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Die technische Perspektive zeigt anhand ausgewählter Kriterien neue technologische Trends auf und setzt sie in einen Zusammenhang mit den jeweiligen Schutzleistungen. Das Ziel ist es, mögliche und wahrscheinliche Auswirkungen auf das Angebot von Schutz abzuleiten und zu skizzieren, wie sich Dienstleistungsangebote auf dieser Basis verändern könnten. Abschließend werden einzelne technische Entwicklungen dargestellt und bewertet, die eine wesentliche Neuorientierung im untersuchten Bereich nötig machen könnten.

Eine Leitstelle ist eine zentrale Stelle zur Leitung, Lenkung und Befehligung. Die Hauptaufgabe einer Leitstelle besteht im Wesentlichen in der Entgegennahme von Informationen (Notrufen, Daten von Sensoren usw.) und folgend der Einleitung entsprechender Maßnahmen zur Gefahrenabwehr. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen bzw. z. T. auch kombinierten Leistellen wie: Notruf- und Serviceleitstellen, Aufzugsnotrufzentralen, Hausnotrufzentralen, Sicherheits- und Werkschutzzentralen, Leitstellen der Energieversorger, Technikleitstellen, Verkehrsleitzentralen Nah-/ Fernverkehr, Polizeieinsatzzentralen, Feuerwehreinsatzzentralen, Rettungsleitstellen, Einsatzzentralen des Katastrophenschutz, Einsatzzentralen des Technischen Hilfswerks usw. Leitstellen müssen in allen Situationen einsatzbereit sein, um entsprechende Maßnahmen einleiten zu können. Sie agieren als Mittler zwischen Signalgeber (Notrufende oder Sensordaten) und Kräften (Einsatzkräfte, Techniker usw.). Als zentrale Stelle wirken Leitstellen meist im Hintergrund und versuchen eingehende Meldungen anhand der vorhandenen Informationen einzuschätzen und entsprechende Maßnahmen abzuleiten.

In Bezug auf die Infrastruktur sind zwei Hinsichten besonders relevant: (a) die von zahlreichen Sensoren erfassten Informationen (teil-)automatisiert zu analysieren (Vorverarbeitung von Datenströmen, Identifikation von definierten „Ereignissen“ in den Datenströmen), und (b) die Einzelinformationen zu einem Bild der Gesamtlage zusammenzuführen. Ferner allen beteiligten Kräften die für sie jeweils relevanten Darstellungen möglichst in Echtzeit zur Verfügung zu stellen. Softwareseitig stehen hierfür Analysealgorithmen, Methoden der Datenfusion und Aggregation[1] sowie der Visualisierung des Lagebildes im Vordergrund. Die Gesamtinfrastruktur lässt sich dabei als eine Kombination verteilter Systeme[2] und / oder Dienste[3] ansehen. Bei der Datenanalyse kommen neben regelbasierten Ansätzen zur Identifikation komplexer Ereignisse, z. B. softwarebasierte Produktionsregelsysteme wie Drools[4] , auch Methoden aus der künstlichen Intelligenz zum Einsatz (letztere insbesondere bei „unsicheren“ bzw. komplexen Lagebildern)[5].

Mithilfe von miteinander gekoppelten Informationsmedien wie digitalen Anzeigetafeln, Durchsagen und Apps können Informationen koordiniert und integriert werden. Dies kann für die Kommunikation der Sicherheitsdienstleister mit ihrem Personal als auch mit den involvierten Stakeholdern (je nach Schutzleistung: Bevölkerung, Passagiere etc.) an Relevanz gewinnen. Auf unterschiedlichen Informationskanälen könnten damit z. B. Zuwege gesteuert werden sowie Lauf-, Flucht- und Rettungswege koordiniert werden.[6]

In besonderer Hinsicht auf Leitstellen könnten Fall-Back Lösungen zwischen öffentlichen und privatwirtschaftlichen Institutionen geschaffen werden. Dieser kooperierende Ansatz verspricht in Notfall- und Krisenlagen eine sichere und schnelle Unterstützung. Eine medienbruchfreie Vernetzung der involvierten Stakeholder bildet hierbei Vertrauen und verschafft schnelle und koordinierte Unterstützung in Großschadenslagen indem Unternehmen Unterstützung von nicht betrieblichen Einsatzmitteln benötigen.

Im Fall von Krisensituationen und Notlagen können vor Ort mit Helfer-, Alarmierungs- und Informationssystemen (als Apps oder App-Module) schnelle, ortsbezogene und individualisierte Leistungen erbracht werden – von Erste Hilfe-Maßnahmen durch Mitarbeitende des Unternehmens bis hin zu Brandevakuierungen.[7]

Quellen:

[1] Laudy, Claire, Henrik Petersson, and Kurt Sandkuhl. „Architecture of knowledge fusion within an Integrated Mobile Security Kit.“ 2010 13th International Conference on Information Fusion. IEEE, 2010.

[2] Varshney, Pramod K. Distributed detection and data fusion. Springer Science & Business Media, 2012.

[3] E. U. Kriegel, S. Pfennigschmidt and H. G. Ziegler, „Practical aspects of the use of a Knowledge Fusion Toolkit in safety applications,“ 2013 IEEE Eleventh International Symposium on Autonomous Decentralized Systems (ISADS), Mexico City, Mexico, 2013, pp. 1-4. doi: 10.1109/ISADS.2013.6513439

[4] Proctor, Mark. „Drools: a rule engine for complex event processing.“ Proceedings of the 4th international conference on Applications of Graph Transformations with Industrial Relevance. Springer-Verlag, 2011.

[5] Artikis, Alexander, et al. „Event processing under uncertainty.“ Proceedings of the 6th ACM International Conference on Distributed Event-Based Systems. ACM, 2012.

[6] Willaredt (o. J.)

[7] Vgl. Projekt KATRETTER (https://www.fokus.fraunhofer.de/a9568ee409eb6a9d; abgerufen am 09. Mai 2019)

Drohnen mit automatischer Bilddatenauswertung können bei der Erfassung der Lage eine wichtige Ergänzung zum Personaleinsatz werden. Es ist davon auszugehen, dass in Zukunft Gefahrensituationen stärker automatisiert erfasst und bewertet werden können und entsprechende Lage-Informationen gezielt ausgesendet werden. Bislang ist noch Personal in der Fläche zur Evaluation der Lage nötig, aber schon jetzt können vor dem Hintergrund leistungsfähiger Drohnen- und Auswertungstechnik (z. B. auf Basis KI) Personalressourcen deutlich eingespart werden. Genauso können auch Daten von Flugzeugen und Helikoptern können zu einer Verbesserung des Lagebildes führen.

Der Einsatz und das Schaffen von mobilen Leitstellen kann bei lokal verteilten Unternehmensstandorten bei der Unterstützung von Notfall- und Krisensituationen sehr sinnvoll sein, um die Einsatz-/Gruppenleiter vor Ort und die Kommunikation zu Leitstellen zu verbessern. Hierbei spielen gerade sichere Kommunikationsinfrastrukturen eine entscheidende Rolle. Die Leistungsstärke von mobilen Geräten (Laptops etc.), die Miniaturisierung vieler Technologien sowie die Vernetzung der Systeme über gesicherte Internetverbindungen und Cloudlösungen ermöglichen zunehmend die mobile Nutzung unter Anbindung von Leitstellen.

Die Auswirkungen der rasanten Entwicklungsschübe durch Digitalisierung und neue Mobilfunkstandards (derzeit 5G) sind derzeit kaum realistisch für die Zukunft einzuschätzen. Schon jetzt ist die Kommunikation stark durch mobile Kommunikation (Mobiltelefone und Messenger-Dienste) geprägt. Dies lässt Rückwirkungen auf die Arbeit der Sicherheitsdienstleister nicht nur wahrscheinlich, sondern auch sinnvoll erscheinen – insbesondere wo es um kommunikative und organisatorische Tätigkeiten geht. Hier würde eine Einbindung sozialer Plattformen (Facebook, Instagram, Twitter etc.) zu betrachten sein, die ihrerseits durch die Bereitstellung hochaktueller Daten zur Komplettierung/Ergänzung von lokalen Lagebildern zuarbeiten könnten.

 
Quelle:

[1] Vgl. Charles P. Martin-Shields: Digitalisierung und Flucht: Wie können Geber digitale Technologien zur Unterstützung von Flüchtlingen einsetzen?; in: Stellungnahmen und Analysen 16/2017; Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (https://www.die-gdi.de/uploads/media/AuS_16.2017.pdf)

Haupteinsatzmittel der Kommunikation sind weiterhin Mobilfunkgeräte, mit denen der Einsatzleiter vor Ort mit der Leitstelle in Verbindung bleibt und aktuelle Informationen ausgetauscht werden. Spracherkennung könnte die Disponenten in der Leitstelle von der Informationserfassung per Hand entlasten, bzw. werden Interpretationen oder das Fehlen von Informationen vermieden. Auch können Informationen so wieder schneller an unterstützende Leitstellen ungefiltert/gefiltert weitergeben werden.

Regelmäßige e-Trainings über Virtual Reality (VR)- oder Augmented Reality (AR)-Werkzeuge können prophylaktisch – während einer Dienstleistung sowie nachträglich – eingesetzt werden. Mit ihnen können Gefahrensituationen simuliert (VR) oder inhaltlich begleitet (AR) werden – ggf.  ergänzt mit Hilfsfunktionen wie Übersetzer (babelfish etc.) oder Navigator. Die Funktionen können über das Arbeitsequipment direkt mit der Tätigkeit rückgekoppelt werden, etwa durch spezielle Apps auf dem Diensthandy oder über Wearables und smarte Brillen.[1] Eine Weiterentwicklung ist z. B. im Rahmen der Mobilfunktechnologie (4G, 5G) mit hohen Datenraten und geringer Latenz zur Echtzeitübertragung zu erwarten. Auch kann eine GPS-unabhängige Positionsermittlung ermöglichen, einzelne Objekte oder Personen auch innerhalb von Gebäuden zu orten. Allerdings können Restriktionen der DSGVO und des BDSG die Arbeit regulärer Mitarbeiter mit AR-Systemen einschränken. Der Einsatz von VR und AR in Leitstellen kann zu verbesserten Einschätzungen der Lage vor Ort der Mitarbeiter führen.

Auch die Rückwirkung, beispielsweise durch tragbare Videoüberwachungssysteme (BodyCams), kann in ein cloudbasiertes Alarm- und Informationsmanagement eingebunden sein und so die schnelle und teilautomatisierte Erstellung zutreffender Lagebilder fördern.

[1] Beispiel Projekt Smart Wearables (https://www.fokus.fraunhofer.de/6fba9fef480c985b, abgerufen 09. Mai 2019)

Disruptive Entwicklungen sind vor allem in der Kommunikation zu erwarten. Die neuesten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz und Big Data Analytics lassen im Bereich der Behaviour Detection, ggf. in Verbindung mit prediktiven Auswertungen, ganz neue Vorgehensweisen in der vorausschauenden Krisenbewältigung als möglich erscheinen.

Zur Sicherstellung des Bevölkerungsschutzes wurden im Rahmen des BMBF-Projektes „Kat-Leuchttürme“ Konzepte entwickelt, wie bei längerfristigen Notsituationen die Bevölkerung über Anlaufstellen informiert werden kann. Der Faktor Energieversorgung von Leitstellen oder regionalen Anlaufpunkten spielt hierbei eine wichtige Rolle.[1] Im Werkschutz könnte hier diese Technik zur Evakuierung genutzt werden.

 

Quelle:

[1] Beispiel Projekt Kat-Leuchttürme (https://www.sifo.de/de/kat-leuchttuerme-katastrophenschutz-leuchttuerme-als-anlaufstelle-fuer-die-bevoelkerung-in-1965.html, abgerufen 05.07.2019)

Das Vorhalten und der Betrieb von Leitstellen für den Katastrophenschutz sowie permanente technische Weiterentwicklungen sind absolut notwendig. Leitstellen sind auf sehr detaillierte Informationen zur Lage angewiesen, benötigen jedoch die Informationen im komprimierten Maß, um schnell Entscheidungen herbeiführen zu können. Leitstellen müssen zudem den Spagat zwischen Absicherung der eigenen Infrastruktur und digitaler Vernetzung mit anderen Stakeholdern in der Krisenbewältigung schaffen. Neben den technischen Entwicklungen müssen auf organisatorischer Ebene Richtlinien und Gesetze beachtet werden, damit Datenschutz und Datensicherheit gewährleistet sind. Durch die genannten Entwicklungen würden die Sicherheitsdienstleister in den administrativen Tätigkeiten entlastet und können sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren.