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Grundsätzlich obliegt die Entscheidung darüber, in welcher staatlichen oder privaten Organisationsform Schutzleistungen erbracht werden sollen, dem demokratischen Verfassungsprozess. Die Politik- und Verwaltungswissenschaft kann diesbezüglich keine aktiv-gestaltende Rolle einnehmen, sie kann jedoch als Reflexionsinstanz zur Klärung möglicher Entscheidungskriterien beitragen und gegebenenfalls entsprechende Empfehlungen formulieren. Dazu wird ein Entscheidungsrahmen eingeführt, der sowohl effektivitäts-, effizienz-, als auch legitimitätsbezogene Zielgrößen berücksichtigt. In diesem Rahmen wird auf drei Einzelkriterien Bezug genommen: (1) Strategische Relevanz, (2) Spezifität, (3) Legitimität.

Um die Frage nach den Möglichkeiten der Beteiligung privater Sicherheitsakteure an der Erbringung von Schutzleistungen zu beantworten, bedarf es grundsätzlich einer die jeweilige Schutzleistung in den Blick nehmenden Einzelfallbegutachtung. Diese Einzelfallbegutachtung muss durch systematische Überlegungen zum öffentlichen bzw. privaten Charakter einer Schutzleistung angeleitet werden, aus denen sich gegebenenfalls die konkreten Möglichkeiten und Restriktionen einer (teil-)privaten Leistungserbringung ergeben.

Ähnlich wie auch in der Rechts- oder der Wirtschaftswissenschaft so wird auch in der Politik- und Verwaltungswissenschaft seit geraumer Zeit die Frage diskutiert, unter welchen Voraussetzungen und bis zu welchem Grad private Akteure in die Wahrnehmung und Erfüllung öffentlicher Aufgaben eingebunden werden können (Naschold et al., 1996). Anlass zur Diskussion gibt zum einen die Einsicht, dass der Staat in vielen Aufgabenfeldern angesichts neuer, komplexer Herausforderungen auf die Unterstützung durch private Akteure angewiesen ist. Zum anderen existiert die Hoffnung, durch entsprechende Privatisierungs- und Auslagerungsprozesse ließen sich Effizienzgewinne und Kosteneinsparungen realisieren. Andererseits besteht die Befürchtung, dass durch die Mitwirkung und die Geschäftsinteressen privater Akteure Gemeinwohlbelange schleichend aus dem Blick geraten und damit an Relevanz einbüßen könnten.

Die faktische Entscheidung darüber, ob und in welchem Maße private Akteure an der Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe beteiligt sein können und sollten, obliegt dem politisch-demokratischen Prozess, wobei (verfassungs-)rechtliche Vorgaben den grundlegenden Rahmen setzen (Bogumil & Naschold,  1998, S. 58). Die Wissenschaft kann diesbezüglich nur eine indirekt gestaltende Rolle einnehmen, sie kann jedoch als Reflexionsinstanz zur Klärung möglicher Bewertungsmaßstäbe beitragen.

Die wirtschaftswissenschaftliche Perspektive ist dadurch gekennzeichnet, dass sie öffentliche Aufgaben primär aus Marktversagen ableitet, wodurch die strategische Dimension und damit die genuine Notwendigkeit von Staatsaufgaben oftmals unterbelichtet bleibt (Benz, 2001, S. 189; Bogumil & Naschold 1998, S. 58). Demgegenüber zeichnet die politik- und verwaltungswissenschaftliche Perspektive aus, dass sie in erster Linie den Staat als Akteur zum Ausgangspunkt ihrer Analyse macht, um einzuordnen, welche Aufgaben notwendigerweise vom Staat zu erfüllen und zu gewährleisten sind und welche an den Markt delegiert werden können. Die Schlüsselfrage dabei ist, ob bzw. zu welchen Teilen eine Schutzleistung in den Bereich der sogenannten öffentlichen Aufgaben fällt. Sofern eine Schutzleistung weder in Gänze noch zu Teilen als eine öffentliche Dienstleistung eingeordnet werden kann, sondern einen privaten Charakter hat, sind einer Überlassung einer (Teil-) Aufgabe an private Akteure keine verfassungsrechtlichen Grenzen gesetzt. Dies gilt beispielsweise für Schutzleistungen, die in den Bereich des Werksschutzes fallen. Für Schutzleistungen mit öffentlichem Aufgabencharakter hingegen gelten deutlich engere Maßstäbe, was eine Beteiligung privater Akteure betrifft.

Wenngleich der Begriff der öffentlichen Aufgabe trotz aller verfassungsrechtlicher Näherungsversuche noch immer unscharfe Konturen aufweist (Rütsche, 2013; Naschold & Bogumil, 1998, S. 55), werden öffentliche Aufgaben gemeinhin dadurch bestimmt, dass ein öffentliches Interesse an der staatlichen Aufgabenerfüllung vorliegt und sich also ein konkreter Gemeinwohlbezug ableiten lässt (vgl. Funck,  2008, S. 25; Reichard, 2004; Schröter & Reichard, 2013, S. 14). Die konkrete Einordnung einzelner Aufgaben unterliegt dabei jedoch einem gesellschaftlichen Wertewandel (Grimm, 1994) und bedarf also letztlich der Konkretisierung durch die Politik (Benz, 2001; Reichard, 2001, S. 68ff.). Typischerweise werden Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit und Ordnung als Staatsaufgaben definiert und insofern mit einem Staats- bzw. Funktionsvorbehalt versehen (Mayntz, 1997, 44). Konsens ist, dass diese Aufgaben also nur von staatlichen Organen wahrgenommen werden dürfen. In erster Linie betrifft dies Aufgaben, deren Erfüllung typischerweise mit Grundrechtseingriffen einhergeht, somit hoheitliche Befugnisse verlangt und also direkt an das staatliche Gewaltmonopol geknüpft sind.

Mit dem Wandel des Leistungsstaates zum sogenannten „Gewährleistungsstaat“ (Jann, 2002) hat sich in der Politik- und Verwaltungswissenschaft eine weitergehende Unterscheidung von öffentlichen Aufgaben etabliert, nach der auf der einen Seite noch einmal zwischen öffentlichen Kern- und Gewährleistungsaufgaben differenziert wird (siehe Tabelle 1; vgl. Mayntz, 1997; Naschold & Bogumil,  2000, S. 68f.). Auf der anderen Seite werden Aufgaben mit nicht öffentlichem Charakter differenziert nach privaten Kernaufgaben und den sogenannten Ergänzungsaufgaben, d. h. Aufgaben, die nach gesellschaftlichem Konsens nicht als öffentlich eingestuft werden, die jedoch der Staat übernehmen könnte, etwa sofern dies wirksamer und wirtschaftlicher ist (z. B. Grünflächenpflege). Die Prüfung der Frage, wer eine Schutzleistung herstellen und/oder bereitstellen sollte, setzt damit eine Zuordnung der Schutzleistung zu diesen vier Aufgabentypen voraus.  

Tabelle 1: Öffentliche und nicht-öffentliche Aufgabe

Der Grundgedanke des Gewährleistungsmodells ist die Verantwortungsteilung zwischen Staat als Auftraggeber und Gewährleister und öffentlichen oder privaten Akteuren als Auftragnehmern und Leistungserbringern. Eine damit einhergehende Systematisierung der Aufgabentypen erfolgt über eine Aufschlüsselung nach verschiedenen Varianten der Verantwortungsübernahme (Reichard, 2004; siehe Tab. 2). Auch bei den öffentlichen Aufgaben ist es demnach unter Umständen möglich und sogar angebracht, dass der Staat sich seiner unmittelbaren Erfüllungs- bzw. Vollzugsverantwortung entledigt. Dies setzt jedoch voraus, dass er weiterhin die Gewährleistungs- bzw. Finanzierungsverantwortung trägt und damit die zentrale Regulierungsinstanz bleibt und gegebenenfalls auch die Auffangverantwortung trägt (Reichard, 2004; siehe Tab. 2). Dies kennzeichnet die so genannten Gewährleistungsaufgaben.

Tabelle 2: Aufgabenteilung im Gewährleistungsstaat

Der Staat sieht in manchen Bereichen bewusst davon ab, die ihm obliegenden Leistungen selbst zu produzieren, sondern ermöglicht Privaten im Rahmen strenger regulativer Vorgaben die Aufgabenerledigung (Schoch, 2008, S. 148). Faktisch handelt es sich bei öffentlichen Aufgaben damit um staatlich oder privat erbrachte Leistungen, bei denen der Staat als Aufgabenträger im Sinne der Gewährleistungsverantwortung jedoch grundsätzlich garantiert, dass eine spezifische Leistung zu bestimmten Qualitätskriterien erbracht wird (Schröter/Reichard, 2013, S. 15). Gewährleistungsverantwortung meint in diesem Sinne die Pflicht, darauf hinzuwirken, dass öffentliche Aufgaben von Privaten gemeinwohlorientiert wahrgenommen werden. Als Gewährleister öffentlicher Aufgaben hat der Staat im Gewährleistungsmodell im Prinzip bei jeder Aufgabe die Entscheidung zu treffen, ob sie im Rahmen der Eigenerstellung oder der Fremdbeauftragung vollzogen werden sollen (Make-or-buy-Entscheidung). Diesbezüglich hat er eine große Palette unterschiedlicher institutioneller Modelle zur Auswahl, die von einfachen Auftraggeber-Auftragnehmer-Konstellationen im Sinne eines Contracting out, über komplexere Auslagerungsformen bis hin zu Öffentlich-Privaten-Partnerschaften reichen (vgl. Schröter/Reichard, 2013).

Wann aber empfiehlt sich eine reine interne Erstellung, wann eine externe Beauftragung und was ist dann gegebenenfalls die optimale Form der Kooperation zwischen Staat und Privat? Um diese Frage nicht dogmatisch oder ideologisch, sondern vielmehr analytisch zu ergründen, greift die Politik- und Verwaltungswissenschaft in der Regel auf den Ansatz der Leistungstiefenmethodik zurück. Damit kann die notwendige staatliche Leistungstiefe öffentlicher Leistungen bestimmt und somit eine Schlussfolgerung hinsichtlich einer adäquaten Aufgabenteilung zwischen staatlichen Behörden und privaten Akteuren gezogen werden. Dieser Ansatz kann auch bei der Begutachtung einzelner Schutzleistungen bzw. deren Teilleistungen zu Rate gezogen werden. Dazu wird ein Entscheidungsrahmen eingeführt, der sowohl effektivitäts-, effizienz- als auch insbesondere legitimationsbezogene Kriterien berücksichtigt. In diesem Rahmen wird im Einzelnen auf folgende Einzelkriterien Bezug genommen: (1) Strategische Relevanz, (2) Spezifität, (3) Legitimität (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Übersicht über die Prüfkriterien

(1) Strategische Relevanz

Mit diesem Prüfkriterium wird auf die Bedeutung einer Aufgabe für die Erreichung zentraler politischer Ziele (sozialer Frieden, Sicherheit und andere Arten der Daseinsvorsorge) Bezug genommen (Schedler, 2000, S. 61). Als Gegengewicht zum rein ökonomischen Effizienzkalkül wird also ein zentraler politischer Aspekt eingeführt, der gerade für die Steuerungsfähigkeit staatlichen Handels von großer Bedeutung ist. Eine Schutzleistung hat demnach dann eine hohe strategische Relevanz, wenn deren Auslagerung das staatliche Risiko deutlich erhöht, politisch definierte Ziele nicht zu erreichen, also die staatliche Steuerungsfähigkeit gefährdet ist. Insbesondere bei strategisch relevanten Aufgaben muss garantiert sein, dass deren Erbringung durch den Staat als Gewährleister überprüfbar, kontrollierbar und nachjustierbar ist. Damit stehen die Möglichkeiten und die Kosten der staatlichen Regulierung und Kontrolle der Leistungserfüllung im Fall einer privaten Bereitstellung auf dem Prüfstand.

Folgende Merkmale können auf eine hohe strategische Relevanz hindeuten (Stienen, 2011, Naschold et al., 1996, S. 46): Hohe politische Salienz, Unverzichtbarkeit der Leistung zur Erreichung zentraler politischer Ziele, Funktion der Abwehr der Gefährdung des Staates in seinem Bestehen, existentielle Gefahrenlagen bei fehlerhafter Erbringung, hohe Geheimhaltungspflichten, Überwachungs- und Kontrollkosten. Weil es mit dem Grad an Auslagerung für den Staat zunehmend schwierig ist, die Leistungserstellung durch einen privaten Akteur in diesem Sinne zu steuern und für die Leistungserfüllung zu garantieren, sollte bei hoher strategischer Relevanz eher eine staatliche Eigenerstellung in Betracht kommen. Bei einer geringen strategischen Relevanz kann tendenziell eine private Erstellung erwogen werden. Sofern an der Erfüllung strategisch relevanter Leistungen dennoch in Teilen Private beteiligt sind, gelten hier hohe Standards bezüglich der Pflicht, durch strenge staatliche Regulierungs- und Kontrollmechanismen eine opportunistische Verfolgung eines rein privaten Nutzeninteresses zu unterbinden. Insofern sich privatwirtschaftliche Unternehmen außerhalb des hierarchischen Zusammenhangs der Exekutive befinden und daher nicht im Rahmen der demokratischen Kontrollkette für ihr Handeln unmittelbar verantwortlich gemacht werden, entstehen hier einerseits große Kontrollherausforderungen und andererseits große Kontrollpflichten.

Um zu beurteilen, ob und zu welchen Teilen eine Schutzleistung an nicht staatliche Akteuren ausgelagert werden kann, gilt es demnach in den Blick zu nehmen, welche öffentlichen bzw. letztlich legislativen Kontrollmechanismen existieren (müssten) und welche neuen Regulierungsstrukturen entwickelt werden müssten, um die Leistungserbringung sicherstellen zu können. Welche Auswirkungen hätte eine Beauftragung privater Sicherheitsdienstleister auf die Überprüfung der Leistungserbringung und in welchem Rahmen kann eine Überwachung der Qualität und Quantität, der Effizienz und der Effektivität der Leistungserbringung stattfinden? In einer politik- und verwaltungswissenschaftlichen Perspektive steht mit dem Kriterium der strategischen Relevanz damit die Steuer- bzw. Regulierbarkeit der jeweiligen Leistung auf dem Prüfstand, also die Möglichkeiten der Kontrolle der Leistungserfüllung durch private Akteure. 

 

(2) Spezifität

Mit dem Prüfkriterium der Spezifität wird ein Effizienzkriterium eingeführt, das der Transaktionskostentheorie entspringt: Ob Schutzleistungen im Rahmen der Eigenerstellung oder der Fremderstellung erbracht werden sollten, soll demzufolge nicht allein anhand der reinen Produktionskosten der Eigen- bzw. Fremderstellung entschieden werden, sondern nur unter Berücksichtigung der Kosten der Marktnutzung (Transaktionskosten). Gemeint sind hiermit Anbahnungs-, Verhandlungs-, Vertrags-, Absicherungs- und Kontrollkosten, die dem Staat bei einer Fremderstellung grundsätzlich entstehen (vgl. Williamson, 1996). Das Merkmal der Spezifität einer Leistung spielt für die Höhe der Transaktionskosten eine ausschlaggebende Rolle (Schuppan & Reichard, 2010) und wird daher neben der strategischen Relevanz als ein zweites Schlüsselkriterium behandelt. Dabei wird unter Spezifität das Maß für die Einzigartigkeit bzw. Exklusivität einer Aufgabe bzw. des damit verbundenen Mitteleinsatzes verstanden (Humborg, 2006; Stienen, 2011). So liegt etwa eine hohe Spezifität vor, wenn in einer öffentlichen Einrichtung eine eigens erstellte Software benutzt wird, während eine geringe Spezifität für z. B.  Reinigungsaufgaben zu veranschlagen ist. Je stärker die Erbringung einer Schutzleistungen Ressourcen voraussetzt, die spezifisch nur für diese Leistung von Nutzen sind, desto höher ist deren Spezifität und umso höher können die Transaktionskosten im Fall einer Fremderstellung veranschlagt werden. Gleiches gilt für gegenseitige Abhängigkeiten und Sicherheitsbedürfnisse zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer, die dann durch aufwendige Vertragsgestaltungen abgesichert werden müssen (Bogumil & Naschold, 1998, S. 59).

Die Gesamtspezifität bildet sich dabei aus verschiedenen Komponenten, die etwa den Einsatz spezialisierter Technologien oder Anlagen (z. B. Überwachungstechnologien, Gefängnisse), spezifische Ausstattungen (z. B. Waffen), spezifische Qualifikation (z. B. Fachwissen), spezifische Verfahrensregeln und Kompetenzen (z. B. Geheimhaltungspflichten, hoheitliche Eingriffsrechte) betreffen können. Als die in diesem Zusammenhang besonders zentrale Spezifitätsmerkmale gelten das Recht zur Personalienfeststellung, zum Gebrauch von Schusswaffen und zur Festnahme – wie überhaupt das Recht unmittelbaren Zwang auszuüben (Stienen, 2011). Insofern diese Aspekte hohe Auslagerungsbarrieren darstellen, sollte in diesem Fall eher eine Eigenerstellung in Betracht kommen. Bei geringer Spezifität sollte dagegen eher eine Fremderstellung in Betracht kommen, da in diesem Fall mit geringen Transaktionskosten zu rechnen ist.

Die beiden Prüfkriterien „Spezifität“ und „strategische Relevanz“ stehen gewissermaßen als unabhängige Variablen nebeneinander, anhand der eine „Make-or-buy“-Entscheidung informiert getroffen werden kann (siehe Abb. 2). Dabei ist es ausschlaggebend, die strategische Relevanz und Spezifität miteinander in ein Verhältnis zu setzen.

Abbildung 2: Strategische Relevanz und Spezifität im Vier-Felder-Schema 

Quelle: In Anlehnung an Naschold et al. 1996, 76.

 

Im Allgemeinen ergibt sich die Gestaltungsempfehlung, dass Aufgaben bzw. Leistungen mit hoher Spezifität und hoher strategischer Relevanz (Feld B) staatlicherseits selbst zu erstellen sind, während ein niedriger Spezifitätsgrad und eine geringe strategische Relevanz eher dafürsprechen, eine Fremderstellung zu bevorzugen (C). Bewegen sich die Ausprägungen zwischen den Polen, so wird damit Raum für eine kooperative Aufgabenerstellung eröffnet (Felder A und D) (Bogumil & Naschold, 1998, S. 61). Während im Feld A eine weitergehende Auslagerung vergleichsweise unproblematisch ist, da die strategische Relevanz der Leistung gering ist, muss der Staat im Feld D für den Fall einer kooperativen Verantwortungsteilung die Gewährleistungsverantwortung tragen und insofern auch intensive Steuerungs- und Regulierungsmechanismen installieren. Im Allgemeinen wird bei Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit sowohl eine vergleichsweise hohe strategische Relevanz als auch eine hohe Spezifität festzustellen sein, sodass zwischen den einzelnen Schutzleistungen eher graduelle Unterschiede ins Gewicht fallen, die in der Regel keine vollständige Vermarktlichung, gegebenenfalls jedoch verschiedene Varianten einer Aufgabenteilung nahelegen.

Sind die strategische Relevanz und die Spezifität ermittelt, so kann anschließend auf dieser Grundlage die Frage der konkreten institutionellen Organisationsform der Schutzleistung in den Blick genommen werden. Hierbei muss es nicht um die ganzheitliche Zuweisung kompletter Schutzleistungsaufgaben gehen, sondern diese Entscheidungen über die Zweckmäßigkeit öffentlicher bzw. nicht öffentlicher Realisierung können sich gegebenenfalls auch kleinschrittiger auf einzelne Teilleistungen beziehen (Proeller, 2002). Diesbezüglich reicht die Spannweite von der rein staatlichen Eigenerstellung und Trägerschaft bis hin zur rein privaten Fremderstellung und Trägerschaft. Dazwischen liegt ein Kontinuum vielfältiger Formen der Kooperation und der partnerschaftlichen Erbringung von Leistungen. Der Grad an Spezifität und strategischer Relevanz hat dabei Auswirkungen auf die ideale Organisationsform. Je ausgeprägter beide Merkmale sind, desto höher ist der Bedarf an wechselseitiger Abstimmung und Kontrolle und umso integrativer und langfristiger sollte die Kooperationsbeziehung damit gestaltet sein. 

 

(3) Legitimität

Ob eine (Schutz-)Leistung in den Bereich der staatlichen Kern- oder der staatlichen Gewährleistungsaufgaben fällt, ob also private Akteure an der Erfüllung der Schutzleistung beteiligt werden können, ist nicht für alle Zeiten festgelegt, sondern wird laufend in der politischen und gesellschaftlichen Debatte verhandelt (Grimm, 1994; Bogumil & Jann, 2008, S. 64). Gleichwohl sich die diesbezüglichen Einschätzungen von Schutzleistung zu Schutzleistung stark unterscheiden, gilt für viele Schutzleistungen, dass sie vom überwiegenden Teil der Bevölkerung derzeit dem Kernbereich staatlichen Handelns zugeordnet werden und deren privater Vollzug damit legitimationsbedürftig ist.

Mit dem Prüfkriterium der Legitimität wird der politikwissenschaftlichen Einsicht Rechnung getragen, dass staatliches Handeln nicht allein an den Maßstäben von Effektivität und Effizienz bemessen werden sollte, sondern auch an der faktischen Akzeptanz, die es durch Bürgerinnen und Bürger erfährt (Mehde, 2013; Fuchs, 2012). Denn schließlich können aus der staatlichen Praxis, eine Schutzleistung durch private Akteure erbringen zu lassen, Akzeptanzprobleme erwachsen, die wiederum auf den Aufgabenvollzug, aber auch auf die staatliche Legitimität rückwirken. Wenngleich staatliche Behörden im Feld der inneren Sicherheit einen Akzeptanzvorsprung genießen und die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber privaten Sicherheitsdiensten weiter rückläufig ist (Ifd Allensbach, 2018), kann aber auch die Legitimität einer staatlichen Erfüllung infrage stehen, etwa im Zuge der ordnungspolitischen Debatte um die Grenzen des Leistungsstaats und die Vorzüge marktlicher Steuerungsmechanismen.

Das Legitimitätsniveau einer öffentlichen oder privaten Erbringung vom Schutzleistungen wird durch unterschiedliche Faktoren bestimmt (Proeller, 2002). Zum einen spielt hier der spezifische Charakter der Aufgabenerfüllung eine Rolle, insbesondere wenn eine Schutzleistung auch mit Grundrechtseingriffen einhergeht. So wird z. B. die Auslagerung sowohl der Strafverfolgung als auch des Strafvollzugs sehr skeptisch betrachtet. Zum anderen hat in diesem Kontext das öffentliche Bekanntwerden von Fehlern, Fehlentwicklungen und damit einhergehenden Skandalen eine legitimitätskritische Auswirkung. Für die ausgewählten Schutzleistungen wird dementsprechend geprüft, ob Anzeichen für eine mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz bestehen und wenn ja, als wie schwerwiegend diese zu bewerten sind. Darüber hinaus werden ggf. Akzeptanzstudien und einschlägige Medienberichterstattungen rezipiert. Dabei wird der Legitimitätsgrad der jeweils aktuell geltenden institutionellen Form der Leistungserbringung in den Blick genommen und mit anderen Formen der Leistungserbringung in Relation gesetzt. Ein vergleichsweise hoher Legitimitätsgrad spricht demnach eher dafür, am Status quo festzuhalten, während es ein niedriges Niveau an Unterstützung durch die verschiedenen Stakeholder  gegebenenfalls nahelegt, eine neue Form der Aufgabenteilung zwischen Staat und Privat zu bevorzugen – sofern dies von den primären Prüfkriterien unterstützt wird.

Fazit: Ableitung von Empfehlungen aus politik- und verwaltungswissenschaftlicher Sicht

Die legitime Instanz zur Bestimmung staatlicher/privater Aufgaben liegt im demokratischen politischen Entscheidungsprozess. Die Wissenschaft nimmt hier in erster Linie eine beobachtende Rolle ein; sie kann jedoch aufklärend und beratend tätig werden und damit Hilfestellung bei der Festlegung zentraler Entscheidungsparameter leisten. Aus einer politik- und verwaltungswissenschaftlichen Perspektive sind hier zuvorderst die Kriterien der strategischen Relevanz und der Spezifität von ausschlaggebender Bedeutung, aber auch das Kriterium der Legitimität ist nicht zu vernachlässigen. Selbstverständlich müssen in diesem Zusammenhang auch wirtschaftlichkeits- und legalitätsbezogene Argumente Gehör finden, für die sich jedoch in erster Linie die volkswirtschaftliche und die rechtswissenschaftliche Perspektive zuständig erklärt. So ergibt sich für die politik- und verwaltungswissenschaftliche Perspektive folgender Analyseweg (siehe Abbildung 3):

Abbildung 3: Der Gang der Analyse

Nach Einordnung der Prüfkriterien wird für jede einzelne Schutzleistung ein vorläufiges Fazit gezogen. Insofern sind die Empfehlungen in der Regel nicht als eindeutige Richtlinien zu verstehen, sondern vielmehr als Argumentationshilfen für politische oder unternehmerische Entscheider im Prozess der Entscheidungsfindung. Durch die Bezugnahme auf den vorgestellten Entscheidungsrahmen soll entsprechend verdeutlicht werden, was eine etwaige Auslagerung von Aufgaben oder Teilaufgaben im Einzelfall voraussetzt bzw. beeinflusst.

 

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