 

Quellen: 

Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 29. November 2018 (BGBl. I S. 2666) geändert worden ist. (2018).

Bernhardt, H. (2017). Der Einsatz nichtstaatlicher Sicherheitskräfte bei Veranstaltungen Handbuch für Veranstalter, Betreiber von Veranstaltungsstätten und Führungskräfte der Sicherheitsdienste. Berlin: Beuth.

Pitschas, R. (2000). Polizei und Sicherheitsgewerbe. Rechtsgutachten zu verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Aspekten der Aufgabenverteilung zwischen Polizei und privaten Sicherheitsunternehmen. BKA-Forschungsreihe, Bd. 50. Wiesbaden: Bundeskriminalamt.

Mit dem Prüfkriterium der Legitimität wird der politikwissenschaftlichen Einsicht Rechnung getragen, dass staatliches Handeln und Entscheiden nicht allein an den Maßstäben von Effektivität und Effizienz bemessen werden sollte, sondern auch an der faktischen Akzeptanz, die es durch die verschiedenen Anspruchsgruppen erfährt.

Zuletzt haben die Geschehnisse auf der Love Parade in Duisburg im Jahr 2010 sowie die Terroranschläge von Paris, Manchester und Ansbach die Frage der Sicherheitsgewährleistung von (Groß-)Veranstaltungen wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt und zugleich auch die Grenzen der Sicherheit verdeutlicht. Veranstalter, öffentliche Behörden, aber auch beauftragte private Dienstleister stehen damit unter einer starken gesellschaftlichen Beobachtung. Der Staat als Gesetzgeber ist verpflichtet, die öffentliche Sicherheit zu garantieren; ob er dieser Pflicht nachkommt, wird insbesondere auch anhand der Sicherheit von Veranstaltungen gemessen. Gerade in Anbetracht der jüngst vergangenen Ereignisse ist das gesellschaftliche Sicherheitsbedürfnis diesbezüglich stark gestiegen. Doch nicht allein die Veranstaltungssicherheit, sondern insbesondere auch die Thematik der Übernahme von Kosten, die durch den Veranstaltungsschutz entstehen, stand jüngst im Fokus der öffentlichen Debatte (vgl. insbesondere: Die Frage der privaten bzw. staatlichen Verantwortung wurde hier mit Bezug auf die Finanzierungspflicht für Polizeieinsätze im Rahmen kommerzieller Großveranstaltungen politisch diskutiert und rechtlich verhandelt (vgl. Bundestag 2018)).

Das Handeln von Polizei und Sicherheits- und Ordnungsdiensten beim Schutz von (Groß-)Veranstaltungen steht damit unter starker gesellschaftlicher Beobachtung. Grundsätzlich ist die Zusammenarbeit und Arbeitsteilung zwischen Polizei und privaten Sicherheitskräften und Mitarbeitern im Veranstaltungsordnungsdienst in diesem Feld jedoch gut etabliert und zählt zum gewohnten Alltagsbild. Daran, dass private Dienstleister hierin ein wesentliches Betätigungsfeld haben und vielfältige Tätigkeiten zur Sicherheit und Ordnung übernehmen, wird kaum mehr grundsätzlich Anstoß genommen. Es wird vielmehr anerkannt, dass private Dienstleister im Zusammenspiel mit öffentlichen Behörden und Veranstaltern einen unerlässlichen Beitrag zur Veranstaltungssicherheit leisten. Wie jüngst am vieldiskutierten Fall des Musikfestivals „Fusion“ deutlich wurde, kann hingegen auch an einer als zu stark empfundenen polizeilichen Präsenz auf einer öffentlichen Veranstaltung Anstoß genommen werden (vgl. Thurm, 21. Mai 2019). Dies verdeutlicht, dass je nach Veranstaltung unterschiedliche Interessenkonstellationen von Kommunen, Sicherheitsbehörden, Veranstaltern sowie Besuchern und Bürgern aufeinandertreffen. Eine Einschätzung der Akzeptanz für den Einsatz privater und öffentlicher Sicherheitsakteure bedarf somit der Einzelfallbetrachtung.

 

Quellen: 

Bundestag (2018). Polizeieinsatzkosten bei sogenannten Hochrisikospielen. Dokumentation des Wissenschaftlichen Dienstes. Abgerufen am 05.08.2019 von https://www.bundestag.de/resource/blob/554978/0c0f4add4d2e228971dc2386665d61b0/WD-10-012-18-pdf-data.pdf.

Thurm, F. (21. Mai 2019). Polizei lenkt im Streit um Fusion Festival ein. Abgerufen am 05.08.2019 von https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-05/polizeieinsatz-fusion-festival-wasserwerfer-kompromiss.

Die Sicherheit und Ordnung bei (Groß-)Veranstaltungen berührt einen Kernbereich der inneren Sicherheit. Aufgrund der damit einhergehenden hohen strategischen Relevanz obliegt dem Staat grundsätzliche eine Regulierungs- und Aufsichtsverantwortung. Die konkrete Gewährleistungs- und Erfüllungsverantwortung für einen sicheren Veranstaltungsablauf liegt hingegen beim jeweiligen privaten oder öffentlichen Veranstalter bzw. Betreiber. Gleichwohl hat sich in der Praxis eine zielführende Zusammenarbeit zwischen staatlichen und privaten Sicherheitsakteuren eingespielt, die deren unterschiedlichen spezifischen  Befugnissen sowie Verantwortlichkeiten gerecht wird.