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Das Ziel der juristischen Analyse von Sicherheitsdienstleistungen besteht in der Herausbildung einer unverbindlichen rechtlichen Einordnung, die die zu beachtenden Rahmenbedingungen einer Schutzleistung aufzeigen soll. Da eine umfassende juristische Bewertung im Zuge dieser Analyse aufgrund der Komplexität nicht verfolgt werden kann und nur den grundlegenden Rechtsrahmen veranschaulicht werden soll, sei darauf hingewiesen, dass die Ausführungen keinesfalls als juristisches Gutachten zu verstehen sind und somit keinen Anspruch haben, bindende Wirkung zu entfalten.

 

Zusammenfassend soll die grundsätzliche rechtliche Realisierbarkeit einer Schutzleistung mit allgemeinen juristischen Analogien beschrieben werden. Daher können nur die wesentlichen Rechtsansichten dargestellt und verkürzte Meinungsstreits behandelt werden. Anhand dieser Ergebnisse soll im Fazit eingeschätzt werden, inwiefern eine Schutzleistung von Privaten aus juristischer Perspektive geleistet werden kann und ob diese an weitere Bedingungen geknüpft werden muss.

 

Weiterführende Bemerkungen sind dem Beitrag zur Erklärung der juristischen Perspektive zu entnehmen.

Bei Veranstaltung, insbesondere aber bei Großveranstaltungen wie Sport-, Musik- und Volksfestveranstaltungen, spielen die durch das durch hohe Besucheraufkommen begründeten Risiken eine besonders große Rolle. Wie das katastrophal geendete Beispiel der Loveparade 2010 in Duisburg gezeigt hat, ist sowohl die Planung als auch die Durchführung einer Veranstaltung ausschlaggebend für einen reibungslosen Ablauf – somit also vornehmlich auch die Qualität des zuständigen Sicherheits- und Ordnungspersonals. Dieses ist üblicherweise mit der Einlasskontrolle und dem Personenschutz betreut und dabei mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert, wie etwa Personenverdichtungen mit Gedränge und Überfüllung, Anschläge, Amokläufe, Konflikte durch Alkohol und oder Rauschmittel, Wetterereignisse, aber insbesondere auch die in der Sicherheitsbranche klassisch anzutreffenden Konfliktpotenziale.[1] In Abgrenzung zum Ordnungsdienst soll im Folgenden der Fokus auf dem Sicherheitspersonal liegen.

Trotz des hohen Konfliktpotentials werden die Kompetenzen des hausrechtsausübenden Sicherheitspersonals, mit Ausnahme der leitenden Mitarbeiter, die eine Sachkundeprüfung im Sinne des § 34 a GewO nachweisen müssen, grundsätzlich nur über die allgemeinen Grenzen des Öffentlichen Rechts als auch des Zivil- und Strafrechts bestimmt, die folgend zusammengefasst werden.

Quellen:

[1] El Bureiasi, Sichere Großveranstaltungen im Freien – Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, NVwZ 2019, 1151 (1152).

1. Gewaltmonopol des Staates ≠ Sicherheitsmonopol – Art. 33 Abs.4 GG

Das aus Art. 20 Abs. 2 GG abgeleitete Rechtsstaatsprinzip und die in Art. 33 Abs. 4 GG verankerte Konkretisierung überträgt die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel den Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Folgt man der Ansicht, dass der Staat allerdings nur das Gewaltmonopol besitzt, nicht aber das umfassende Sicherheitsmonopol, so kommt man zu dem Schluss, dass die private „Gewaltgestattung“ auf der Basis von Jedermann- und Selbsthilferechten grundsätzlich zulässig ist.[1] Das Rechtsinstitut der klassischen Beleihung scheitert an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit nach Art. 33 Abs. 4.[2]

2. Zugangsvoraussetzungen für Sicherheitsmitarbeiter – § 34 a Abs. 1a S. 2 Nr. 5 GewO

Bei der Durchführung von Bewachungen von zugangsgeschützen Großveranstaltungen gelten die Einsztellungsvoraussetzungen für Sicherheitsmitarbeiter nach § 34 a Abs. 1a S. 2 Nr. 5 GewO.[3] Hiervon betroffen sind nur die Mitarbeiter, die in leitender Funktion tätig werden. Diese müssen die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen und eine vor der Industrie- und Handelskammer erfolgreich abgelegten Sachkundeprüfung nachweisen. Daraus folgt, dass die übrigen Sicherheitsmitarbeiter keiner Sachkundeprüfung bedürfen.[4]

3. Jedermann-Rechte: Notwehr und Nothilfe – §§ 32 StGB, 15 OWiG, 227 BGB

Sobald das Eigentum oder Leib und Leben der Gäste oder von Dritten angegriffen oder bedroht wird, darf der Gewerbetreibende und seine Beschäftigten bei der Durchführung von Bewachungsaufgaben gegenüber Dritten nur die Rechte, die Jedermann im Falle einer Notwehr, eines Notstandes oder einer Selbsthilfe zustehen, die ihnen vom jeweiligen Auftraggeber vertraglich übertragenen Selbsthilferechte sowie die ihnen gegebenenfalls in Fällen gesetzlicher Übertragung zustehenden Befugnisse eigenverantwortlich ausüben.[5] Dabei zu beachten ist, dass in den Fällen der Inanspruchnahme dieser Rechte und Befugnisse der Grundsatz der Erforderlichkeit zu beachten ist.[6] Davon umfasst sind die im Rahmen des Hausrechtsbereichs zustehenden Rechte, etwa das Aussprechen eines Hausverbots, die Aufforderung zum Unterlassen, je nach Intensität des Angriffs auch die Anwendung von körperlichem Zwang zur Zurückhaltung und Ergreifung, um den Angreifer der Polizei zu übergeben.[7]

4. Zivilrechtliche Selbsthilferechte – §§ 229, 859, 860 BGB

Sobald vertraglich delegierte Rechte des Besitzers wahrgenommen werden, ist es im Rahmen der zivilrechtlichen Selbsthilfe auch dem Besitzdiener erlaubt das Hausrecht z. B. in Form von oberflächlichen Durchsuchungen oder der Entfernung eines Störers durchzusetzen. Dieses Recht endet an der Grenze des befriedeten Besitztums, so dass keine Durchsetzung des Hausrechts auf angrenzendem öffentlichen Straßenraum möglich ist.[8] Daher ist nur der Schutz von Individualrechtsgütern davon umfasst.[9] Ferner gelten unter Beachtung der Selbsthilfe nach § 230 BGB folgenden Handlungen als gerechtfertigt:[10]

  • Wegnahme, Zerstörung, Beschädigung von Sachen

  • Festnahme des Fluchtverdächtigen

  • Beseitigung von Widerstand auf Seiten des Täters mit Mitteln der Gewalt.

5. Zivilrechtliche Notstände – §§ 228, 904 BGB

Durch den sog. Verteidigungsnotstand, der in § 228 BGB kodifiziert ist und durch den Angriffsnotstand gem. § 904 BGB ergänzt wird, kann auf fremde Sachen eingewirkt werden, die eine Gefahr ausstrahlen. Vorstellbar sind etwa die Angriffe von Hunden, die zwar im Sinne des § 90 a BGB keine Sachen darstellen, jedoch rechtlich wie solche zu behandeln sind.[11]

6. Festnahmerecht – § 127 I StPO

Schließlich sind die Sicherheitsmitarbeiter, die für Sicherheit bei (Groß-)Veranstaltungen eingesetzt werden gem. § 127 Abs. 1 StPO zur vorläufigen Festnahme befugt, sofern eine Identitätsfeststellung des Täters nicht möglich ist oder ein Fluchtverdacht besteht und dem ein Hausfriedensbruch gem. § 123 StGB vorausgegangen ist.[12] Das Festhalten eines Gastes oder Störers kann in Abhängigkeit der Schwere eines vorausgegangenen Delikts und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch ein festes Zupacken, Fesseln oder im Extremfall das Abgeben eines Warnschusses erlauben.[13] In beiden Fällen ist das Festhalterecht nur bis zum Eintreffen von Polizeibeamten zulässig.

Quellen:

[1] Vgl. Pielow in: Stober/Olschok, Handbuch des Sicherheitsgewerberechts, Kap. F. III, Rn. 12; Stober, Rolf, Staatliches Gewaltmonopol und privates Sicherheitsgewerbe, NJW 1997, 889 (889); Stober, Rolf, Private Sicherheitsdienste als Dienstleister für die öffentliche Sicherheit?, ZRP 2001, 260 (261).

[2] Klüver, Zur Beleihung des Sicherheitsgewerbes mit Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, S. 305-307.

[3] Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, § 34a, Rn. 38.

[4] Arning, in: Stober/Olschok/Gundel/Buhl, Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, Kap. B, Rn. 811.

[5] Pielow in: Stober/Olschok, Handbuch des Sicherheitsgewerberechts, Kap. F. III, Rn. 26.

[6] Siehe § 34a Abs. 5 S. 1 u. 2 GewO.

[7] Stober, Gesetzlich normierte Kooperation zwischen Polizei und privaten Sicherheitsdiensten, S. 125.

[8] Pielow in: Stober/Olschok, Handbuch des Sicherheitsgewerberechts, Kap. F III, Rn. 27.

[9] Arning, in: Stober/Olschok/Gundel/Buhl, Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, Kap. B, Rn. 812.

[10] Panne, in: Stober/Olschok/Gundel/Buhl, Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, Kap. J, Rn. 15.

[11] Panne, in: Stober/Olschok/Gundel/Buhl, Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, Kap. J, Rn. 17.

[12] Panne, in: Stober/Olschok/Gundel/Buhl, Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, Kap. J, Rn. 19.

[13] Weiner, Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben, S. 247-248.

Auch wenn bei Großveranstaltungen und deren Zugangskontrollen wesentliche Elemente mit der Ausführung von Sicherheitsdiensten in gastgewerblichen Discotheken gleichzusetzen wären und somit ebenfalls eine Sachkundeprüfung für alle Mitarbeiter nach § 34 a Abs. 1a S. 2 Nr. 3 GewO vorausgesetzt wäre, ist hier eine Analogie zu verneinen, da es sich um eine nicht erweiterungsfähige Ausnahmevorschrift handelt.[1]

Auch bei Großveranstaltungen wirft die Beauftragung von privaten Sicherheitsmitarbeitern durch grundrechtsgebundene Hausrechtsinhaber durch unzureichende gesetzliche Vorgaben Fragen beispielsweise hinsichtlich der Schutzpflichten gegenüber Dritten auf.[2] Ferner äußert sich dies auch im Rahmen der Identitätsfeststellung, bei der es sich um eine Eingriffsverwaltung handelt. Diese kann nur durch die Hilfe der Polizei durchgeführt werden. Andernfalls käme nur eine künftige Beleihung infrage, die den privaten Sicherheitsmitarbeitern öffentlich-rechtliche Befugnisse übertragen müsste.[3]

Schließlich stehen regelmäßig datenschutzrechtliche Bedenken zur Debatte, etwa bei der Durchführung von Videoüberwachung bei Großveranstaltungen, deren Anwendung nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei tatsächlichen Anhaltspunkten für Gefahren für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit im Rahmen des Hausrechts erfolgen darf und gleichzeitig die Bestimmungen der DSGVO gewahrt werden.[4]

[1] Ennuschat, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, § 34a, Rn. 38.

[2] Vgl. Ernst, Die Wahrnehmung des öffentlichen Hausrechts durch private Sicherheitsdienste, NVwZ 2015, 333 (337 f.).

[3] Klüver, Zur Beleihung des Sicherheitsgewerbes mit Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, S. 229; Stober, Gesetzlich normierte Kooperation zwischen Polizei und privaten Sicherheitsdiensten, S. 126.

[4] Mehr dazu etwa in: Müller-Eiselt, Abwehr terroristischer Bedrohungen bei Fußballspielen, NVwZ 2016, 643 (646 ff.).

Vereinfacht kann zusammengefasst werden, dass grundsätzlich private Sicherheitsmitarbeiter den Zugang und die Absicherung „des Inneren“ einer Veranstaltung übernehmen, hingegen der umliegende öffentliche Raum unverändert durch Polizeikräfte übernommen wird. Trotz des organisatorischen Näheverhältnisses zur Polizei bei der Ausübung der Aufgabenbereiche, müssen nur Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in leitenden Funktionen eine Sachkundeprüfung vorweisen. Die eingesetzten Mitarbeiter stützen sich beim Schutz von Veranstaltungen auf die jeweiligen Hausrechtsbefugnisse und Jedermannrechte. Trotz des eingeschränkten Handlungsspielraums kann davon ausgegangen werden, dass allein durch die Präsenz des privaten Sicherheitspersonals und insbesondere die Interventionsarbeit im Zusammenspiel mit den legitimierten Behörden eine zielorientierte Steigerung des Sicherheitsniveaus möglich gemacht werden kann.

El Bureiasi, Achmed, Sichere Großveranstaltungen im Freien – Handlungsbedarf für den Gesetzgeber, NVwZ 2019, 1151 ff.

Ernst, Christian, Die Wahrnehmung des öffentlichen Hausrechts durch private Sicherheitsdienste, NVwZ 2015, 333 ff.

Klüver, Meike, Zur Beleihung des Sicherheitsgewerbes mit Aufgaben der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Carl Heymanns Verlag, Köln 2006

Landmann, Robert von / Rohmer, Ernst (Hrsg.), Gewerbeordnung, 77. EL, C.H. Beck, München 2018
Zit.: Bearbeiter, in: Landmann/Rohmer, GewO, §, Rn.

Martini, Mario / Nink, David / Wenzel, Miachael, Bodycams zwischen Bodyguard und Big Brother, NVwZ 2016, 1772 ff.

Mitsch, Wolfgang, Strafrechtsbezüge von Fahrkartenkontrollen in öffentlichen Verkehrsmitteln, NZV 2014, 545 ff.

Pielow, Hans-Christian (Hrsg.), Beck’scher Online Kommentar Gewerbeordnung, 42. Edition, Verlag C.H.BECK, München, Stand: 01.07.2018
Zit.: Bearbeiter, in: BeckOK GewO, §, Rn.

Spiecker gen. Döhmann, Indra / Bretthauer, Sebastian, Dokumentation zum Datenschutz, 74. Aufl., Frankfurt a.M. 2019
Zit.: Bearbeiter, in: Spiecker gen. Döhmann/Bretthauer, GewO, Dokumentation zum Datenschutz.

Stober, Rolf, Gesetzlich normierte Kooperation zwischen Polizei und privaten Sicherheitsdiensten, Carl Heymanns Verlag, Hamburg 2007

Stober, Rolf, Private Sicherheitsdienste als Dienstleister für die öffentliche Sicherheit?, ZRP 2001, 260 ff.

Stober, Rolf, Staatliches Gewaltmonopol und privates Sicherheitsgewerbe, NJW 1997, 889 ff.

Stober, Rolf / Olschok, Harald (Hrsg.), Handbuch des Sicherheitsgewerberechts, C.H. Beck, München 2004
Zit.: Bearbeiter, in: Stober/Olschok, Handbuch des Sicherheitsgewerberechts, Kap., Rn.

Stober, Rolf / Olschok, Harald / Gundel, Stephan / Buhl, Manfred (Hrsg.), Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2012
Zit.: Bearbeiter, in: Stober/Olschok/Gundel/Buhl, Managementhandbuch Sicherheitswirtschaft und Unternehmenssicherheit, Kap., Rn.

Tettinger, Peter / Wank, Rolf / Ennuschat, Jörg (Hrsg.), Gewerbeordnung, 8. Aufl., C.H. Beck, München 2011
Zit.: Bearbeiter, in: Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, §, Rn.

Weiner, Bernhard, Privatisierung von staatlichen Sicherheitsaufgaben, Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2001