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Aus wirtschaftspolitischer – genauer: ordnungspolitischer – und finanzwissenschaftlicher Sicht stellen sich bei Aufgaben im Bereich der Inneren Sicherheit grundsätzlich drei Fragen: Wer ist grundsätzlich für eine solche Aufgabe (Schutzleistung) verantwortlich, hat sie also bereitzustellen? Wer soll sie dann durchführen, also herstellen? Und schließlich, wer soll die Kosten tragen? Genauere Informationen zum analytischen Vorgehen – gewissermaßen dem Prüfschema aus volkswirtschaftlicher Perspektive – finden Sie im Text „Volkswirtschaftlich – Erklärung“. Diese Fragen der Bereit- und Herstellung sowie der Finanzierung werden im Folgenden in knapper Form für die Schutzleistung „Sicherheit und Ordnung bei (Groß-)Veranstaltungen“ erörtert.

Die Schutzleistung umfasst Tätigkeiten des Sicherheits- sowie des Veranstaltungsordnungsdienstes, die eine Vielfalt von Aufgaben umfassen. Dazu gehören die Lenkung des fließenden sowie die Überwachung des ruhenden Verkehrs auf dem Veranstaltungsgelände, Zugangskontrolle inkl. von Karten-Kontrolle und ggf. Entwertung sowie der Kontrolle anderer Zugangsberechtigungen (bspw. Akkreditierungen), und der Kontrolle (i.d.R. durch den Sicherheitsdienst) auf Waffen und gefährliche Gegenstände. Dazu kommen Platzanweisungen und Steuerung von Menschenströmen, Verhinderung der Überfüllungen von Bereichen, Ansprache zwecks Freihaltung von Flucht- und Rettungswegen und Engpässen, Hilfeleistungen bei Evakuierung, sowie ggf. Bergung hilfloser oder körperlich eingeschränkter Personen. Weiterhin gehört übernimmt der Sicherheitsdienst (anders als der reine Ordnungsdienst) das Durchsetzen des Hausrechts sowie der Hausordnung und weitere Dienstleistungen, die unter § 34a GewO einzuordnen sind (vgl. Bundesverband der Sicherheitswirtschaft., o. J.), zu den Aufgaben. Kooperationen mit behördlichen Sicherheitskräften sind die Regel.

Nutznießende dieser Schutzleistung sind einerseits die Veranstalter, sowie andererseits die Besucher der Veranstaltung.

Wir betrachten nun die Frage, ob es aus ordnungspolitischer Sicht bei solchen Veranstaltungsdiensten eine Rolle privater Unternehmen geben sollte, und was ggf. zu beachten wäre.

[1] Anm.: Wie die Diskussion um die Ausrichtung des linksalternativen Fusion-Festivals 2019 auf dem Flugplatz Müritz Airpark jüngst und die Kooperation mit und Aufgaben der Polizei auf dem Gelände sowie ihre Notfallpläne zeigte, gibt es jedoch auch Ausnahmen.

Quellen:

Bundesverband der Sicherheitswirtschaft. (o. J.). Partner für professionellen Veranstaltungsordnungsdienst (VOD). Abgerufen am 11. Januar 2019 von https://www.bdsw.de/images/broschueren/BDSW-VOD-Broschuere-zum-Versand.pdf

Tagesspiegel (22.05.2019). Polizei reagiert auf Kritik an Einsatz-Plänen. https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/fusion-festival-2019-polizei-reagiert-auf-kritik-an-einsatz-plaenen/24367164.html. Zuletzt abgerufen 01. August 2019.

Nach dem standardisierten Prüfschema betrachten wir hier zwecks Ermittlung der Güter-Art der Schutzleistung zwei Fragestellungen: Liegt Rivalität vor, und liegt Exkludierbarkeit vor? Aus den Antworten auf diese Grundfragen lässt sich ableiten, ob es sich bei der Schutzleistung um ein öffentliches Gut (prototypisches Kollektivgut), um ein privates Gut (Individualgut), oder um einen der „Mischfälle“ Klubkollektivgut oder Allmende-Gut (Quasikollektivgut) handelt.

Besteht nun Verwendungsrivalität im ökonomischen Sinne? Beschneidet also die Durchführung eines Sicherheits- und Ordnungsdienstes bei einer (Groß-) Veranstaltung die Möglichkeiten anderer potenzieller „Nutzer“ an dieser Schutzleistung?

Betrachtet man vor allem die Veranstalter als Nutznießende (Fall 1), so besteht bei Großveranstaltungen durchaus eine gewisse Verwendungsrivalität. Zum betreffenden Zeitraum – beispielsweise dem Wochenende eines Festivals – ist der Personalmarkt für Sicherheits- und Ordnungskräfte im Veranstaltungsdienst nicht nur lokal, sondern oft regional regelmäßig vollumfänglich ausgeschöpft. Betrachtet man dagegen vor allem die Veranstaltungsbesucher als Nutznießende, ist Verwendungsrivalität dagegen zu verneinen. Jeder Besucher wird – so nicht diskriminiert wird – gleichermaßen kontrolliert und geschützt. Zusammenfassend kann aus unserer Sicht davon ausgegangen werden, dass Verwendungsrivalität im Fall 1 in Bezug auf Großveranstaltungen vorliegt, im Fall 2 dagegen nicht.

Liegt dagegen Verwendungsrivalität im Fall 1 vor, können wir die „richtige“ Zuordnung der Schutzleistung in unserem Modell von vier auf zwei Gütertypen verengen. Öffentliches Gut und Klubkollektivgut scheiden aus, es bleiben Privates Gut und Allmende-Gut zur Auswahl.

Liegt dagegen Verwendungsrivalität im Fall 2 nicht vor, scheiden Privates Gut und Allmende-Gut aus, es bleiben öffentliches Gut und Klubkollektivgut zur Auswahl.

Und besteht Exkludierbarkeit, kann also der Nutznießer der Schutzleistung andere potenzielle Nutznießer von der Mitnutzung ausschließen? In Fall 1 können Veranstalter – diesmal unabhängig von der Größe der Veranstaltung, hier trifft das also auch auf jede Dorf-Diskothek zu – andere Veranstalter zum Zeitpunkt der Veranstaltung von der Nutzung des Personals ausschließen. Exkludierbarkeit liegt vor. Betrachten wir den Veranstaltungsbesucher als Nutznießer (Fall 2), so liegt ebenfalls Exkludierbarkeit vor. Die Exklusion erfolgt über den Nichtverkauf von Eintrittskarten – nur Besucher werden vom Sicherheits- und Ordnungspersonal kontrolliert oder geschützt werden, nicht aber beispielsweise außerhalb eines Festival-Geländes auf Klappstühlen der Musik lauschende „Zaungäste“.

Nehmen wir somit das Kriterium der Exkludierbarkeit als gegeben an, verengt sich die Auswahl der Gütertypen auf eines – im Fall 1 auf das Private Gut, im Fall 2 auf das Klubkollektivgut.

Nun sind zwei Fragen zu beantworten: Wer soll aus ordnungspolitischer Sicht die Bereitstellung übernehmen, wer die Finanzierung?

Bereitstellungsaufgaben (oder auch: Versorgungs-) des Staates sehen Ökonomen grundsätzlich dort, wo beim aktuellen Stand der Technik eine Zuordnung zu „prototypischen und (…) Quasi-Kollektivgüter(n)“ erfolgt, und diese knapp sind (vgl. Grossekettler 1998, 8f.). Da es sich bei der betrachteten Schutzleistung unserer Auffassung nach dagegen je nach Sichtweise um ein Privates Gut oder ein Klubkollektivgut handelt und eine privat organisierbare Marktfähigkeit vorhanden ist, ist die Bereitstellungsverantwortung nicht[1] beim Staat anzusiedeln.

Die Finanzierung der Schutzleistung ist im Fall 1 über Marktpreise zu regeln. Hier handelt es sich um die von den Veranstaltern zu zahlende Löhne an Sicherheits- und Ordnungspersonal bzw. Personalagenturen, diese werden dann über die Eintrittskartenpreise an die Veranstaltungsbesucher weitergegeben. Im Fall 2 sind Beiträge ist die angemessene Wahl. Dies geschieht in praktischer Form ebenfalls über einen Anteil des Eintrittskartenpreises.

[1] Anm.: Dies bezieht sich jedoch nicht auf die Absicherung des öffentlichen Raumes um das Veranstaltungsgelände herum, Zu- und Fluchtwege, das Eingreifen in besonderen Lagen auch auf dem Veranstaltungsgelände beispielsweise bei einem Anschlag usw. Ob eine Beteiligung des Veranstalters an den durch die staatlichen zusätzlichen Schutzleistungen entstehenden Kosten – also der Finanzierung – angemessen ist, wird beispielsweise im Kontext gewinnorientierter Großveranstaltungen wie Fußballspielen derzeit – auch juristisch, zwischen der Deutschen Fußball Liga (DFL) und der Freien Hansestadt Bremen  – ausgehandelt.

Quelle:

Grossekettler, H. (1998), Staatsaufgaben aus ökonomischer Sicht, Volkswirtschaftliche Diskussionsbeiträge der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, Nr. 274.

Bei der Schutzleistung „Sicherheit und Ordnung bei (Groß-) Veranstaltungen“ liegt neben der Bereitstellungs- und Finanzierungs-Verantwortung auch die der Herstellung in den Händen des Veranstalters. Was aber nun, wenn es sich bei diesem um eine staatliche oder staatseigene Betreibergesellschaft handelt – sollte die Herstellung der Schutzleistung dann in Eigen-Ägide hergestellt werden, oder sollte diese Dienstleistung an private Anbieter vergeben werden?

Hier werden in der Regel als Entscheidungshilfe verschieden Arten von Kosten im weitesten Sinne betrachtet: Transformations-, Transaktions- und Verfahrenspräferenzkosten. Die Summe dieser drei Kostenarten gibt – ohne Berücksichtigung anderer Faktoren, allein durch die volkswirtschaftliche Brille – Aufschluss darüber, ob Eigenherstellung oder Vergabe lohnender sind.

Transformationskosten sind hier die Kosten, die aufgewandt werden müssen, um aus Vorleistungen die Schutzleistung zu erstellen. Konkret sind das hier vor allem die abzurechnenden Arbeitsstunden des Personals des Sicherheits- und Ordnungsdienstes. Für einfachere Tätigkeiten wie Kartenkontrolle, deeskalierende und vermittelnde Gespräche und Ähnliches wird ein einfaches bis mittleres Ausbildungs- und Qualifikationsniveau angemessen und ausreichend sein. Diese Aufgaben können vermutlich zuverlässige private und damit tendenziell günstigere Sicherheits- und Ordnungskräfte gut erfüllen können. Etwas komplexer kann sich das Anforderungsniveau der Schutzleistung gestalten, wenn beispielsweise mehrere Personen beteiligt sind, die Verursacher einer Störung nicht eindeutig auszumachen sind oder plötzlich gar Tumultlagen[1] beim Aufeinandertreffen mit aggressiven Gruppen entstehen.

In solchen Fällen wird ein vergleichsweise höherer Ausbildungs- und Qualifikationsstand des zu betrauenden Personals sowie besondere Einsatzmittel Voraussetzung für eine erfolgreiche Beherrschung der Situation sein. Hier sollten staatliche oder private Kräfte mit einem höheren höherer Ausbildungs- und Qualifikationsniveau die Aufgaben übernehmen. Hier ist aus Kostensicht eine genauere Prüfung notwendig, ob staatliche oder private Beschäftigte (gleichen Ausbildungs- und Qualifikationsstands) die effizientere Wahl sind.

Transaktionskosten fallen für staatliche oder staatseigene Veranstalter vor allem dann an, wenn unterstützende oder direkte Aufgaben im Rahmen der Schutzleistung an Unternehmen vergeben werden. (Umgekehrt gilt dies ebenfalls in gewissem Umfang für beauftragte Unternehmen.) Mutmaßlich sind die Transaktionskosten im Falle der Vergabe von Aufgaben im Bereich des Veranstaltungsdienstes nicht sehr erheblich, da die Natur der Tätigkeit im Gegensatz zu anderen Schutzleistungen wenig politischen Zündstoff birgt und weder die Vergabe noch die Fachaufsicht vor besondere Herausforderungen stellen.

Verfahrenspräferenzkosten spielen dann eine Rolle, wenn nennenswerter Machtmissbrauch bei der Erstellung des Produktes – hier der Erbringung der Schutzleistung – möglich ist. Zwar spielt die Wahrung des Neutralitätsgebots eine nicht unwichtige Rolle bei der Erbringung der Veranstaltungsdienste – insbesondere darf nicht unzulässig diskriminiert werden –, jedoch ist nicht zu vermuten, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung Verfahrenspräferenzkosten in Kauf nehmen würde, die beispielsweise durch eine Tätigkeit teurerer staatlicher Beschäftigter entstehen würden. In anderen Worten: Nur wenige Festival-Besucher würden vermutlich einen höheren Kartenpreis zahlen wollen, mit dem sie sich den Einsatz staatlicher Eintrittskarten-Kontrolleure und Sicherheitskräfte „für einfachere Aufgaben“ erkaufen würden.[2]

Marktversagen ist bei der hier betrachteten Schutzleistung aus unserer Sicht nicht wahrscheinlich.

[1] Anm.: Da sich solche Lagen schnell und unerwartet entwickeln können, ist räumliche Nähe von Sicherheitskräften unabdingbar, die schnell und angemessen bis zu einem gewissen Eskalations- und Komplexitätsgrad eingreifen können. Wird dieser Grad überschritten oder eine strafrechtliche Verfolgung notwendig, sind staatliche Polizeikräfte gefordert. Das Erfordernis der Entlastung öffentlicher Kassen durch Kostenersparnis einerseits in Kombination mit krisenhafter Reaktionsfähigkeit prädestiniert die Schutzleistung für Kooperationsmodelle.

[2] Anm.: Verfahrenspräferenzkosten spielten allerdings eine möglicherweise entscheidende Rolle, wenn die Sicherheitsdienst-Mitarbeiter mit über das Jedermann-Recht hinausgehenden Kompetenzen versehen würden.

Zusammenfassend wird aus volkswirtschaftlicher Perspektive zur betrachteten Schutzleistung folgendes vorläufiges Fazit gezogen:

Die Bereitstellung sowie die Finanzierung sind bei Veranstaltungsdiensten keine Staatsaufgabe, wenn der Veranstalter kein staatlicher oder staatseigener ist. Die Finanzierung sollte über umgelegte Personalmarktpreise bzw. Beiträge in Form anteiliger Kartenpreise erfolgen. Handelt es sich um einen staatlichen oder staatseigenen Veranstalter, ist die Bereitstellung – also die Sicherstellung der Erbringung der Schutzleistung – zwar doch wiederum Staatsaufgabe, jedoch bleibt auch hier die Finanzierung über Beiträge der Besucher (und nicht etwa über Steuergelder) die angemessene Form.

Ist der Veranstalter ein privater, so liegt die Herstellungsverantwortung der Schutzleistung in privaten Händen.

Die Frage der Herstellung ist im Falle eines staatlichen oder staatseigenen Veranstalters ohne weitere Informationen nicht so eindeutig zu beantworten, jedoch aus unserer Sicht bei Beschränkung der Kompetenzen der Durchführenden auf übliche Rechte (Hausrecht, Notwehr und Nothilfe, Jedermannsrecht usw.) vorzugsweise an Unternehmen zu übertragen. Bei Herstellung der Schutzleistung durch private Dienstleister kommt es letztlich (bei der Bewertung der Kosten-Kriterien im volkswirtschaftlichen Sinne) auf die Qualität und Vertrauenswürdigkeit der Anbieter im Markt an. Hier spielen die örtlichen Rahmenumstände bezüglich der Anbieter am Markt eine Rolle. Sind seriöse Anbieter vorhanden, sprechen die oben erörterten Kostenbetrachtungen in der Regel für die Vergabe der Schutzleistung an private Unternehmen.